Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 7: Das Ende der Reise

Der letzte Tag, an dem mein Ticket noch gültig war, war gleichzeitig der letzte Tag meiner Reise in Japans kalten Norden. Auch ganz gut so, mir war kalt, ich war pleite und hatte absolut die Schnauze voll von Schnee.

Die Reise als Zusammenfassung in Gemütszustand/Tagen

Nachdem ich am Tag zuvor eingeschneit und durchnässt in der Bude meines Freundes ankam, meine Schuhe und Socken vor den Ofen packte, konnten wir nur noch einen Film schauen, den mein Freund (inzwischen auch wieder in Deutschland aber in ein paar Monaten wieder in Japan für 1-2 Jahre) von seinem Chef bekommen hatte. Es handelte sich um den japanischen Film Campaign, den ich vor Jahren schon einmal auf arte gesehen hatte und dem ich wirklich jeden empfehlen kann.

Campaign ist eine Dokumentation um Politik und Wahlkampf in Japan, mit allen Merkwürdigkeiten und Besonderheiten. Der Film wurde dabei ebenfalls von einem Japaner gemacht, einem alten Freund von dem Protagonisten, der im Film gewählt werden will. Daher fehlt zum Glück diese westliche Perspektive (“in Japan ist eh alles komisch und anders”) und die Bilder sind sehr neutral und objektiv gehalten, sodass sich jeder selbst ein Bild machen kann.

Die deutsche Premiere von dem Film fand übrigens im Kino Babylon in Berlin statt, wo ich vor Jahren mein Filmfestival hatte.

Der Protagonist des Films, also der junge Wicht, der gewählt werden will, war bei der Premiere in Berlin sogar dabei. Sehr sympathischer Kerl. Heute ist er nicht mehr in der Politik sondern, wenn ich das mal richtig übersetze, arbeitslos. Genaueres zum Nachspiel des Films gibt es in einem Artikel in der JapanTimes, allerdings sollte man vorher den Film gesehen haben. Der geistert irgendwo auch kostenlos durchs Netz…

In der Nacht hatte es, wie sollte es auch anders sein, wieder geschneit. Doch diesmal hingen keine weiteren Schneewolken über Aizu, sondern ein blauer Himmel mit Sonnenschein strahlte auf den weissen Ort. Die Sonne gab sich dabei soviel Mühe, das es schon in den Augen weh tat. Den Schnee konnte man nicht mehr angucken, da das ganze Sonnenlicht von den Eiskristallen reflektiert wurde.

Ich hatte schon viele Sehenswürdigkeiten abgedeckt, auf meinem Weg zum Bahnhof und nach Tokyo wollte ich noch eins abdecken: Dr. Noguchi und sein Krankenhaus.

Nun, wer war Dr. Noguchi?

Diese Frage stellte ich auch meinem Freund in Aizu. Dieser holte dann nur einen 1000yen Schein raus und zeigte ihn mir.

Das ist Dr. Noguchi.

Seine Geschichte kann man gern noch mal auf wiki nachlesen, die Kurzfassung ist diese: Hideyo Noguchi erlitt als Kind schwere Verbrennungen, die seine linke Hand unbrauchbar machten. Trotz dieser widrigen Umstände wollte er Arzt werden und Anderen helfen. Diese Geschichte, vom tapferen Kampf gegen alle Widrigkeiten, fanden die Japaner sehr rührend und Noguchi wurde beliebt und bekannt. In Aizu stand mal ein Krankenhaus, dass er geleitet hat, und die ganze Ecke dort zelebriert ihn nun.

Es gibt die “Noguchi-Street” in der früher sein Krankenhaus stand. Heute erinnert eine Statue von ihm daran.

Unweit von seiner Statue stehen auch ein paar eingefrorene Pflanzen.

Nur falls es immer noch welche geben sollten, die mir nicht glauben, wie kalt es dort oben war…

Das war also Aizu.
Ich machte mich auf dem Weg zum Bahnhof, um die letzte Zugreise dieses Trips anzutreten. Der Bahnfutzi knipste mein Ticket ab und weiste mich lächelnd drauf hin, dass heute der letzte Tag meiner Reise ist. Vielen Dank, sagte ich.

Es war auch ganz gut so. Ich konnte absolut keiner Schnee mehr sehen. Es tat in den Augen weh, dieses kalte, weisse Zeug zu sehen. Blinzelnd kämpfte ich mich zum Bahnhof und im Zug konnte ich endlich die Augen zu machen. Bis nach Tokyo musste ich 6 mal den Zug wechseln, doch eigentlich zählte ich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Als die Sonne unterging, erreichte ich die Stadtgrenze.

Saß ich vor ein paar Tagen noch alleine im Zug, war ich nun wieder in der Rush Hour, mit Millionen von Menschen in Shinjuku. Wollte ich wirklich wieder hier hin zurück? Eigentlich wollte ich mich gleich in den Zug setzen und weiter fahren, irgendwo hin, wo ich noch nicht war. Doch eine kurze Riechprobe an meiner Kleidung und am schweren Rucksack sagte mir: Du brauchst eine Dusche! Du brauchst frische Klamotten! Und ein Blick in meine Geldbörse sagte mir: Du brauchst Kohle!



Also reihte ich mich ein, in die Massen von Pendlern, Geschäftsmännern und Sekretärinnen und fuhr in meine 4,5qm nachhause…





Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7: Das Ende der Reise

4 thoughts on “Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 7: Das Ende der Reise”

  1. “Nur falls es immer noch welche geben sollten, die mir nicht glauben, wie kalt es dort oben war…”
    Das ist genau mein Fall! Da will ich hin! Ich mag die Kälte lieber als die Hitze.

    Schnee, Eiszapfen – alles besser als Schweißausbrüche und Sonnenbrand.

  2. Danke, dass du auch noch das letzte Kapitel deiner Reise online gestellt hast. War wieder sehr interessant! Immerhin kenn ich jetzt auch Dr. Noguchi …

    1. wenn du alte scheine hast, vlt nicht, der ist erst seit 2004 drauf. der typ vorher hatte aber auch n schnauzer und sieht ihm etwas ähnlich (hatte auch den falschen schnurbartträger drin bevor mich einer drauf hinwies…)

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