Die Polizei hat mich schon wieder angehalten, wegen meinem Fahrrad und seiner Nummer. Das zweite Mal in diesem Monat (heut ist der 6.!). Diesmal war es am längsten und ich hatte die Fäuste vor angestauter Aggression schon geballt.

Quelle
Kleine Erklärung für alle, die noch nicht in Japan gelebt haben: Kauft man hier ein Rad, muss man es anmelden. Die Polizei ist berechtigt (ist sie das wirklich?), die Nummer mit deiner Identität abzuchecken, haut das nicht hin, ist der Schlamassel da.
Ich hatte ja zuvor das Rad meines ehemaligen Mitbewohners benutzt, bis ich den Schlüssel verloren hatte. Das Fahrrad steht übrigens bis heute an der Shinjuku Station.
Danach kaufte ich mein eigenes Rad, von einem Deutschen, der sich das Bein gebrochen hatte. Er hatte es beim Don Quihote Kaufhaus in Shinjuku gekauft, welches ich bis dahin stets als Ursprung für meinen Besitz angegeben habe, und man mich dann meist laufen ließ. Heuten wollten es die Deppen aber wissen und nagelten mich fest.
Ich kam grad ausm Restaurant, acht anstrengende Stunden Wurst und Bier verteilen hinter mir und ich wollte endlich müde nach Hause fahren. Die Züge fuhren zu dem Zeitpunkt schon längst nicht mehr.
Keine zwei Minuten aus dem Restaurant raus wurde ich in Hibiya von einem dämlich grinsenden Polizei-Futzi angehalten. Wem das Rad denn gehört, fragte er. Es ist mein Rad, sagte ich, und er soll aufhören mich zu fragen und nach Hause fahren lassen, es ist Mitternacht durch und ich bin müde, zudem werd ich ständig gefragt und mir geht das auf die Eier und die sollen damit aufhören. Er checkte die Nummer, was ich denn um die Zeit mache und wohin ich will, wie ich heisse und wo ich wohne. Dabei stets ein Grinsen im Gesicht und immer ‚dauert nur einen kleinen Moment‘. Es dauerte länger als nur einen Moment.
Jedesmal wenn ich angehalten werde, geht mir dieses dümliche Grinsen am meisten auf den Geist. Vielleicht soll es Vertrauen oder Sicherheit vermitteln, ich seh darin irgendwie nur „hehe, wieder einen erwischt, das kann ich meinem Boss erzählen“.
Ich erzähle die übliche Geschichte, doch da um die Zeit keine Sau auf den Straßen ist und er sich langweilt, wollt er nochma ein bisschen Zeit investieren und alles überprüfen. Die Nummer passte natürlich nicht zu meinen Namen.
An dieser Stelle an all die deutschsprachigen Klugscheisser, die es an dieser Stelle wie immer besser wissen. Natürlich muss ich in diesem Land mein Rad auf mich registrieren, da die Polizei bei berechtigten Verdacht, und Ausländer sein gehört dazu, mich anhalten und überprüfen kann. Wer mir was von eingebildeten Rassismus erzählt, dem zeige ich gerne ein paar Statistiken, als Beispiel nur mal die Menschen in meinem Haus: Ich wurde in 10 Monaten Japan öfter von der Polizei angehalten als die sechs Japaner hier in ihrem gesamten Leben in Japan.
Etwas stimmte also mit der Nummer nicht, ich bat den Typen es doch endlich sein und mich nach hause fahren zu lassen, ich war verdammt müde. Doch sein Kollege kam und markierte Autorität. Beide stellten mir nun wieder die gleichen Fragen. Man bat um die Nummer vom Typen von dem ich das Rad hatte, die ich natürlich nicht hatte, da ich ihn das letzte Mal sah als ich das Fahrrad von ihm kaufte. Der Kollege verdrückte sich dann und telefonierte planlos rum. Der Andere, der mich ursprünglich anhielt, fragte mich dann ganz normal was ich denn hier so mache, seit wann ich in Japan bin usw.. Das Gespräch verlief recht entspannt.
Grundlegend setze ich in solchen Situationen auf Vertrauen und Kooperation, auch wenn ich sichtlich angepisster wurde und sie wiedermal bat, mich endlich heimfahren zu lassen.
Der Typ kam aus seinem Kabuff und brachte einen neuen Namen, Lena. Ich kenne eine Lena, die auch einen Johann kennt, von dem ich das Rad habe. Dass er das Rad von ihr hatte wusste ich nicht, und machte meine Situation nicht besser. Zudem auch, dass ich seinen Namen zuerst mit Jonathan angab, da ich mich nicht recht erinnern konnte.
Nun gings los, ich war nun hochgradig verdächtigt und musste mir lauter Fragen gefallen lassen. Während der erste Typ realisierte, dass mein Japanisch nicht das Beste ist, daher langsam und in simplen Worten sprach, prasselte der Andere nur mit Fragen auf mich ein. Er dachte wohl ich spiel die „naiver Gaijin“-Nummer, der Ausländer der kein Japanisch kann und dann laufen gelassen wird. Dabei grinste der Typ ebenfalls so dümmlich. Sein aggressiver Tonfall, stets dieselben Fragen und dieser Scheiss-Gesichtsausdruck, gepaart mit meiner Müdigkeit und meinem dringenden Bedürfnis verdammt nochmal endlich nach hause zu kommen, machten mich immer wütender und meine Stimme wurde genervter und bestimmter. Sein Kollege, mit dem ich mich normal unterhielt, sah meine Wut und versuchte unentwegt deeskalierend zu agieren, auf mich und seinen Kollegen.
Dass ich in Nakano wohne und mit dem Rad dorthin möchte, nahm man mir auch nicht ab, is ja viel zu weit, die 7km aufm Rad…
Gegen Ende, als er endlich begriffen hat und akzeptierte, dass ich das Rad von nem Typen kaufte, der mir nicht sagte, dass er es von nem Mädel hat, stellte er mir dieselbe Frage auf Japanisch zehn verdammte Male: „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“
Die ersten fünf Male antwortete ich noch normal in japanisch, immer mit derselben Antwort, ging dann, als er immer noch fragte, zu englisch und angepissten Deutsch über. Die letzten paar Fragen ignorierte ich nur und fluchte nur in die laue Frühlingsnacht.
Ich unterbrach seinen Ansatz der Formulierung der selben Frage zum elften Mal. Laut und wütend fragte ich ihn, was wir denn jetzt machen sollen? Es fährt kein Zug mehr, soll ich laufen?
Zwei Sekunden hielt er inne, realisierte die Situation, belehrte mich in Japanisch und verlangte meine Telefonnummer. Ich gab sie ihm, aber er wollte sie überprüfen und riss mir das Handy aus der Hand. Die Nummer stimmte, der Ausländer hat nicht gelogen. Das siegbewusste Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und er ließ mich laufen.
Ich murmelte noch ein Fuck You, und auf den nächsten 100m schrie ich es dann laut, mehrere Male. Ich verspürte den Drang auf Gegenstände einzuschlagen und stellte mir vor, jeder Tritt in die Pedale wäre ein Tritt ins Gesicht vom Polizei-Futzi, wie er wieder zur gleichen Frage ansetzt.
Auf dem halben Weg nach Hause realisierte ich allerdings etwas: Es hätte deutlich schlimmer ausgehen können. Ich war in der eindeutig benachteiligteren Position, war ich doch mit einem unregistrierten Rad unterwegs, gab zweimal eine falsche Auskunft und hatte weder Pass noch Ausländerausweis dabei (den muss man hier neben dem Pass habe und kann sogar verhaftet werden, wenn man ihn nicht vorzeigen kann). Ich habe auch schon andere Geschichten von Ausländern+Fahrräder+penetrante und gelangweilte Polizisten gehört, wo es dann mehrere Stunden dauerte und ein Besuch der eigenen Wohnung zur Suche nach den Fahrradpapieren beinhaltete.
Bei mir waren es nur 20 angepisste Minuten, ohne jegliche Konsequenz. Weder gab es eine Anzeige, noch wurde mein Rad beschlagnahmt. So gesehen ging es gut aus. Doch wenn man von zwei grinsenden Polizei-Futzis angehalten wird, in einem fremden Land dessen Gesetze man nicht komplett kennt und versteht, und die dann aggressiv in einer fremden Sprache auf dich einreden und dich partout nicht gehen lassen wollen – da kann man schonmal wütend werden. Wütend auch, weil man sich einfach hilflos fühlt.
Sicherlich kann ich mein Fahrrad registrieren lassen. Doch wird das grinsende Polizeifutzis davon abhalten, mich anzuhalten und ins Verhör zu nehmen?
Sicherlich nicht.