365 Tage Reflektion

Vor zwei Jahren flog ich nach Tokyo. Ich recherchierte große Geschichten und fotografierte interessante Kleinigkeiten. Vor einem Jahr kam ich zurück nach Berlin. Bilanz eines Heimkehrers.

Im Juli 2009 ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung: eine Reise nach Japan. Ursprünglich war nichts geplant. Aus Wochen und Monaten wurden ein ganzes Jahr. Und heute, vor genau einem Jahr, war die Reise vorbei. Seitdem war ich wieder in Berlin und, wenn ich ehrlich bin, wollte ich in der ganzen Zeit nichts sehnlicher als wieder weg.

Die ersten Wochen waren sicherlich nett. Es gab Brot, alte Freunde und Hausmannskost. Doch irgendwann ist man von all dem auch wieder satt. Es kommt die Frage auf: Was nun?

In Tokyo hatte ich eine berufliche Erfüllung und Freiheit gespürt, wie ich sie in Berlin nie kennenlernte. Meine naive Hoffnung, nun mit der Erfahrung aus Japan nach meiner Rückkehr auch eine andere Position in Berlin zu bekommen, hatte sich schnell verabschiedet. Ich war da, wo ich ein Jahr zuvor war: noch ein weiterer junger Medienfutzi in dieser Stadt.
Es stellte sich zunächst Nüchternheit und dann Frustration ein. Ich verlore meine Motivation und Leidenschaft für die Fotografie. Die wenigen Aufträge, die ich hier bekam, waren weniger erfüllend und spannend als sie es in Japan waren. Erst die Reise nach Palästina im Oktober brachte mir die Motivation zurück, auch wenn es nach wie vor nicht leicht fällt, sie zu erhalten.

Würde ich die Highlights des letzten Jahres auflisten, Palästina wäre sicher dabei. Viel mehr kommt dann aber auch nicht mehr. Während in Tokyo jeder Tag ein gewisses Abenteuer in sich barg, bot das mir bekannte Berlin nicht viel.

Doch ich denke, ich habe mich nie wirklich (wieder) auf die Stadt eingelassen. Mein Denken war nur davon bestimmt, wieder dorthin zurückzukehren, wo es spannend war und wo ich überhaupt eine Perspektive sehe. Ich sträubte mich, hier etwas langfristiges anzugehen, da ich meine Zeit in Berlin eh nur als temporäre Zwischenlösung betrachtete. So hab ich der Stadt nie wirklich eine Chance gegeben. Das es schlussendlich ein Jahr wurde, bevor es nun wieder in zwei Wochen Richtung Japan geht, hatte viele finanzielle und organisatorische Gründe.

Diese vergangenen zwei Jahre sehe ich als eine Einheit. Denn fast alles, was ich jetzt bin und die Aufträge, die ich mache, verdanke ich meiner Zeit in Japan, dem Material, was ich dort erstellt habe und den Kontakten, die ich in dieser Zeit knüpfte. Den Großteil meines Lebensunterhalts bestritt ich im letzten Jahr damit, alte Sachen aus Tokyo aufzubereiten und Medien anzubieten, oder in dessen Folge weitere Aufträge zu bekommen.

Die Zeit in Tokyo war arbeitsreich – mit allen positiven und negativen Konsequenzen die damit einher gehen. Das allgemeine Lebenstempo dort ist einfach höher, man bewegt sich schneller und macht mehr. Berlin ist entspannt, ja geradezu lethargisch verglichen mit Tokyo. Diese Umstellung des Tempos war nicht einfach, aber doch auch willkommen nach der anstrengenden Zeit in Tokyo.

Ferner noch: In Tokyo war meine Zeit von Arbeit bestimmt. Aufträge machen und neue ranziehen, die Miete verdienen und gleich daran denken, wie die nächste bezahlt wird. Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken, zum Reflektieren über die eigene Arbeit und Ziele. Und wenn ich eines in dem vergangenen Jahr gemacht habe, dann das.

Ich glaube, ich konnte im vergangenen Jahr die Qualität meiner Arbeit viel mehr steigern, als in dem Jahr in Tokyo. Meine Texte sind besser, meine Fähigkeiten mit der Kamera geschickter.
In Tokyo fuhr ich eine klare „learning by doing“-Strategie. Ich machte einfach die große Geschichte und fragte mich erst danach, ob sie überhaupt in meinen Fähigkeiten liegt. Damit bin ich auch ein paar mal an die Wand gefahren, aber oft genug brachte es Erfolg und mich ein Stückchen weiter. Die Kommunikation über diese Arbeit war allerdings sehr einseitig. Einer Redaktion gefiel der Beitrag oder eben nicht. Die Gründe für Absage oder Abdruck bekam ich nie.

In der Zeit in Berlin war ich und meine Arbeit oft der Kritik anderer ausgesetzt. Etwas, wovon ich gut profitieren konnte. Allein die Vorbereitung für die Uni in Hannover und die intensive Auseinandersetzung mit deren Studenten hat meine Art zu Fotografieren sehr weit vorangebracht. Die Zeit während des Praktikums, bei der ich mich seit drei Jahren das erste mal wieder in einem Team unterordnen musste, war ebenso aufschlussreich. Die jahrelange Selbstständigkeit ist ein bisschen wie auf einer Insel zu leben. Wenn aber drei Kollegen deine Texte lesen und dir jeder seinen Input gibt, und du den Beitrag dann zum 6. Mal verbesserst, schult das die Sinne und die Feder.

Im Blog hat sich im letzten Jahr, verglichen mit dem zuvor, auch weniger getan. Und wie auch an den Inhalten zu erkennen war, zehrte er ebenfalls stark von den Erfahrungen, die ich in Tokyo machte, und weniger vom spannenden Alltag in Berlin.

Auch wenn ich vor einem Jahr gelandet bin, ich bin in Berlin nie wirklich angekommen. Im Kopf war ich immer irgendwo zwischen den beiden Städten, weder komplett raus aus Tokyo, noch zuhause in Berlin. Und dazu gesellt sich jetzt bald noch Hannover als dritte Stadt.

Ich kann dabei meine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten:

Wirtschaftlich
Auftragslage in Berlin: mau
Auftragslage in Tokyo: ordentlich

Beruflich
Status in Tokyo: internationaler Fotograf und Journalist
Status in Berlin: Einer von 54 Milliarden Leuten die „was mit Medien machen“

Persönlich
In Tokyo: Gefühl von Freiheit und offenen Möglichkeiten
In Berlin: Frustration und „Wo haben sie studiert/wie alt sind sie? Was?? Sammeln sie mal noch drei Jahre Erfahrung bevor sie zu uns kommen.“

Gastronomisch
Japanische Küche: Frisch, gesund, variantenreich
Deutsche Küche: Kartoffeln.

Und auch wenn Deutschland noch drei Schnitzelpunkte kriegt, die Bilanz fällt eindeutig aus.

In elf Tagen fliege ich wieder nach Tokyo und bleibe für fünf Wochen. Danach noch eine Woche Berlin und dann vier Jahre mal sehen wie lange in Hannover.

„Mach erstmal ne Ausbildung“
„Geh erstmal zur Uni“
„Flüchte nicht immer nach Tokyo“

Das sind Sätze, die ich seit zwei Jahren und länger höre. Doch wenn ich auf meine Erfahrungen und vorallem meine Bilanz blicke, fällt mir es mir schwer, diesen Sätzen zu folgen.

Seifenblasen im Frühling


Meine Fotoreihe in der Berliner Zeitung läuft seit Anfang des Jahres. Sie erscheint seit knapp 15 Wochen immer montags. Auch wenn das eine wöchentliche Reihe ist, so habe ich bisher erst acht Bilder dafür gemacht. Entweder weil redaktionell etwas dazwischen kam, es zeitlich bei mir knapp wurde oder ich nicht die Bilder machen sollte. Diese Fotoserien mit wechselnden Themen mache ich nun, mit Unterbrechungen, seit Ende 2007.

Thema für die Reihe derzeit ist „Musikmomente“. Das kann man grob mit „Das Lieblingslied und der Moment dazu“ beschreiben. Es geht darum darzustellen, was das Lied für einen bedeutet oder in welchen Zusammenhang es einen bewegt hat. Das reicht von abstrakt bis grafisch, je nach dem wie leicht der Moment nachzustellen ist.

Thema für das Bild oben war zum gefühlten zehnten Mal „Erinnerungen“, was ich jetzt zusammen mit meiner Chefredakteurin mit Seifenblasen lösen wollte. Ich wollte, dass die Blasen dabei in der Frühlingssonne funkeln und in Lichtpunkten davon schweben. Mit dem Licht und den Wind ist das aber immer so ne Sache.

Solche, ich nenn sie mal „Gefühlsfotos“, also inszenierte Bilder, die eher eine Emotion darstellen als eine Handlung, liegen mir nicht wirklich. Es fehlt mir der weiche Blick für so etwas, für kleine Feinheiten und leise Zwischentöne. Liegt vielleicht daran, dass ich ein Kerl bin und daher eher fürs Grobe zuständig. Weibliche Kollegen kriegen das viel besser hin, aber auch einige männliche. Sollte ich meine Art der Fotografie beschreiben, kommt mir „sanft“ und „feinfühlig“ sicher nicht in den Sinn. Allerdings auch nicht viele andere Eigenschaften, da es mir schwer fällt meinen Stil, sofern ich denn schon einen ausgebildet habe, mit Adjektiven zu beschreiben.

Außer vielleicht „manchmal witzig“.

„Tsunami? Interessiert doch keinen mehr!“

Eine ehemalige Mitbewohnerin aus Tokyo ist Dolmetscherin, die für die Medien im Tsunami-Gebiet arbeitet. Was sie mir erzählte, fand ich sehr interessant und führte daher ein Interview mit ihr. Von all den Redaktionen, die ich dann angeschrieben habe, wollt keiner den Text haben. Warum das so ist, erklärte mir dann ein Kollege: Das Thema Tsunami ist ausgelutscht, danach kräht kein Hahn mehr.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Kollege Tokyobling

Am 11. März 2011 war das Erdbeben in Japan. Dem folgte der Tsunami. Kurze Zeit später folgte Fukushima und die Medien sind dabei geblieben. Von Meldungen wie „Horror-AKW!“ oder „Strahlung millionenfach erhöht“ versuchten vor allem die deutschen Medien sich in der Dramatik zu übertrumpfen – und vergaßen dabei ganz, dass die eigentliche Dramatik und Verwüstung im Tsunami-Gebiet liegt. Alle schrien nur noch Fukushima und andere Katastrophen wurden vergessen.

Ich könnte mich lange darüber aufregen, was die deutschen Medien in den letzten Wochen in puncto Japan alles verbockt haben. Und wer mich in letzter Zeit getroffen hat, kann das bestätigen.
Unqualifizierten Korrespondenten, die ohne Japanisch-Kenntnisse nur das kommentieren, was im japanischen Fernsehen läuft. Eine unprofessionelle Flucht vom ARD-Team nach Osaka, die aufgrund von Angst vor der Strahlung begangen wurde, die jedoch zu keinem Zeitpunkt in Tokyo höher war als zum Vergleich in Rom. Bis hin zu vielen peinlichen Unsauberkeiten von einigen Journalisten. Ich spare mir das hier, da tabibito, der Blog farorientalism und der Fernsehkritiker (ab Minute 3:57) das sehr viel besser und ausführlicher zusammengetragen haben.


Zug in Shinchi, Präfektur Fukushima, von der Wucht der Tsunami wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet

Meine Freunde, Kollegen und Bekannten in Tokyo haben die Tsunami jedoch nicht vergessen. Täglich sah ich Meldungen, Bilder und Berichte aus dem Gebiet, auch als die internationalen Medien schon längst weg waren. Das Thema hatte also bei mir nicht an Dringlichkeit verloren. Ein Kollege meinte daraufhin zu mir, dass das nur eine verzerrte Perspektive sei, das Thema Tsunami längst durch ist und keinen mehr interessiert. Trotzdem fand ich, dass meine Perspektive der Monotonie der Medien etwas hinzufügen könnte, ja, sogar hinzufügen sollte. Doch da alle nur hysterisch Atom!Atom! schrien, konnte ich dagegen nicht wirklich ankommen.

Nun ist der Text sicherlich nicht frei von Fehlern. Und es gibt neben der derzeitigen Ausrichtung der Redaktionen auch strukturelle Unsauberkeiten am Text, die eine Veröffentlichung erschwerten. Doch die Geschichte meiner Mitbewohnerin, ihrer Arbeit vor Ort und ein Blick hinter die Kulissen der Medien, die dort arbeiten, möchte ich trotzdem teilen.


Englisch-Lernbuch in einer Grundschule in Kadowaki

„Entschuldigung, wo sind hier die meisten Menschen gestorben?“


Nikki Tsukamoto Kininmonth hat neuseeländische und japanische Eltern, sie lebt in Tokyo und arbeitet als Übersetzerin, u.a. für Amnesty International. Seit der Erdbebenkatastrophe war sie mehrmals in Sendai & Umgebung, und arbeitete dort als Dolmetscherin zum ersten Mal für die internationalen Medien.

Protokoll: Fritz Schumann

Als es passierte saß ich geschockt vor dem Fernseher. Zwei Tage lang konnte ich mich nicht von den Medien wegbewegen, ich verfolgte im Internet und auf Twitter jede neue Information zur Katastrophe. Doch dann kamen auch Meldungen über das solidarische Verhalten von Menschen in dieser Situation. Völlig Fremde teilten das letzte Bisschen was sie hatten miteinander. Die Last, die von einigen getragen werden musste, sollte auf Alle verteilt werden. Für mich war es unerträglich, in dieser Situation nur vor dem Fernseher zu sitzen und nichts zu tun. Ich wollte helfen. Über Facebook suchte ich dann nach Möglichkeiten und noch am selben Abend war ich im Gespräch mit einem holländischen Fernsehteam. Ich packte sofort meine Sachen und fuhr mit ihnen nach Sendai, in das Herz der Katastrophe.
Inzwischen arbeite ich auch für britische Zeitungen. Ich habe keine Ahnung bis wann ich noch für die Medien tätig bin. Ich kann es auch nicht verantworten, jetzt mit dieser Arbeit aufzuhören.


Bahnübergang von der Sakamoto Station in Miyagi, wo nicht einmal mehr die Gleise übrig sind. Durch diesen Bahnhof bin ich 2009 auch gefahren.

Es ist unbeschreiblich. Selbst dann nicht, wenn man die ganze Zerstörung mit eigenen Augen sieht. All die materiellen Güter und der Besitz, den wir haben um uns etwas besser zu fühlen, sind bedeutungslos. Der ganze Mist schwimmt jetzt nämlich weit draußen im Pazifik – zusammen mit dem nuklearen Abfall von Fukushima Daiichi.

Das holländische Fernsehteam war das erste Mal in Japan, die Briten waren vorher nur als Touristen hier. Alle wurden schnell eingeflogen und waren das erste Mal in einem Katastrophengebiet. Sie waren respektvoll den Leuten gegenüber und fragten mich oft, wie sie sich korrekt verhalten sollten. Manchmal hat ihre Suche nach großen Geschichten mich in unangenehme Situationen gebracht. Fragen wie „Wo sind hier die meisten Leute umgekommen?“ – während nach wie vor tausende vermisst sind oder Totenscheine von trauernden Angehörigen ausgefüllt werden. Trotzdem waren die Bewohner immer freundlich und hilfsbereit.

Es gab Momente wo ich klar „Nein“ sagen musste, aber die Journalisten gaben sich Mühe, die Kultur der Japaner zu respektieren. Wenn sie sich nicht sicher waren, schickten sie mich vor um die Frage zu stellen. Fragen wie: „Entschuldigen Sie, wie viele Menschen sind hier gestorben?“. Das waren heftige Momente, aber mir ist es lieber, dass ich diese Fragen stelle, weil ich die Sprache und Kultur besser verstehe. Es gibt auch leichte Momente, z.B. wenn die ausländischen Journalisten technische Spielereien entdecken, die typisch sind für Japan. Ich genieße diese flüchtigen Momente, die zwischen der Tragik und der Zerstörung liegen, die wir täglich sehen.

Wir sprachen mit vielen Opfern des Tsunamis in Koriyama, einem etwas höher gelegenen Ort, in dem Flüchtlinge vom umliegenden Rikuzentakata und Shichigahama untergebracht waren. Dort haben wir zwei 12 jährige Jungs gefragt, uns etwas herumzuführen. Die Journalisten bestanden darauf, dass wir vorher das Einverständnis der Eltern bekommen – nicht wissend, dass die Jungs sie seit dem Tsunami nicht mehr lebend gesehen haben.

Ich verspüre nur Respekt und Bewunderung für diese Menschen, die alles verloren haben. Selbst ganz unten, auf dem Boden eines Supermarkts, wo sie auf Pappkartons schlafen müssen, scheinen sie so stark und voller Hoffnung zu sein. Ich verstehe nun die Bedeutung des Worts „shouganei“ besser, was soviel bedeutet wie „da kann man nichts machen, es ist halt so“. Es ist hier zu einer Lebenseinstellung geworden.
Die ausländischen Journalisten sind auch beeindruckt vom Durchhaltevermögen der Japaner. Sogar die beiden 12 jährigen Jungen, die ihre Mütter verloren haben, waren so willensstark und optimistisch. Ich hoffe inständig, dass die beiden immer Freunde bleiben und auch, dass sie die psychologische Beratung bekommen, die sie benötigen werden.

Zum Abschied winkten uns diese Kinder zusammen mit ihren Geschwistern und kleinen Cousins zu und meine Tränen konnte ich da nicht mehr verbergen. Eines Tages würde ich gerne wieder nach Rizukentaka zurückkehren um diese Jungs wieder zu finden.

Die meisten Journalisten suchen nach persönlichen Schicksalen, glückliche wie auch traurige. Sie nehmen eine scheinbar beliebige Idee, wie z.B. ein Schulsportteam und sie versuchen herauszufinden, ob alle aus dem Team gestorben sind oder nicht. Ich höre dann die Geschichten der Opfer, sehe die Gesichter derer, die alles verloren haben. Wir finden Fotos und Alben im Schlamm des Tsunami und ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit für mich, sie den Besitzern wieder zu geben.
Wie sehr ich es auch bereue das zu sagen, aber ich genieße dieser Arbeit sehr. Ich werde weiterhin den Medien bei der Berichterstattung helfen. Aber ich würde auch gern etwas Zeit für Hilfsprogramme und NGOs opfern.

Manchmal frage ich mich, wie viel Berichterstattung bewirken kann. Oft erscheint es nur als eigennützige und selbstsüchtige Suche nach der großen Story. Aber ich möchte gerne glauben, dass wenn mehr und mehr Menschen auf der anderen Seite des Globus von der Situation erfahren, sie auch mehr helfen wollen. Ich merke auch die Verantwortung für meine Arbeit, die zu einer direkten und vor allem wahrheitsgetreuen Berichterstattung in den Medien führen kann.


Von der Tsunami getroffene und danach ausgebrannte Grundschule in Kadowaki

Momentan habe ich keine Pläne Japan zu verlassen. Ich habe wohl eine Art Sinn für Pflicht und loyale Zugehörigkeit zu Japan entwickelt. Ich sollte gehen, sagen mir Freunde und Familie, doch das kann ich nicht mehr. Ich habe mich niemals als Nationalist gesehen, aber jetzt das Land zu verlassen würde heißen, es im Stich zu lassen.

Wenn die britischen Journalisten unter sich sind, äußern sie ihre Zweifel, dass diese Orte jemals wieder aufgebaut werden. Ich hingegen bin mir sicher. Einige werden die Gegend verlassen, doch viele werden bleiben. Japaner waren immer schon Siedler, mit einer starken Verbundenheit zu ihrer Heimat. Selbst wenn sie die Städte in jungen Jahren verlassen. Wenn sie alt werden kehren sie zurück. Es wird Jahre dauern, aber es wird passieren.

Nach meiner ersten Rückkehr nach Tokyo war mir klar, dass ich unbedingt wieder zurück muss, um etwas zu tun. Dieses Ereignis hat Japan verändert. Die Kinder von heute werden mit diesen Einschnitten aufwachsen. Sie werden Japan wieder aufbauen.

Ich bin voller Hoffnung für sie.

Nichts ist so wie es scheint

Wieder ein Jahr älter…

Guter deutscher Film mit dem krassen August Diehl

Wollt ja eigentlich zwischen den Jahren noch ein paar Einträge schreiben, aber mich hat eine gewisse Endjahres-Lethargie und auch -Melancholie gepackt. Keine Aufträge, die Kamera seit fast zwei Monaten nicht mehr angerührt und doch eine gewisse unsichere berufliche Perspektive in dieser Stadt, nagen an mir an meinem 23. Geburtstag. Zudem hat mich pünktlich zum Geburtstag meine Krankenversicherung rausgeschmissen, erst im neuen Jahr werde ich wohl eine neue bekommen. Bis dahin darf ich mir kein Bein brechen.

Vor einem Jahr war ich zu meinem Geburtstag in einer kleinen Bar in Tokyo, wo ich von einer Geschichte erfahren habe, die maßgeblich dafür verantwortlich war, dass ich mich entschieden hatte im Land zu Bleiben. Denn vor einem Jahr fragte ich mich, ob das mit Japan alles noch Sinn hatte, ich brauchte Geld und eine neue Wohnung. Zu meinem Geburtstag gab es eine Antwort auf alle Fragen.
Zu diesem Geburtstag, ein Jahr älter, sind die Sorgen ähnlich. Ich brauch ne neue Versicherung, die mich als Selbstständigen keine astronomischen Monatsgebühren kosten, die dann mein geringes monatliches Einkommen übersteigen. Ich muss mir auch in dem Zusammenhang Gedanken über mehr Aufträge machen, die ich nur bekommen kann, wenn ich die Qualität meiner Arbeit steigern kann und mehr Kontakte zu Redaktionen bekomme. Jetzt bin ich noch mehr davon abhängig als noch vor einem Jahr, auch mit dem Hinblick darauf, dass ich dieses Jahr nochmal für ein paar Monate nach Tokyo möchte, und danach dann eventuell ein Studium inkl. Umzug bezahlen muss…

Wenn der eigene Geburtstag zwischen Weihnachten und dem Ende des Jahres liegt, wo nicht viel passiert und es draussen dunkel ist, hat man mehr Zeit für sich und seine Gedanken. Man lässt das Jahr Revue passieren.
Während bei mir im ersten halben Jahr in Tokyo noch jeden Tag etwas passierte, plätschert der Alltag seit meiner Landung nur unbefriedigend vor sich hin. Und mit Gedanken zwischen „Ich will wieder zurück!“ und „Vielleicht muss ich mich doch hier arrangieren…“ lässt sich kaum eine zufriedenstellende Lösung finden, so gefangen und gelähmt zwischen den Vorstellungen für die eigene Zukunft.

Natürlich war die Reise nach Palästina ein Highlight im letzten halben Jahr, aber daneben gabs nicht mehr viel.

Für das neue Jahr, was ja auch das neue Lebensjahr ist, was mag da wohl kommen. Ich könnt mal wieder einen Erfolg vertragen, in letzter Zeit gabs nur Kritik oder Absagen.
Man hat ja immer so eine gewisse Vorstellung, wo man in welchem Alter sein möchte. An seinem Geburtstag wird man dann vor vollendete Tatsachen gestellt, sofort ist man in dem Alter angekommen, für das man vielleicht andere Pläne hatte. Kein 23 einviertel, kein 23 fünfachtel, einfach nur 23. Wenigstens hat man dann ein Jahr Zeit sich drauf einzustellen.
Allerdings bin ich jetzt, ein Jahr älter, genauso unrasiert wie noch gestern mit 22. Man sieht mir mein Alter noch nicht an…

Frohes neues, wa!

In der Zwischenzeit arbeite ich immer noch an einem Inhaltsverzeichnis zum Blog, um all die vielen Einträge einigermaßen übersichtlich zu strukturieren. Die Galerie mit Einzelaufnahmen ist schon fertig.