EU-Gütesiegel

(C) Tobias MittmannIllustration vom wunderbar kreativen Tobias Mittmann

Ich hatte es in der letzten Statistik-Sammlung schon mal kurz angeschnitten, aber da es nun offiziell ist, betone ich das noch mal:

Mein Projekt “junggesehen”, ein Bildband zur jungen deutschen Fotografie mit 100 Fotos von 100 Fotografen, wird von der Europäischen Union im Rahmen von JUGEND IN AKTION mit mehreren tausend Euro gefördert! Das, und das Gütesiegel der EU auf dem Projekt, der Segen der Europäischen Union, ist verdammt groß.

Das erste Dokument, dass wir von der EU bekommen hatten, war in so einem dermaßen schlimmen Bürokraten-Deutsch geschrieben, dass wir garnicht verstanden haben, ob wir nun das Geld bekommen, der EU schulden oder irgendwas dazwischen… Glücklicherweise haben wir jemanden in der Redaktion, der 2 Semester Jura studierte. Sie konnte uns das übersetzen…

Wir hatten lange Zeit Schwierigkeiten Sponsoren und Unterstützer für das Projekt zu finden. Keiner traute uns wirklich zu, dass wir das alles auch durchziehen. Doch im letzten Sommer haben wir dann die erste Auflage gedruckt und restlos ausverkauft! Der Druck der Bücher passierte erst, als ich schon in Japan war, ein paar Tage vorm Flug hatte ich die .pdf zur Druckerei geschickt… Das einzige Exemplar was ich hier in Japan habe wurde mir dann von Deutschland zugeschickt.


Cover – Foto: Lea Müntges /Gestaltung: Dana Radloff

Zur Motivation und Geschichte hier mal das Vorwort aus dem Buch:

Das Internet ist groß. Es beherbergt Millionen von Bildern und Fotografien von ebenso vielen Fotografen – oder solchen, die sich dafür halten. Es ist schwierig, aus dieser bunten Masse herauszustechen und gesehen zu werden – erst recht wenn man jung ist. Doch gerade das gesehen und entdeckt werden ist für einen jungen Fotograf wichtig, auf dem Weg sich und seine Bilder zu entwickeln.

Vor einigen Jahren wurde jugendfotos.de gegründet, eine Internetplattform speziell für diese jungen Fotografen. Ursprünglich stand die journalististische Verwendung der Bilder für Jugendprojekte im Vordergrund. Doch schnell zeichnete sich auch eine andere Nutzung dieser Plattform ab: Junge Fotografen trafen sich, redeten über Bilder, entdeckten Neues und lernten. Man hatte viel gemeinsam und viel zu bereden – stets auf gleicher Augenhöhe, denn Profis gab es noch nicht.
Jugendfotos.de wuchs, und somit auch die jungen Fotografen. Mit über 40.000 Fotos im Archiv gab es dann aber wieder eine bunte Masse, in der es wieder schwerer wurde, gesehen zu werden – und die besonderen Exemplare verschwanden.

Eine Gruppe von jungen Fotografen wollte das ändern.
Nach dem Vorbild der großen Kunstsammelbände sollte ein Bildband als Buch erscheinen, der hundert dieser jungen, talentierten Fotografen würdigt und aus der Masse befreit. Er soll ihre Bilder zeigen, und den Fotografen ein Gesicht geben. Keine Masse mehr – sondern Gefühle, Gedanken und Kunst.

Das Ergebnis dieser Bemühungen hältst Du nun in der Hand.

Jung sein und fotografieren – das bedeutet entdecken. Mit diesem Buch sollen gute Fotografien, junge Fotografen aber auch die junge Fotografie als solche entdeckt werden. Denn was diese so einzigartig macht, ist die Leidenschaft. Es sind junge Menschen, die nicht fotografieren, weil sie dafür bezahlt werden, weil es ihnen ein jemand vorschreibt oder weil sie es so gelernt haben.
Sie nehmen sich die Kamera und drücken ab – frei von allem.

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte – und 100 Bilder von 100 Fotografen sagen noch sehr, sehr viel mehr.

Augen auf!

Fritz Schumann
Chefredaktion „Junggesehen“

Die Reaktion auf das Buch war überwältigend, sowohl von den abgedruckten Fotografen, als auch von den Lesern.

Seit dem letzten großen Schritt im Sommer letzten Jahres ist allerdings nicht mehr viel passiert. Ich als Leitung habe versucht etwas aus Japan aus zu koordinieren, doch es ist schwierig. Ebenso versuche ich hier auch eine Ausstellung zur jungen deutschen Fotografie anzuleiern, doch in Japan dauert das alles immer so lang. Erst wird gesprochen, dann gewartet, dann noch mehr gesprochen und noch mehr gewartet… Die Entscheidungen fällen nämlich nicht die, mit denen man spricht, sondern die 2-3 Etagen dadrüber. Ich hoffe mit EU-Gütesiegel geht das nun alles etwas schneller.

Ich versuche nämlich auch ein vergleichbares Projekt mit jungen japanischen Fotografen anzugehen. Vielleicht nicht unbedingt als Buch, jedoch aber als Ausstellung. “junggesehen” bedeutet ja auch: die Welt, jung gesehen. Die Fotos zeigen alles was Jugendliche/junge Erwachsene interessiert, bewegt, begeistert. Es wäre interessant zu sehen, was junge japanische Jugendliche bewegt und begeistert. Am Ende könnte sogar eine gemeinsame Ausstellung in Deutschland oder hier stattfinden.


Backcover

Doch je länger das dauert, desto mehr Sorge habe ich, dass in meiner Zeit hier nicht mehr umsetzen zu können. Von den ersten Gesprächen an habe ich schon Fortschritte gemacht. So hat zum Beispiel die Stadt Berlin (Partnerstadt von Tokyo) vorsichtige Unterstützung signalisiert, und mit Vertretern von der Stadt Shinjuku (meine neue Heimat und die Partnerstadt meiner alten Heimat Berlin-Mitte) habe ich auch schon gesprochen. Die finden das Projekt zwar voll sugoi aber man könne ja hier und jetzt nix konkretes festmachen.

Und, nunja, vom Goetheinstitut brauche ich garnicht zu reden… (“Wer sind sie?”, “Was haben sie für Qualifikationen?”, “Wir haben kein Geld!!”). Dabei suche ich hier nichtmal finanzielle Unterstützung. Nur jemand der sagt “Cool, machen wir”. Ich brauch nur nen Raum zur Ausstellung, und irgendwo einen Kontakt zu jungen Fotografen. Doch Japaner sind was das angeht nicht so flexibel wie Berliner, wo es einfach ist kreative Projekte umzusetzen. Man muss nur mit seiner Idee überzeugen können. Wie abgeranzt die Klamotten dabei sind, oder wie lang das Haar, ist komplett egal. In Japan ist das etwas anders. Allerdings ist Berlin damit auch ziemlich einzigartig in der Welt…

Was wir, ich und die Redaktion, nun mit dem Geld machen, das diese Woche nun auch schon angekommen ist, ist noch nicht klar. Wir konnten uns auch darauf einigen, dass wir das erst gemeinsam entscheiden, wenn ich wieder in Deutschland bin. Die Redaktion ist über gesamt Deutschland verteilt, das wird dann auch unser erstes richtiges Treffen. Ich bin gespannt.

Das Projekt hat viel Potenzial junge Fotografie zu fördern und deswegen ist es mir persönlich auch so wichtig. Mit dem EU-Gütesiegel stehen uns nun viele Türen offen.

mehr Infos:

Homepage vom Projekt -> junggesehen

TokyoFotoSushi vor 140 Jahren


Ich mag besonders wie verwirrt die Kerle aussehen…

japanischer Holzschnitt von 1870 von Ochiai Yoshiiku, gefunden bei Aqua-Velvet.com

Und dabei habe ich gerade erst einen Manga über einen Fotografen entdeckt, mit dem Titel: Lock On!

Die Inhaltsbeschreibung ist ebenso brilliant wie Banane:

Utsuru Sanada is a professional photographer at the age of 17, he can guess the exact 3 sizes of any girl, he can memorize anything he sees, and he can counterattack karate moves (Most guys would want these abilities). Why? Because he has superb photographic memory called “Shutter Eye” (Shutter as in the shutter of a camera). He meets Niko Kurihara, the female protagonist, who dislikes men, is a master of martial arts, and is of course beautiful. Utsuru attempts to prove to Niko that he is not the guy she thinks he so he can take a picture of her. He starts by investigating Niko’s friend’s date, who appears to be a deceiving guy according to rumors……

(Hervorhebungen von mir)

Die Darstellung der Fotografie in der japanischen Kunst hat sich in den letzten 140 Jahren doch erstaunlich verändert. Die Augen (und Brüste) wurden größer, die Röcke kürzer und die Kameras handlicher. Eine Entwicklung, die ich 110%ig unterstütze.

Die Richard-Wagner-Büste aus dem Automaten

Vergangenes Wochenende war das Japan Media Arts Festival, bei der Medienkunst, Anime, Manga und Videospiele als Kunst ausgezeichnet und gefeiert wurden. Das Ganze fand im National Art Center in Minato statt, in deren Keller man sich die Büsten von toten Komponisten aus einem Gashapon Automaten ziehen konnte. Schumann hatten sie leider nicht…

Ich schieb schon mal gleich vorweg, dass ich die Kamera nicht dabei hatte, und keine eigenen Bildern liefern kann. Es regnete aus Eimern und ich entschloss mich trotzdem (und aus akuter Geldknappheit) zum Fahrrad, was mittlerweile das vierte(!) Mal in diesem Monat, dass ich im Regen Fahrrad fahre. Und es gibt fast nichts, was ich mehr hasse, als im Regen Fahrrad zu fahren. Ernsthaft.

Das Japan Media Arts Festival fand nun schon zum 13. Mal statt, in einem Raum des National Art Center statt. Ein Raum gefüllt mit lauter und bunter Kunst.


Quelle: Japan Media Arts Plaza

Gezeigt wurde, was im Jahre 2009 ausgezeichnet wurden war. In den Bereichen Games, Manga, Anime und Medien waren das in diesem Jahr folgende Teilnehmer. Ich erhebe jetzt keinen Anspruch auf umfassende Berichterstattung, sondern nenne nur das, was ich selbst cool fand:

Excellence Prize: Naruto: Ultimate Ninja STORM

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Om6P0ZiryAc&hl=de_DE&fs=1&]

Ich finde es schön, derzeit in einem Land zu leben, in dem etwas mit dem Titel “Ultimate Ninja STORM” einen Preis für Kunst bekommt. Ernsthaft.

Grand Prize: Summer Wars

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Ra26GtulFP0&hl=de_DE&fs=1&]

Ein Anime der schon seit einer Weile ganz dick auf meiner Liste steht, gesehen habe ich ihn noch nicht. Ist aber von denselben Machern, die auch (und den Titel muss man sich auf der Zunge zergehen lassen) “Das Mädchen, das durch die Zeit sprang” gemacht haben. Einer der wenigen Anime, der letzten Jahre, der mich echt begeistert hat, zumal die deutsche Synchronisation echt gelungen ist.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Pc0wR6vUh04&hl=de_DE&fs=1&]

Excellence Prize: Tokyo Magnitude 8.0

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=yw3TbR1Nc7U&hl=de_DE&fs=1&]

Habe ich leider ebenfalls noch nicht gesehen, finde ich aber vom Thema sehr interessant: Geht um das erwartete große Erdbeben in Tokyo, was ja irgendwann mal kommen soll, und wie die Stadt und die Bewohner damit umgehen.

Excellence Prize: Die Seilbahn

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=DDXDFMIXT9I&hl=de_DE&fs=1&]

Und dann war da tatsächlich ein deutscher Beitrag, komplett mit deutschen Titel, der von allen gezeigten Anime das größte Publikum gezogen hat – wahrscheinlich gerade weil es mal nicht japanisch war.
Musste dann aber feststellen, dass der Beitrag nicht aus Deutschland, sondern aus der Schweiz kommt. Tjaja….

Special Achievement Award: Shigeru Miyamoto


Quelle: spada.co.uk

Shigeru Miyamoto ist Gamedesigner und hat Super Mario erfunden, meine persönliche Lieblingsspielreihe Zelda, dazu noch etliche anderer Videospielideen und einflussreichende Innovationen. In den letzten Jahren ist er eher müde geworden, und ruht sich auf seinen Erfolgen aus, genau wie sein Arbeitgeber Nintendo, die früher innovativ sein mussten, um zu überleben, und nun dank erneuter Marktführer-Position, aus Mist Geld wachsen lassen können. Ein Comic illustriert das sehr schön.

Trotzdem ist er ein kreativer Kopf, der mir viele Stunden Spielspaß beschert hat. Hoffentlich nimmt er sich den Preis zu Herzen und denkt drüber nach, wofür er den bekommen hat, und fängt wieder an gute Games zu machen.

Gesamte Liste der Preisträger

Es gab auch eine schöne Auswahl von unabhängigen Anime-Produktionen, von der mir leider keiner markant im Gedächtnis blieb, bis auf einen:

Ein japanisches Leben in 30 Sekundenen (mein Titelvorschlag)
Es beginnt mit dem Traum eines Schulmädchens, indem sie unentwegt rennt, ohne irgendwo anzukommen. Dann schmeisst sie sich die Uniform über, rennt zum Bahnhof, rennt dem Zug hinterher, fliegt im Zug hin und here, fällt raus und rennt zur Schule und rennt und rennt rennt und stolpert… und schlägt sich den Kopf an einem Stein an. Ihre Seele verlässt ihren Körper und rennt in den Himmel, Körper wie Seele haben einen leicht frustrierten Gesichtsausdruck, der trotz stummer Protagonistin geradezu schreit: “Wie, das soll es jetzt gewesen sein?”.

Schönes Ding.

Die Japan Times hat auch ein paar Impressionen gesammelt (von einem Styropor-Wirbelsturm) und auch von dem Cyber Arts Festival, das ich leider verpasst habe:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=OOA1HV-ptcU&hl=de_DE&fs=1&]

Beenden wir mal den Beitrag, wie ich ihn begonnen habe, mit einer Büste von Richard Wagner aus nem Automaten:

Tokyo Reflections

Heute ist ein Interview von mir online gegangen, das ich für das Tokyo Art Beat Magazin mit dem Architekten Christoph Vogel führte:

Tokyo Reflections ist eine geplante öffentliche Ausstellung in der Tokyo Station und dem Shinjuku Imperial Garden, mit spiegelnden Körper, die eine ausgestorbene Alienrasse darstellen.


© cheungvogl

Es ist etwas kompliziert, das in nur einem Satz zusamenzufassen, für Leute die mehr wissen wollen, ist schließlich auch das Interview da:

Interview im Tokyo Art Beat Magazine: -> Tokyo Reflections

Aber an dieser Stelle kann ich mal erzählen, wie es zu dem Interview kam:

Mit einer gewaltigen Prise Web 2.0 fand ich Tokyo Reflections zum ersten Mal. Auf Twitter folge ich vielen Stimmen aus Tokyo, einer von denen entdeckte eine Meldung im Blog von Jean Snow, der sich wiederum auf einen ausführlichen Beitrag im designboom Blog bezog, dem wahrscheinlich ein ebenso ausführlicher Beitrag auf archiCentral voranging.


© cheungvogl

Als Fan von Architektur, Kunst, Tokyo und abgefahrenen Sachen, fand ich das natürlich sehr geil, und wollte mehr wissen. Ich wandte mich ans metropolis magazine, die allerdings auch nicht mehr wussten, als da stand, und erst etwas bringen wollten, wenn es stattfindet.
‘Wann’ das ganze stattfindet, stand in keinem der Blogs. Also fragte ich meinen Kontakt, den ich zu Offiziellen der Stadt Tokyo habe, ob die genaueres wissen. Die guckten dann auf die Homepage vom Architektenbüro (die selbst in Hong Kong sitzen) und stellten fest, dass einer der beiden leitenden Architekten Deutscher ist. Man schlug mir vor, doch einfach mal selbst nachzufragen. Ich ging also direkt zur Quelle.


© cheungvogl

Der Kontakt wurde recht schnell recht freundschaftlich (und der Architekt wurde schnell Fan von meinem Blog 😉 ). Ich hatte bei dem Tokyo Art Beat Magazine vorher schon angefragt, ob sie was über das Projekt wussten, oder schonmal was drüber gebracht haben. Sie wussten nix, waren aber umso interessierter daran. Da das Ganze aber auf englisch sein musste, musste ich all meine Fragen die ich auf Deutsch schon beantwortet bekommen hatte, noch einmal auf englisch stellen.


© Tomo Yun/cheungvogl

Leider gibt es noch kein konretes Datum, wann wir Aliens neben Salarymen sehen werden. Aber wenn in einem Land auf dieser Erde, jemals Aliens neben Anzugträgern auf einem Bahnsteig stehen, dann definitiv in Japan.

Interview im Tokyo Art Beat Magazine: -> Tokyo Reflections