Insel Abenteuer!: Oshima

Aus einer Lust und Laune heraus machte ich mich auf zu den Inseln südlich von Tokyo und entdeckte Abenteuer und ein anderes Japan – und war von der Gastfreundschaft der Bewohner einfach nur begeistert.

Alles was ich dabei hatte, Regenschirm, Schlafsack und graues Wetter.

Es ist schon etwas länger her, aus den ersten zwei Wochen nachdem ich hier gelandet bin. Ich wohnte damals noch in Nishi-Kawaguchi, in dem billigsten Hostel in Tokyo. Als ich danach dann Japanern von Nishi Kawaguchi erzählte machte die dann meist „Oh…..“ und erzählten mir, dass die Ecke wohl eines der Yakuza Hauptquartiere in Tokyo ist und stadtbekannt für Prostitution. Im Time Magazin gibt es auch einen interessanten Artikel über Nishi-Kawaguchi mit dem wunderschönen Titel „Japan’s Terror Threat„. Ich hab da auch ein paar, nunja, unangenehme Sachen gesehen und erlebt. Das Hostel war auch mehr ein Rattenloch, für die erste Zeit aber okay.

Ich hatte in diesem heissen Sommer Lust zu Baden und fragte einen dort wohnenden Österreicher, wo es denn in Tokyo Strände gibt. Er meinte, da müsste ich schon auf ne Insel fahren. Ich fand den Gedanken cool und machte mich schlau:

Südlich von Tokyo gibt es eine Inselkette, Izu-Shoto genannt. Das sind allesamt vulkanische Inseln, die mehrere hundert Kilometer von Tokyo entfernt liegen, aber trotzdem noch zur Stadt Tokyo und dessen Verwaltungsgebiet gehören. Auch dort fand ich dann im August, lauter Wimpel und Fähnchen mit der Aufschrift „Tokyo Olympia 2016“, auch wenn Olympia natürlich niemals zu den Inseln kommen wird.

inseln
Quelle: wikipedia/Izu-Shoto

Gesamt leben ca. 25.000 Menschen auf allen Inseln, wobei die erste Insel der Gruppe gleichzeitig auch die größte ist und die meisten Bewohner hat: Oshima


(Oshima von der Izu Hanto aus)

Ich wusste nicht wirklich wie ich auf die Insel kommen sollte, und machte mich über Wiki-Travel schlau, fragte meinen zukünftigen Mitbewohner ob er mir die Seite des Fährbetreibers übersetzen kann und machte mich dann auf zu einem Kapsel-Hotel in Asakusa, in dem ich die Nacht vor dem Trip verbringen wollte. Zuvor bin ich aus dem Hostel ausgezogen und wollte eigentlich am Abend auf die Insel. Abends fuhr jedoch keine Fähre mehr, sodass ich kurzzeitig in einem Kapsel-Hotel unterkommen musste.

Kapsel-Hotels sind für 1-2 Nächte eigentlich ganz in Ordnung, man hat nen Fernseher in der Kapsel und nen Vorhang. Allerdings schlafen auch so 20-30 andere Personen zusammen in einem Kapsel-gefüllten Raum, wenn da einer schnarcht haste Pech gehabt. Ich hatte aber Glück und das einzige störende, war ich selbst, als ich meine Kamera aufgeladen habe und somit zwei Finnen beim Kartenspielen störte.

Im Asakusa Tourist Information Center, wo ich eigentlich nur nach der Adresse von meinem Hostel fragen wollte, suchte man mir nach einem kleinen Dialog auch noch die Abfahrtzeiten für die Fähre am nächsten Morgen raus:

„….and this your hotel here.“
„thank you!“
„By the way, where are you from?“
„Germany“
„ooohhh… germany…. I have been there… Guten Tag!“
„Guten Tag :-)“
„Can I help you with anything else…?“
„Ah yes… I want to go to the Islands south of Tokyo tomorrow, but I don’t know how. Can you help me?“
„Klar!“

Er telefonierte etwas rum, schlug einen dicken Wälzer mit den Fahrtzeiten der Fähre raus und suchte für den nächsten morgen die beste Verkehrsbindung raus.

Nach Oshima kommt man am Besten per Boot, einer Fähre die „Jet Foil“ heisst. Die fährt vom Takeshiba Terminal aus, wo man auch die Tickets kaufen kann, mehr dazu hier.

Ich wollte die erste Fähre am nächsten Tag nehmen, und die ging 7.29 Uhr. Das weiss ich noch so genau, weil ich an dem Tag so oft auf die Uhr schaute und es am Ende sehr knapp wurde.

Gegen 5 Uhr wachte ich auf und verließ die Kapsel. Das Einzige was ich bei mir hatte war ein Schlafsack (weil ich eigentlich draußen übernachten wollte), einen Regenschirm und eine Umhängetasche mit Handtuch, Kamera, und Pulli. Das wars. Sonst nur ein kurzes Hemd, kurze Hose und Turnschuhe.

Ich kam 7.23 Uhr Takeshiba Terminal an, konnte dann der Dame hinterm Thresen irgendwie klar machen, dass ich erst nach Oshima möchte, dort einen Tag bleibe, dann nach Niijima und einen Tag später wieder nach Tokyo. Der ganze Trip war mit knapp 19.000yen nicht billig, aber es lohnte sich.

Um 7.26 Uhr war ich mit als letzter in der Fähre und es ging los.

In den zwei Stunden Fahrtzeit über den Pazifik hatte ich das erste Mal Zeit zum Durchatmen, zuvor bin ich eigentlich nur gerannt um die Fähre zu erwischen. Ich musste laut lachen, weil ich das alles so absurd fand.
Ich wollte auf eine Insel, hatte vor einem Tag noch keine Ahnung wie, und nun sitz ich in nem Boot mitten im Pazifik vor der Küste Tokyos. Ich bin hier, weil ich hier sein wollte. Ich bin auch nach Japan, weil ich in Japan sein wollte. Und alles funktionierte. Ich fühlte mich frei. Frei von allen Hindernissen, die mir so oft eingeredet wurden. Wie oft hörte ich im Leben „Das geht nicht.“ „Das kannst du nicht“ und nun bin ich in Japan, arbeite als Fotograf, und sitze in einem Boot zu einer Insel.

Viele Tokyoter kennen Oshima und die Inseln, waren aber noch nie dort. Auch viele Oshima-Bewohner waren noch nie in Tokyo, obwohl es so nah ist. Doch viele in Tokyo wissen, dass es da sehr schön ist.

Bei meiner Ankunft auf der Insel die 100km von Tokyo weg ist, fühlte ich mich noch nicht so weit von Tokyo weg. Alles war grau in grau, nur dass das Tokyoter Beton durch graue Wolken ersetzt wurden ist.

Trotzdem war die Insel imposant.

Und lächelte mich an:

Ich suchte zuerst das Tourist Information Center auf, was günstigerweise direkt am Hafen war. Englisch sprach da keiner, aber sie hatten englische Karten. Ich konnte sogar rauskriegen, wo man hier Fahrräder mieten kann. Man gab mir eine Nummer und ich rief an. Es folgte eine Situation die ich gerne als Beispiel nehme, wenn es um die Situation von Ausländern in Japan geht, und wie Japaner manchmal reagieren:

Das ganze Gespräch fand auf japanisch statt und ich war dementsprechend limitiert. Es ging zuerst darum, wieviele Räder ich gern hätte, wie lange und welche Farbe. Alles war okay bis ich merkte, dass ich mit meinem Japanisch nicht mehr weiterkomme. Ich fragte sie, ob sie jemanden haben, der englisch kann. Sie meinte „warten Sie kurz“, trat aus der Leitung und ich wartete. Es meldete sich dann eine Männerstimme, die zu mir meinte „We have no bikes. Thank you“ und legte auf.

Das ganze Gespräch vorher ging nur darüber, welche und wieviel Räder ich gern hätte, und als wir auf englisch umstellten, sind ihnen die Räder ausgegangen.

Also nahm ich den Bus in die nächstgrößere Stadt, Motomachi. Ich bewundere heute noch den Busfahrer, der steile Zickzack-Kurven, den Berg hoch, mit Bravour meisterte. An diesem Morgen war der Bus nicht voll, er konnte mir also helfen.

In Motomachi stieg ich dann, im immer noch heftigen Regen, aus und zog mir erstmal nen Pulli über. Motomachi ist höher gelegen als der Hafen und bot einen Blick über die Insel. Das war nun Oshima. Grau, kalt und es gab keine Fahrräder.

Ich bin dann zum Town Office, auch um nochmal Touristen Informationen zu bekommen. Ich hatte zwar genug, aber ich wollt mich noch mal gern mit jemanden in einem warmen, trockenen Umfeld unterhalten. Und vielleicht finde ich auch jemanden, der englisch kann. Mit Schlafsack, Regenschirm und kurzer Hose ging ich also ins Rathaus.

Der Mann an der Rezeption sah mich, guckte etwas überfordert und griff dann zum Hörer als ich auf ihn zukam. Ich fragte ihn, ob er englisch kann. Er schaute beschämt zum Boden und meinte, ich sollte kurz hier warten.

Es kam dann eine Person auf mich zu und begrüßte mich mit „Hello“ und Handschlag. Das war Reiko.
Reiko arbeitet im Tourismusbüro und war die Einzige dort (und wahrscheinlich die Einzige auf der Insel), die fließend Englisch konnte. Sie war, als sie 16 war, ein Jahr lang in den USA und, abgesehen von 1-2 Trips nach Tokyo, hat sie Oshima kaum verlassen. Dementsprechend neugierig war sie an einem Ausländer wie mir, der aus so einem weit entfernten Land wie Deutschland kam. Ich war auch sehr glücklich endlich mal mit jemanden kommunizieren zu können.

Sie brachte mich dann auch ins Touri-Büro wo sie mich mit Infomaterial überhäufte. Es kamen auch gleich zwei weitere Mitarbeiter, die mir dann sofort alles erzählten, was es hier so tolles gibt. Da es unter der Woche (Mittwoch) und Mistwetter war, war ich wohl der einzige Tourist an diesem Tag. Aus purer Freude darüber, schenkte man mir ein kleines Figürchen, das auch heute noch an meinem Handy hängt:


Traditionskleidung auf Oshima

Reiko fragte mich dann auch, ob ich schon nen Platz zum Übernachten hatte. Da ich einfach so auf die Insel gefahren bin, komplett ohne irgendeinen Plan, hatte ich das natürlich nicht. Also wollte sie was für mich organisieren.

Wir gingen noch zu einem weiteren Touri-Center, das mehr über Hotels Bescheid wusste. Erst stand ein Ryokan im Raum, für 5000yen die Nacht. Ich machte große, schockierte Augen und fragte ob es nicht billiger geht. Reiko entdeckte dann ein Surfer-Hostel für 1.500yen die Nacht. Gebongt!

Am Telefon mit dem Besitzer stockte sie kurz und fragte, ob ich japanisch kann. Ein bisschen, sagte ich, und das musste reichen.
Der Besitzer würde dann zur Busstation kommen und mich abholen. Reiko brachte mich dann zum Bus in Motomachi, wartete bis der Bus kam, sagte dem Fahrer wo er mich rauslassen muss und verabschiedete sich von mir. Ich sollte sie aber noch einmal wiedersehen.

An der Busstation wartete dann ein etwas breiter, bärtiger jedoch seelig lächelnder Kerl, Marke Okinawa-Surfer. Die Fahrt zum Hostel war recht schweigsam, ich versuchte zu konversieren aber es klappte nicht ganz 😉

Das Hostel selbst war ein altes traditionelles japanisches Haus, mitten im Wald. Echt paradiesisch. Mithilfe eines Computers konnten wir uns dann etwas verständigen. Ich war der einzige Gast in dem großen Haus. Ganz allein in diesem alten japanischen Holzhaus. Das gab Anlass zur Meditation:

Ich fragte dann, ob er auch Fahrräder vermietet. Klar, 500 yen für den gesamten Tag. Ich verlangte nach einem Mamachari, er lächelte nur und meinte: „Du bist ein Kerl, du kriegst ein Rad für Männer!“. Das ist ein gutes Argument, dacht ich mir, und nahm das Mountainbike das er mir zur Verfügung stellte.
Da es immernoch in Strömen regnete, gab er mir ohne(!) Aufpreis komplette Regenkleidung dazu. Ich ließ mein Zeug im Hostel und schwingte mich aufs Mountainbike. Ich wollte in die nächste Stadt und was zu Essen kaufen, schließlich hatte ich noch nichts gefrühstückt an dem Tag.

Es war ein wunderbares Gefühl endlich wieder Fahrrad zu fahren, das erste Mal in Japan. Ich liebe Fahrrad fahren. Die ersten 20 Minuten merkte ich auch den Regen nicht. Danach wurde es lästig.

Um unter der Kluft nicht allzu schwitzen, machte ich die Jacke auf. Was ich nicht bedachte waren zwei Sachen:

1. Der Regen hatte den erdigen Boden aufgeweicht
2. Mein Rad hatte keine Schutzbleche

Der ganze Dreck wurde nun also, vorne wie hinten, von den Reifen direkt in mein Gesicht und auf mein Hemd katapultiert.

Ich fuhr nun eine Stunde durch den Regen umher, bis mir auffiel, das ich nicht wusste wohin. Ich hatte mich komplett verfahren, hatte keine Karte oder Handy bei, oder auch nur eine Ahnung wo ich war. Ich wusste ja nicht mal den Namen vom Hostel, da Reiko das für mich organisierte. Ich dachte, gut, du findest den Weg bestimmt wieder zurück, aber nein! Alles sah gleich aus: südpazifischer Dschungel mit ein paar Häusern und kleinen Straßen mittendrin.

Ich war erschöpft und machte kurz Rast in einer Garage, mitten in der Pampa. Es hatte ein Dach und das genügte. Ich überdachte meine Optionen.

Aufeinmal kam ein großes rotes Auto und wollte in die Garage rein. Die zwei Fahrer schauten mich skeptisch und interessiert an, bis ich dann den Mut fasste sie mal anzusprechen und meine Situation zu erklären. Mit Händen und Füßen konnte ich irgendwie klar machen, dass ich mich verlaufen habe. Sie zückten erstmal das Telefon und riefen im Town Office an.
Ich kramte in meiner Hosentasche und fand die meishi von Reiko, auf der auch ihre Nummer stand. Die beiden Herren riefen sie dann und reichten sie mir. Reiko wollte mich dann abholen kommen, was mir zwar etwas peinlich war, aber sie bestand darauf. Solange ich auf dort sie wartete, warteten die beiden Herren mit mir. Einer gab mir sogar sein Wasser weil ich so erschöpft aussah.

Ich versuchte ein bisschen mit ihnen zu reden. Beide kamen aus Oshima und waren selten von der Insel weg. Auf Oshima gibt es auch einen Vulkan, den man besichtigen kann (nur nicht bei dem Wetter). Der Vulkan ist das letzte Mal in den 80ern ausgebrochen, und einer der Beiden erzählte mir dann, wie er das erlebt hat. War sehr interessant. Ich machte auch ein Foto von meinen beiden Rettern:

Reiko brauchte sehr lange um mich zu finden. Verständlich, ist ja auch alles verwirrend dort. Einer der beiden Männer schnappte sich dann ein anderes Auto um der Reiko entgegenzufahren. Er fuhr also der hinterher, die umher fuhr, um mich zu finden. In Deutschland unvorstellbar, die würden nur über die Benzinpreise maulen.

Irgendwann fand sie dann her und wollte mich (dreckig) und mein Fahrrad (noch dreckiger) in ihr Auto laden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen alles dreckig zu machen, doch sie Bestand darauf.
Im Auto erzählte sie mir dann, was im Town Office los war, nachdem ich weg war. Alle waren neugierig und fragten, wo ich denn herkomme, was ich hier mache und so weiter. Als dann der Anruf einging, dass ich mich verlaufen habe, haben sich alle Sorgen gemacht. Voll nett 🙂

Als Reiko mich dann zurück fuhr, bot sie mir an, mich doch am nächsten Morgen abzuholen, um sicherzustellen dass ich die Fähre nicht verpasse. Scheinbar hatte sie nicht viel vertrauen in meinen Orientierungssinn 😉
Da ich immer noch Hunger hatte, wollte ich sie fragen, ob sie mich kurz noch in die nächste Stadt fahren kann. Sie meinte, sie könnte mich nach Feierabend abholen, und ob das okay für mich sei. Definitiv war das okay, denn so konnte ich noch duschen und die dreckigen Klamotten ablegen.

Nachdem ich zurück im Hostel dann duschte, kamen noch zwei weitere Gäste. Es waren zwei Finnen, die das Hostel nur fanden, weil sie irgendwie einen Japaner auf der Straße fanden, der das organisieren konnte. Diese Freundlichkeit ist unglaublich.
ich fragte die Finnen, ob sie aus Tokyo kommen, ja sagten sie. Ich fragte wo sie die letzte Nacht verbrachten, sie meinten in einem Kapselhotel in Asakusa. „Ich auch“, sagte ich, „in welchem Stock?“ Im vierten, im selben Stock wo ich auch war. Die Beiden waren exakt dieselben zwei Leute die ich in der Nacht zuvor beim Kartenspielen störte. Und nun hier, 100km südlich von Tokyo in einem schwer zu findenen Hostel tauchen sie auf. Absurd. Wir mussten lange darüber lachen 🙂

Reiko kam dann nach Feierabend und brachte mich, und die Finnen die ich einlud mitzukommen, in den nächsten Supermarkt. Entlang des Weges grüßte Reiko viele vorbeifahrenden Autos. Auf Oshima kennt halt jeder jeden. Im Supermarkt musste sie auch viele Fragen zu den Gaijins beantworten, die sie da mitgebracht hat.

Wir verabschiedeten uns von Reiko, am nächsten Morgen würde sie mich zur Fähre bringen.
Die Finnen spielten wiedermal Karten und ich surfte im Netz. Wir unterhielten uns über Japan, Finnland und Deutschland, während das Hostel in Dunkelheit fiel und die Zikaden draußen leise verstummten.


Kein Roboter, nur Waschmaschine + Trockner

Am nächsten Morgen brachte mich Reiko dann zum Hafen und lud mich ein, das nächstemal in Oshima doch in ihrem Haus zu übernachten. Das werde ich auch tun, und viele Bilder aus Deutschland und Europa mitbringen.


Reiko


Mein Frühstück

Wir quatschten eine Weile. Etwas zu lang, denn als ich merkte dass meine Fähre schon abfuhr, war es zu spät. Wir sind noch wild winkend hinterher gerannt. Die Fähre sah uns, und drehte extra für mich um und fuhr zurück zum Hafen. Ich entschuldigte mich fünfmal bei den Hafenarbeitern, setzte mich in die Fähre und machte mich auf den Weg Richtung Niijima, die nächste Station und zwei Inseln weiter.

In Oshima fand ich das, was ich an Japan bis zu dem Zeitpunkt vermisste und in Tokyo nicht fand. Diese ehrliche Neugier, Freundlichkeit und Gastfreundschaft – und auch Abenteuer. In Tokyo war alles organisiert. Bei den Inseln hab ich mich einfach nur ins Boot gesetzt und bin rüber. Ich habe viel mehr erlebt, als jemals wenn ich nur dem Reiseführer gefolgt wäre. Ich möchte unbedingt nochmal nach Oshima, es ist sehr empfehlenswert. Ich konnte zwar nicht viele Fotos machen, aber viele Eindrücke gewinnen.

Teil 2: Insel-Abenteuer!: Niijima
Artikel (von mir) über alle Inseln der Izu-Shoto: auf yes!Tokyo

Unterwegs mit einem japanischen Idol

Ein japanisches Idol ist ein hübsches Mädchen. Alibi-mäßig singen die dann meist noch, schauspielern, synchronisieren Anime- oder Game-Charaktere, oder bringen Fotoalben raus. Aber ihr eigentlicher Job ist es, hübsch auszusehen. Und darin sind sie verdammt gut.

Das hier ist Momoi Halko ein, nun ja, recht erfahrenes Idol. Idols haben eine relativ geringe Halbwertszeit, da sie möglichst jung und unverbraucht aussehen sollen. Momoi hat es aber geschafft sich lange zu halten.

Ich empfehle den Wiki-Artikel über japanische Idols, der sehr hintergründig auf Geschichte und Eigenarten eingeht.

So gibt es neuerdings zum Beispiel „Junior Idols“, welche sich schon mit 14 oder 13 Jahren in eindeutigen Posen ablichten lassen.

Die Geschichte mit Momoi war wieder ein Interview mit dem Autoren und Otaku Experten Patrick W. Galbraith. Momoi selbst wäre wohl als Otaku-Idol zu bezeichnen, weil sie selbst eher etwas nerdig ist. Sie war aber eine der ersten Idols, die offen über ihre Hobbys gesprochen hat, was ihr entgegen aller Erwartungen noch mehr Fans bescherte.

Da ein Idol es gewohnt ist, fotografiert zu werden, musste ich nicht viel machen. Sobald ich die Kamera draussen hatte, zog sie ihr Idol-Ding durch und posierte.

Vorher wurde natürlich noch das Make-Up gerichtet….

und mittendrin nochmal überprüft…

Aber man verzeiht es ihr gerne.

Zuerst fotografierte ich sie im Tokyo Anime Center, was größer klingt, als es ist. Die Hälfte des Raums dort wird zum Verkauf von allen möglichen Anime-Merchandising genutzt, wie z.b. Anime-Klopapier:

Es gab auch Maid-Puppen:

(Momoi ist rechts)

Das Ganze war als Location nicht so spektakulär und wir machten uns schnell von dannen. Wenn man aus dem Anime Center herauskommt, kommt man über die Akiba Bridge, über die ein riesiger Flachbildschirm hängt, in denen Werbespots und Musikvideos laufen. Es lief auch ein Spot, in der eine Figur auftauchte, die Momoi synchronisierte. Ich hätte gern ein Foto gemacht mit ihr im Vordergrund und der Figur im Hintergrund, aber darauf hatte sie keine Lust.

Was Momoi sagt, gilt. Sie weiß, was sie will und wie sie es erreichen kann. Recht zielstrebig gab sie stets den Weg vor und lief voran. Sie fand dann ein altes Holzhaus, und das fand sie so toll, da mussten wir ein Foto machen. Ich musste fix improvisieren, ging ums Haus herum und fotografierte durch zwei Fenster.

Das Ergebnis gefiel ihr sehr, ich wollte aber noch etwas haben, wo sie ins Haus hineinschaut, also machte sie so:

Erst dann sah ich, dass da ja jemand in dem Haus drin ist und arbeitet.

Er ließ sich aber auch nicht stören….

Von hinten kam dann einer, der meinte es wäre verboten hier zu fotografieren, aber ich hatte eh genug.

Momoi marschierte voran,

und wir hinterher.

Während wir liefen versuchte ich ein wenig mit ihr zu reden. Ich hatte gelesen, dass sie schonmal in Deutschland war (und sogar eine deutsche Fanpage hat), also fragte ich sie etwas dazu. Ihr hat es natürlich super gefallen und die deutschen Fans sind ihr sowieso die liebsten 😉 Sie hatte jüngst eine Rolle in einem Videospiel namens „Steins;Gate“ synchronisiert, was sie mir, als wir an einem Videospiel-Laden vorbeikamen, auch stolz zeigte, und dass sie weiß, was „Stein“ übersetzt bedeutet.

Vor uns tauchte dann eine große Straße auf und die ganze Pracht von Akihabara. Leuchtreklame und Anime-Figuren überall. Ich wollte sie inmitten von all dem Trubel haben, in dem sie als Idol groß geworden ist.

Wiedermal musste ich nicht viel sagen, sie posierte schon von allein.

Einige wunderten sich dann doch, was ich hier mache:

Es war zwar sehr kalt, doch Momoi beschwerte sich nicht. Sehr professionell.

Wir machten uns dann auf den Weg zum Interview-Ort.
Ich hab wärhend des Interviews mal wieder kein Wort verstanden, hörte aber trotzdem gerne zu, da sie viel zu erzählen hatte. Sie ist auf keinen Fall dumm, sondern weiß über viele Sachen sehr gut bescheid.

Den Anime-Figuren, denen sie ihre Stimme verleiht, sind meist so super-kawaii, mit kleinen Körpern und riesigen Augen. Während des Interview verstellte sie ihre Stimme auch kurz in Kleine-Mädchen-Modus und ich zuckte auf. War schon wirklich sehr hoch.

Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass ihr Manager immer dabei war und aufpasste.

Allerdings war mein Eindruck eher, dass Momoi den Manager lenkt, als umgekehrt. Sie weiss halt, was sie will.

Momoi wollte zum Beispiel nicht während des Interviews fotografiert werden, also mussten wir etwas im Nachhinein inszenieren. Vor Ort gab es einen Fahrstuhl mit eingebauter Kamera, dessen Bilder man draußen sehen konnte. Ich fand es ganz witzig sie mit der Kamera im Aufzug spielen zu lassen und es dann von aussen zu fotografieren.

Ich glaube sie fand das ziemlich dämlich, hat sich aber nix anmerken lassen 😉 Vor Absegnung der Bilder hat das Management (oder sie) die Bilder aus dem Aufzug gleich rausgeschmissen.

Natürlich machte sie dann auch ein Foto mit uns für ihren Blog, über das ich jedesmal erneut lachen muss:

Japanische Mädchen in deutschen Shirts

„Japanische Mädchen“ ist jeden Monat aufs Neue der Top-Suchbegriff, der bei google zu meinem Blog führt. All denen, die japanische Mädchen in mein Blog suchen, sei gesagt:

Vor dem Foto „Das Mädchen und die Metropole“ hatte ich ein Auftragsshooting mit zwei Mädels. Das Ganze war für Shirts der Firma Graniph.

Graniph ist ein Design T-Shirt Store in und aus Japan, die eingesendete Designs in großer Auflage auf T-Shirts drucken und verkaufen. Allein in Tokyo haben sie über 100 Läden, mit durchaus coolen Shirts. Ich hab mir eins mit ner alten Spiegelreflex-Kamera drauf gekauft.

Das, zumindest für Deutsche, Witzige an dieser Firma ist, dass sie gerne deutsche Wörter auf die Shirts drucken. Die Wörter ergeben dann meist keinen Sinn, sind aber beliebt und werden von den Japanern gern getragen, weil unsere Buchstaben als exotisch gelten – so wie bei uns die japanischen Zeichen auf T-Shirts.

Eine kleine Auswahl von dem, was mir hier schon begegnet ist (unübersetzt, original):

– „Hey Du, ich mag Tiger“
– „Deutscher Amateur-Turn-Verband“
– Ein Fließtext auf einem Shirt, mit Auszügen aus einem Werk von Goethe, einem Werk von Schiller und dem deutschen BGB
– „Kulturschock“ (getragen von einem Japaner)
– „Spirale“
– „Motorradwetter“

Bevor ich nach Japan geflogen bin, noch in Berlin, fand eine Ausstellung mit T-Shirts dieser Marke statt. So habe ich überhaupt erst von diesen Shirts erfahren. Hier in Tokyo habe ich nun die Firma kontaktieren, mit dem Hinweis, ich würde doch gern einen Beitrag für die deutschen Medien, genauer gesagt für die Berliner Medien machen, und ob sie mir nicht ein paar Shirts zur Verfügung stellen könnten. Ich habe mir natürlich die Shirts ausgesucht, die ich persönlich gerne hätte.

In der weltweiten Zentrale war man begeistert und lud mich zum Gespräch. Vorallem da Graniph gern in Berlin einen Laden aufmachen möchte, sind sie an Werbung interessiert. Und ganz ehrlich: Das Deutsch auf den Shirts ist so dermaßen panne, dass es schon wieder cool ist. Das verkauft sich in Berlin wunderbar.

Die deutschen Designs werden zumeist von Nicht-Deutschen gemacht. Jedoch hat Graniph einen Deutschen angestellt, der da vorm Druck nochmal drüber schaut, ob alles korrekt geschrieben ist. Der hat bestimmt einen lustigen Arbeitstag.

Um über die Shirts einen Beitrag zu machen, brauchte ich Japaner, die sie tragen. Wirkt auch athentischer.

Im Sommer hatte ich Shiori und ihre Freundinnen kennengelernt. Shiori war ein Jahr in den USA und spricht daher wunderbares Englisch. Mit ihren Freundinnen war die Kommunikation etwas schwieriger. Alle hatten aber Lust auf ein Fotoshooting. Da sie dazu noch recht hübsch waren, stand dem von meiner Seite aus nicht mehr viel im Wege.

Das Shooting für die Shirts war dreimal neu angesetzt worden, weil sie bei den ersten beiden Malen nicht aufgetaucht sind. In Berlin hätte das bedeutet, dass Fotograf und Model nie wieder ein Wort miteinander wechseln, aus Frustration und schlechten Gewissen.
Hier nun aber haben sich die Japanerinnen fünfmal entschuldigt und mich, der ihnen für das Shooting nicht mal was zahlen kann, als Entschädigung zum Essen eingeladen. Find ich gut, sollte man in Berlin auch einführen.


„Berlin Rätsel Voll Musik“

Ich mach eigentlich sonst keine Fashion-Fotografie, und habe mich zu Anfang auch etwas schwer getan. Ich wollte zwei Sachen probieren, bzw. zeigen: einmal ein modernes, urbanes Japan, und einmal ein etwas traditionelleres. Fürs Urbane sind wir wetterbedingt in den Untergrund der Shinjuku-Station gegangen, wo ein paar coole Lichtsäulen standen.


„Auf die Straße weglaufen. Bilderbuch“

Ich hab die Stelle nicht gleich gefunden, und wir sind ein wenig rumgeirrt. Während wir so suchten erzählten mir beide, dass sie früher gemodelt haben. Ich merkte es, sie waren wirklich professionell bei der Sache, und hatten ihren Spaß.

Das hunderte von Menschen an ihnen vorbei gingen und komisch guckten, störte sie nicht im Geringsten.

Wir hatten nun drei Shirts für zwei Mädels. Das gab ein Problem fürs dritte Shirt. Ich machte nun aus der Not eine Tugend und ließ sie vor der Kamera um das dritte Shirt streiten:


„Die Froschkönig Kamera“


Sie hatten ihren Spaß…..


…auch der Typ im Hintergrund.


Würd mal sagen, Shiori hat gewonnen 😉

Graniph gab mir zwar die Shirts, die ich wollte, aber leider nicht in einer Europäer-tauglichen Größe. Für Japanerinnen waren sie aber auch zu groß…

Da ich mir bei dem Shooting nicht sicher war, und noch den traditionellen Aspekt abdecken wollte, sind wir noch nach oben in eine Seitenstraße von Shinjuku, die wirklich aussieht, wie man sich Asien vorstellt. Eng, lauter kleine Läden, viel Holz und ca. 100 Ramen-Restaurants.


(man achte auf die Person im Hintergrund)

Da die Leute schon komisch guckten, und unsere Klamotten so langsam nach Ramen rochen, gingen wir noch kurz woanders hin. Zu den Illuminationen rund um die Shinjuku-Station:

Danach hatte ich genug Bilder für die T-Shirt Aktion, aber es war eine angenehme Stimmung und die Mädels, sowie auch ich, wollten noch ein paar Bilder machen. Wir sind dann noch durch eine milde Tokyoter Nacht (20°C im November) spaziert.

Unter anderem auch das Tokyo Metropolitan Government Building hoch, wo das Foto aus dem Artikel hierdrunter entstanden ist. Von Kanna habe ich auch noch so eins gemacht:

Passt ganz gut zu ihr, finde ich. Shiori ist recht stürmisch vom Charakter, Kanna ist eher ruhig und zurückhaltend. Vielleicht hat sie sich deswegen das hintere Fenster ausgesucht.

Alles in allem war es ein sehr angenehmes Shooting und ein sehr angenehmer Abend. Es hat zwar etwas gedauert, bis es stattfinden konnte, aber trotzdem nochmal vielen Dank an euch zwei!!

Hier gehts zum Graniph-Shop Der Versand erfolgt weltweit, aber eben nur solange der Vorrat reicht. Von den „Berlin Rätsel Voll Musik“ Dingern ist kaum noch was da….

Gefühlte Entwicklung

Ich hatte hier schon einmal zwei Bilder gezeigt, die ich gerne einmal gegenüber stellen möchte:

von oben“ aus dem allerersten Blog-Eintrag


Das Mädchen und die Metropolezwei Einträge weiter unten

Ich hatte beide Bilder bei einer Online-Fotocommunity hochgeladen, und sie wurden natürlich miteinander verglichen. Ich habe dann selber nochmal überlegt, vorallem um die Antwort auf die Frage zu finden: Welches ist besser?

Eine Antwort gibt es darauf nicht. Denn auch wenn die beiden Bilder das selbe Motive haben, so sind sie doch tatsächlich grundverschieden. Meine Antwort auf die Frage nach einem Vergleich war diese:

…denn was wir hier haben, ist das selbe motiv, aber mit unterschiedlichen Foto-Richtungen. Das mit dem Mädchen ist gestellt. Das Andere wäre dokumentarisch/journalistisch.

Das erste Bild spiegelt meinen Eindruck wieder, den ich zum damaligen Zeitpunkt (zwei wochen in tokyo) hatte: alles ist groß, leuchtend und erstaunlich. Der Mann spiegelte meinen inneren Eindruck, meine Gefühle zu dem Zeitpunkt wieder, daher drückte ich ab.

Das Bild mit dem Mädchen entstand letzte Woche nach einem längeren Auftragsshooting mit ihr, wir sind dann noch durch die milde tokyoter Nacht spaziert, und eben auch hoch in den 45. Stock Tokyo Metropolitan Government Building, weil sie noch nie da war. Ich bin nun seit 4-5 Monaten hier (wie die zeit vergeht….), das erste Erstaunen hat sich gelegt, viel mehr träum ich jetzt über weitere Chancen und meine Zukunft in dieser Metropole. Daher war mir hier auch eher nach nem nachdenklichen Gesichtsausdruck, den ich mit ihr ausdrücken wollte.

Welches man bevorzugt, ist Geschmackssache, denke ich. Beide spiegeln aber irgendwie meine Gefühle und Gedanken von diesen Momenten wieder, die ebenso einer konstanten Änderung unterworfen sind. Vielleicht ergibt sich, dass ich beim Ende meines Aufenthalts nochmal zufälig da oben bin, und ein ähnliches Bild mache. Vlt ist es dann resignation oder freude oder….

…oder etwas anderes.

Ich hatte gerade meiner Assistentin hier versucht zu erklären, dass Gefühle in einem Bild, auch wenn man als Betrachter nicht unbedingt von ihnen weiß, ein Foto in seiner Aussage verstärken können. Ähnliches habe ich schon anhand von dem Foto „Die Mauer in den Köpfen“ erklärt, mehr dazu hier.
Aber ich finde, diesen beiden Beispiele, gerade weil sie sich so ähnlich sind, illustrieren das auch sehr gut.