Das verlassene Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee


Mit der Japanerin, die mich jetzt in Berlin besucht hatte, habe ich an ihrem letzten Tag hier eine längere Radtour gemacht, ein Ziel war, unter anderen, die Ruine vom Säuglings- und Kinderkrankenhaus in Weißensee. Sie ist ja Architektin, daher war es für sie ebenso spannend wie für mich als Fotograf, zudem gehört zu einer Reise nach Berlin auch ein Blick in Berlins Ruinen, die genau so viel Geschichte erzählen, wie die komplett erhaltenen Gebäude.

Das Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee wurde am 08. Juli 1911 eingeweiht und war die erste und größte Einrichtung dieser Art in Preussen. Besondere Eigenschaft war ein eigener Kuhstall, um für die Kinder möglichst frische Milch zu produzieren. Es wurde über die Jahre immer wieder mit neuen Gebäuden erweitert, sodass sich verschiedene Architektur-Stile auf dem Gelände finden lassen. Der Komplex wurde am 1. Januar 1997 geschlossen und verfällt seitdem mehr und mehr. Ein paar russische Investoren haben das Gelände allerdings vor ein paar Jahren gekauft und wollten das ganze sanieren. An einigen Stellen sieht man im Gebäude auch die Bemühungen vergangener Tage, die dann allerdings mittendrin abgebrochen wurden.

Dieses Krankenhaus war die erste Ruine, durch die ich geklettert bin. Im Netz finden sich auch zahlreiche Fotos aus diesem Gebäude, weil der Eingang recht einfach ist und es keine Wachmänner gibt. Als Ruine für Einsteiger (Ha! Wortspiel) also sehr beliebt.

Ich war bisher ganze vier mal in dieser Ruine, das erste mal im Januar 2009, ein paar Tage nach Silvester. Und es war verdammt kalt.

Besuch Nummer Eins: Kalt und künstlich

In einem Internetnetzwerk fand sich eine Gruppe zusammen, die zu dieser Ruine gehen wollte. Darunter erfahrene Ruinenerfoscher, die das Gebäude schon kannten. Ich schloss mich ihnen an und entdeckte das Krankenhaus zum ersten Mal.

Als ich jetzt noch mal die Fotos aus der Zeit durchgegangen bin, konnte ich mir an den Kopf greifen. Kein Gefühl für Komposition und ständig dieser Zwang, alles in der Nachbearbeitung künstlich zu machen…
Der Gang durch die Ruine fiel mitten in meine HDR-Phase, in der ich über mehrere Monate fast ausschließlich HDR-Bilder produzierte. High Dynamic Range (HDR) Bilder setzen sich meist aus drei, möglich sind aber auch mehr und weniger, Bildern zusammen, und zeichnen sich durch einen hohen Dynamik-Umfang aus. Das heisst, mehr Details, Farben, Kontrast etc.. Es macht nur allerdings auch die Bilder sehr künstlich, sodass diese dann aussehen, wie aus einem Videospiel. Einen langen Zeitraum über fand ich die Technik sehr spannend, bis ich begriff, dass es eben nur eine Technik ist, und keinen Bildinhalt ersetzen kann. Dass heisst ein Bild wird nicht immer besser, wenn man ein HDR draus macht.
Heute setze ich diese Technik sehr sparsam ein. Sie ist durchaus nützlich, doch wenn man es übertreibt, wie so viele „Fotografen“ im Netz, wird es einfach nur noch unansehlich.

Ein paar Wochen vor diesem ersten Ausflug habe ich mir auch mein 50mm 2.0 Objektiv gekauft, das bis heute zu meinen besten und liebsten Objektiven gehört. Der Ausflug nach Weissensee stand also ganz im Zeichen davon, die Linse mal ordentlich auszuprobieren. Der Frost an den Fenstern war da ein willkommenes Motiv.

Die Kälte sah man auch an anderen Orten. Der Gang hier war zum Beispiel komplett gefroren.

Durch das an vielen Stellen undichte Dach schneite es auch ab und an.

Gesamt war es ein beeindruckender Ausflug, an dessen Ende ich jegliches Gefühl in meinen Füßen verloren hatte. Trotzdem wollte ich es nicht nur bei einem Besuch belassen, der ganze Komplex hat noch viel, viel mehr zu bieten. Es war mir allerdings alles etwas leblos und tot, beim nächsten Mal wollte ich es mit etwas Leben füllen. Ich packte mir also ein Model und ging zwei Wochen später noch mal hin.

Besuch Nummer Zwei: Die Schöne und die Ruine


optimistisches Grafiti mit Rechtschreibfehler, skeptischer Blick

Ich hab in meiner Redaktion rumgefragt und ein junges Mädel hatte sich gemeldet. Sie wurde sogar noch von ihrer Mutter zur Ruine gefahren, ungeachtet dass ein Einstieg nicht immer komplett sicher ist 😉

Es war ein angenehmes Shooting, trotz wiedermals klirrender Kälte, beschwerte sie sich null. Eher noch jammerte ich rum wegen der Kälte.
Ich wollte neben der Location und ihr auch noch etwas anderes ausprobieren, also brachte ich eine weisse Maske mit mir.

Ein hübsches Gesicht unter einer Maske zu verstecken ist zwar sinnfrei, aber ich muss auch zugeben, dass ich mich nicht sonderlich zum People-Fotografen eigne. Ich find die Orte und das ganze Geschehen drum herum meist interessanter, als nur ein hübsches Gesicht abzulichten.

Ich weiss auch selten, wie ich sie zu positionieren habe, wohin sie schauen soll, oder wie das Licht nun am vorteilhaftesten wirkt. Ich finde das alles irgendwie inhaltslos, ohne Aussage, eben nur ein hübsches Gesicht und nichts weiter.

Mit der Maske probierte ich dann noch einige Sachen aus.

Diese leere Maske, ohne Ausdruck und Emotion, funktioniert einerseits als Projektionsfläche der eigenen Gedanken, wirkt, vorallem in diesem Setting, aber auch irgendwie gruselig, geisterhaft. Mit der Maske habe ich in den nächsten Monaten dann noch ein paar andere Fotos gemacht, alles immer recht fasziniert und interessanter als nur ein hübsches Gesicht

Besuch Nummer Drei: Der bezahlte Auftrag

Für Besuch Nummer 3 muss ich etwas ausholen: Über das Internet hat mich jemand kontaktiert, der Fotos von sich haben wollte (und sogar dafür bezahlen!!). Allerdings war das kein simples in die Kamera grinsen, die Auftraggeberin wollte Fotos von ihrer Persönlichkeit haben, was ich als Aufgabe durchaus spannend fand. Sie schickte mir einen langen Text über sich, zu dem ich dann einige Bilder entworfen habe. Einige davon machte ich in eben dieser Ruine.

Sie ist für das Shooting-Wochenende extra nach Berlin gekommen – nur wegen mir, wie sie mir später mitteilte. Als junger Fotograf platzte ich natürlich vor stolz, zudem ich auch für die Arbeit bezahlt wurde. Doch dass der Auftrag so lange bis zur Fertigstellung brauchte (noch in Japan habe ich die letzten Bilder bearbeitet) tat mir dann sehr Leid. Zudem die Dame sehr, sehr freundlich und sympathisch war und nun selbst als Fotografin anfängt. Unter anderem unser Shooting hatte sie dazu inspiriert, auch wenn es natürlich jahrelang schon ihr Wunsch war.

Besuch Nummer Vier: Verfall in schwarz/weiss

Der letzte Besuch war nun, wie eingangs erwähnt, letzte Woche, und ich fotografierte nur analog. Der Verfall vom Gebäude, der Vandalismus und Diebstahl von Kabeln, Metall etc. aus den Wänden, war noch weiter fortgeschritten. Viel mehr möchte ich auch nicht zu den Bildern sagen, sie sollen für sich wirken.

Mit dem Film bin ich wirklich sehr zufrieden, die Kontraste, Schärfe und Lichtverwertung sind wirklich hervoragend.
Bei diesem letzten Besuch entdeckte ich auch etwas Neues auf dem Dachboden: Ein Samen muss es wohl durch ein Loch geweht haben und seine Wurzeln konnten sich im Schutt festhalten. Der gelegentliche Regen sorgt für den Rest – und so gibt es wieder Leben, in der toten Ruine.

Japanik

Nach meiner Landung habe ich angefangen meine Gedanken, Beobachtungen und Gefühle aufzuschreiben, in ein Dokument, das ich „Japanik“ nannte. Hier nun die Notizen zu meinen ersten 2 Wochen in Japan:

Anmerkung: Die Ausgangssituation war folgende: Ich hatte schon in Deutschland einen Job beim Metropolis Magazin organisiert, wo es bald losgehen sollte. Der Job war allerdings unbezahlt und ich musste mich schnell nach einer Arbeit umsehen, wenn ich länger im Land bleiben wollte. Auch war es zu dem Zeitpunkt Sommer mit konstant 27°-32°C und ich bin damals immer noch mit drei Kameras und Zubehör rumgelaufen, um ja kein Bild zu verpassen. Ebenso auch mit Wörterbuch, Japanisch-Lernbuch und Reiseführer. Die Tasche wog immer schwer.
Die Notizen sind natürlich sehr gaijin-behaftet, vieles weiss ich heute besser. Also, an die Nasen, die hier schon seit Jahren wohnen: haltet euch mit euren erhobenen Zeigefingern zurück.

Reise

Es regnete zum Abschied in Strömen.

Im Zug von Berlin nach Frankfurt saß ein Fotograf in meinem Abteil, interessante Fügung. Er hatte zuvor eine Kaviarfabrik in Fulda fotografiert. Er bot mir nen Job an, wenn ich wieder aus Japan zurück komme. Er selbst war kurz zuvor in Vietnam. Ich hatte den Laptop rausgeholt und noch einen alten Fotoauftrag bearbeitet.

In Frankfurt dann rumgeirrt und ne Verbindung zum Flughafen gesucht, Robert getroffen, Elektrotechniker und Hobby-Segelflieger. Ich meinte, ich flieg jetzt nach Japan, fand er cool. Er zeigte mir den Zug zum Flughafen, ich meinte, wenn das falsch ist, komme ich zurück und er muss mich nach Japan fliege. Er lächelte und winkte zum Abschied.

Im Flughafen lief ein Franzose umher der alle anredete, komisch und laut. Viele Japaner am Gate und im Flugzeug schätze so um die 100-200. Mein Platz war dabei 11 Stunden lang neben einer 18 jährigen blonden Schweizerin. Glück muss man haben.

Sie war schon mal ein Jahr lang in Japan und nun auf dem Weg zu ihren Eltern nach Hawaii.

Landung, Abschied von der Schweizerin, Zoll, Zug. Zugsystem nicht ganz gepeilt, irgendwas gekauft, ab in den Zug und ständige Angst ein Kontrolleur kommt rein. Zum Glück gibts keine Kontrolleure in Japan.

Nun Japan, endlich. Anders vorgestellt: Nicht überfordert, nicht nervös, keine Angst. Fast schon langweilig. Es fühlt sich eher wie ’nach Hause kommen‘ an, nicht fremd, eher wie schon gesehen und hier gewesen. Vermutlich weil ich mich schon so lange mit dem Land beschäftigt habe.

Zug Richtung Hostel in Nishi-Kawaguchi. Nach hin und her Ankunft, nur noch von der Station zum Hostel. In der Station gabs ne Karte der Umgebung, ich stand 5 Minuten davor bis mir ein Mann seine Hilfe anbot, der jedoch noch ratloser war und mich in die eindeutig falsche Richtung schickte. Hilfreiche Menschen ohne Ahnung.

Die Spielebuden sind abartig laut.
Hostel gefunden, Zimmer sind japanisch klein und eng, 2qm, zwei Etagen-Betten übernander. Nachbarin Regan aus Kalifornien, 18 Jahre aber recht erwachsen. Internet ist gerade kaputt, der zwielichtige Hostelbesitzer verspricht es zu reparieren. Nach ersten Small Talk geh ich mit Regan durch Nishi-Kawaguchi, sie fungiert als Guide.


Blick aus meiner Abstellkammer äh Zimmer

Ruhige Wohngegend, still und sicher. Fühl mich angenehm befreit in dieser Sommernacht. Erster Gang zum Conbini und 99yen store. 1000yen rausgehauen, klingt nach so viel, ist aber doch wenig.
Mit Regan japanische Zeitschriften durchgesehen. Überall Idols, alles künstlich und übertrieben. Erschreckend.

Seit 4 Tagen nicht mehr richtig geschlafen. Verhasple mich ständig in drei Sprachen, rede Deutsch wenn es Englisch sein sollte.

Internetcafé, hier schlafen Leute! Kurz Mails gecheckt. Danach dann mit Regan in nen Videospiel Laden, inkl. Erotik-Abteilung. Überall kleine Mädchen mit großen Augen auf den Covern. Irgendwie komisch. Dann noch in nen Arcade-Laden, alles aggressiv bunt, laut, japanisch.


Erster Einkauf im fremden Land, Baumkuchen und einzeln abgepackte Kekse

Im Hostel dann den Animationsfilm Advent Children abgespielt. Absurd, in Japan fabriziert, in Deutschland heruntergeladen, und nun auf der Computer-Festplatte wieder hergebracht. Eine Art Globalisierungskreislauf und Re-cycling. Apropos Cycling, ich vermisse mein Fahrrad.

Tag 2

ca. 4 Stunden geschlafen, das Bett ist hart aber okay. Nächstes mal auch die Matratze von der oberen Etage benutzen. Die Sonne geht auf, im Land der aufgehenden Sonne. In Berlin ist sie noch nicht, dazu ist sie hier 7 Stunden voraus. Meinem Schlafbedarf fehlen so ca. 7 Stunden. Leichte Kopfschmerzen.

Cola aus dem Kühlschrank und ein Sandwich mit Eierkram aus dem 99yen Laden. Das Frühstück der Könige und Kaiser.

Mithilfe der reflektierenden Rückseite des iPods die Haare gemacht, diese sehen selbst aber aus wie die Rückseite von einem ungepflegten Felltier.
Man kanns gut aushalten hier, doch etwas fehlt… Hab den Bedarf Deutsch zu sprechen.

Es ist noch kein Schalter umgelegt wurden, von jetzt auf Japan. Alles so im Dazwischen. Aktivität auf Sparflamme, ich brauch Internet!
Der Tag beginnt nicht wie Alltag, obwohl der Alltag hier für mich bald mal beginnen sollte, um mich hier wohl zu fühlen.

Regan ist bald weg, vorher noch nach Shibuya zur Botschaft. Sie hat kein Geld, ihre Bank hat ihr Konto gesperrt. Klärungsbedarf.


Ihr Styling war ihr immer sehr wichtig, ständig wurde das Make-Up kontrolliert

Zusammen gehts dann nach Shinjuku, ohne Besuch der Botschaft. Klimatisierte züge sind echt angenehm! Das Liniensystem ist garnicht ma so kompliziert Ich muss für Regan Tickets holen, da sie in Tokyo ohne Geld gestrandet ist, ihre amerikanische Bank zickt rum.

Shinjuku ist mehr Wohn- und Shoppingbezirk, relativ gesichtslos, aber sehr modern und asiatisch. Hier werd ich bald hinziehen.

Shibuya is krass.
Menschenmassen drängen sich voran wie Mastvieh auf dem Weg zum Schlachter. Die Schlachthäuser sind in dem Fall die vielen kleinen Shops und Marktschreier, die versuchen die Leute in die Shops zu ziehen. Gaijin lassen sie in Ruhe

Nach nem Gang durch nen Suburb von Shibuya, wo sich eine mickrige ARD Zentrale Tokyo versteckte und ein kleiner Schrein, nach Harajuku.
In Harajuku liegt auch der größte Tempel von Tokyo, mit viel heiligen Wald drum rum. Zu viel für Regan, der das Wetter nicht bekommt und ständig über ihre Füße und ihren Gesundheitszustand klagt. Nasenbluten. Auf dem Weg zum Schrein machte sie mittendrin halt und ging nicht weiter.


Regan sitzt.

Beim Tempel überall Cosplayer, die mehr Blicke zogen als der Tempel.

Darunter ein europäisch aussehender Typ, der sich als Mädchen verkleidete. Bestürzend.

Auf der Rückfahrt dann eine schicke und edler Cosplayerin, die eine gewisse Eleganz ausstrahlte, im Zug getroffen. Hoffe das Foto mit der analogen Kamera ist was geworden. Sie wollte uns unbedingt den Sitzplatz anbietet. Gaijin haben Sonderstatus, es gibt Menschen die starren uns an, lächeln uns zu oder gratulieren uns zu unseren blonden Haaren.

Die Getränkemaschinen sind großartig, da der Durst bei diesem heissen, schwülen Wetter auch in Minutentakt auftritt. Ist ein bisschen wie ein Überaschungs-Ei, man weiss nie was kommt. C.C. Lemon ist super, aber scheinbar ständig ausverkauft. Die hohe Luftfeuchtigkeit bildet Pfützen auf den eiskalten Dosen.
Die Temperaturen bringen mein Macbook regelmäßig zum Absturz, nur am Abend gehts ganz gut, oder in voll klimatisierten Räumen.

Später dann mit Macbook und Internet ein Telefonat nach Amerika via skype gebastelt, schon cool was Technik kann. Regan zu mir: „Without you, I would be lying dead in an ally“

Tag 3

Regan ist irgendwie krank, fiel gestern kaputt ins Bett. Ich ließ sie erstma schlafen und wollte sie nicht wecken, glaub sie konnte Schlaf gut brauchen.
Sie hat Geld aus den USA geschickt bekommen, also ab in den Finanzdistrikt zur Tokyo Station um es dort bei einer Bank abzuholen.

Überall Bankgebäude und gläserne Wolkenkratzer. Wohl mehr Fassade, der japanischen Wirtschaft gehts nicht gut.

Die Bank, zu der wir gingen, war japano-brasilianisch, viele Schwarze. So wie die in Harajuku, die in Gangs auftraten und sehr aggressiv versucht haben, irgendeinen Mist zu verkaufen. Nebenbei konnte ich noch sehen, wie sie versucht haben was zu klauen. Erste negative Erfahrung in Tokyo, sehr störend.
Polizei ist hier mehr nur Ordnungsamt, die allgemeine Höflichkeit regelt das meiste.

In der Bank selbst verließ ein Schwarzer für eine Stunde lang nicht seinen Platz, blickgeschützt vom Security Futzi, der mehr drauf bedacht war, seine Haltung zu wahren und leer in die Gegend zu starren. Schätze der Schwarze machte Geschäfte, ständig kamen Leute rein und raus zu ihm, gaben ihm was ihn die Hand und bekamen etwas zurück. Böses rassistisches, stereotypisches Denken, aber dann leider doch so passiert.

Nachdem Regan ihr Geld hatte, und mir das Geliehene zurückbezahlte, brauchte sie mich wohl nicht mehr und wir gingen unserer Wege. Eigentlich ganz angenehm mit ihr, es war nicht zu tief emotional, nicht zu oberflächlich, sie weiss bescheid, ist sehr reif und nicht wirklich dumm-amerikanisch. Kennt japanische Popkultur ohne Freak zu sein. Und vorallem: sie reist alleine. Alle anderen, die in diesem Hostel ankommen sind mindestens zu zweit.

Ich ging dann nach Akihabara Electric Town, was tatsächlich nicht so spektakulär war, wie es mir Regan prophezeite. Aber das einsame, durch die straße Laufen, war ganz angenehm. Auch wenns fototechnisch derzeit nich klappen mag, vlt liegts am Wetter.

Gesamt hatte ich mir mehr erhofft. Mehr Aufregung, mehr Angst und Einsamkeit. Es ist alles so normal und möglich und irgendwie vertraut. Es wird Zeit, dass die Arbeit beginnt und ich Japaner kennen lerne. Am Abend bin ich dann noch ins klimatisierte Internetcafe, diesmal mit eigenem Rechner, ein paar mails fertig gemacht. Angenehmer als im Hostel, wo ständig halbnackte Franzosen ums Internet tanzen. Trotzdem alles keine Arbeitsatmosphäre. Es wird Zeit für meine Bude.

Am Abend dann Hostel-Talkshow zwischen Kanadier, Italienern, Franzosen und Regan, die als treibende Kraft stets hinter jedem Dialog steht. Auf meinen Schlafbedarf nahmen sie dabei keine Rücksicht, als sie direkt vor meine Schiebetür palaverten. Die Franzosen fragten alle nach sexuellen Vorlieben, die Italiener nach Essen und die Kanadier erzählten immer wieder nur von sich selbst. Schon interessant, doch immer wieder dieselben oberflächlichen Gespräche. Keine Lust drauf. Wenig Schlaf.

Ich habe Momente von „Warum bist du hier?“. Ich versuche für mich die Antwort zu finden. Abwarten und mit Tokyo reden. Vielleicht hörts mir zu.

Tag 4

Wenig schlaf, restlichen Münzen und Kleingeld zusammengekramt und Frühstück. Pappig aber japanisch lecker bekömmlich. Überall Müll, wird ja hier nur auf die Straße geworfen.

Mit dem Österreicher geredet, der hier eingekehrt ist. Neue Reisemöglichkeiten erfahren. Er will als PHP Programmierer zum Metropolis magazine. Witzig.

Zuerst Regan zum Bahnhof gebracht, Zug zum Flieger nach Kalifornien. Dafür, dass ich gewissermaßen ihr Leben rettete, war sie beim Abschied dezent unemotional.

Auf nach Akabane, den großen Fluss suchen, den ich im Vorbeifahren sah. Mir war nach Spaziergang am Wasser. Ich ging leider in die falsche Richtung, also fand ich nur 30°C und viele kleine Wohnhäuschen. Aber auch einen versteckten und idyllischen Park mit Wasseranlage.

Hingesetzt und ein paar Zeilen geschrieben.

Danach dann weiter an der Bahnstrecke entlang zum nächsten Bahnhof. Unwirkliche Distanzen.

Ab nach Shinjuku zum Governmentbuilding, für Blick und Stadtkarten. Überall nur Stadt, kaum grün. Tinnef im Angebot des Shops im 45. Stock. Metropolis magazine mitgenommen, erster Eindruck: sehr gut, sehr britisch.

Rückkehr und Nudelbento für 250yen, dezente Einsamkeit. Auf zum Stammtisch der deutschen Community und Tokyo, trotz mangelnder Lust und Müdigkeit. Lohnte sich, war angenehm, vertrieb Ensamkeit und brachte Kontakte. Öfter machen. Ich habe einen Cocktail bestellt und bezahlt, ein Idiot hat ihn weggetrunken. 550 yen im Arsch.

Auf dem Heimweg in den letzten Zug gequetscht, nach Bier stinkend da ein weiterer Idiot sein großes Bierglas über mir verschüttet hat. Eng. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Hostel von nem Pachinko Trottel die Faust entgegen gestreckt bekommen, warum auch immer. Macht wahrscheinlich jeden für seinen täglichen Verlust der Existenz verantwortlich.
Müde.

Tag 5

Freier Tag – frei vom Herumlaufen in der heissen Stadt und ständigen Zugfahren. Entspannen und Mails aufarbeiten. Viel geschrieben, viel organisiert. Genau wie in Berlin.

Merke: Bananenmilch + Tee schlägt auf den Magen.

Die Österreicher sind nun weg.
Coole Amerikanerin angekommen, Texanerin, dick (so ihre Söhne), Zeuge Jehovas. Sehr offen, sie begleitet ihre Söhne weil sie Lust auf Japan hatte. Hängespeckarme.

Ganzen Tag mails offline vorschreiben, viel zu beantworten, viel zu organisieren, Deutschland läuft weiter. Wie sehr ich mich von Deutschland lösen kann, bestimmt wohl, wie lang ich hier bleibe.
Am Abend dann mails verschicken, im klimatisierten Internetcafe. Ich schleppe also mein Macbook hin, nur um dann zu merken, dass ich das Stromteil vergessen hatte. Ärgerlich. Typ neben mir schmatzte und rülpste sehr laut sein Getränk runter. Japanisch unhöflich. Alles keine Arbeitsatmosphäre.
Dann vom Hostel aus alles geschickt, wo 20 Minuten Internet 100yen kosten, die in einen Automaten geworfen werden müssen. Ca. anderthalb stunden und viele 100 yen münzen investiert. Aber Berlin weiss nun, dass ich lebe, und so langsam geht das arbeiten los.

Am Abend kam noch eine allein reisende Engländerin, 33 sieht aba aus wie 23. Meine direkte Zimmernachbarin. Erzählte mir schon am ersten Abend durch die dünne Zimmerwand von ihrer Beziehungskrise. Alleinreisende scheinen einander zu vertrauen. Hab sie rumgeführt, wie Regan bei mir. Irgendwie vermiss ich sie. Sie kam einem Freund im neuen Land noch am nächsten. Ich brauche Freunde hier, für Normalität.

Eine Japanerin sucht in der Metropolis einen Deutschen zum Sprachaustausch, ich schrieb sie an, sie scheint nett zu sein. Kann Japanischkenntnisse aufbessern. Ebenso auch beim Tokyo Cameras Club gemeldet.
Am Abend kam ins hostel eine 21 jährige aus Neu Seeland, auch für ein working holiday Jahr in Japan, wie ich. Sie hat die ausreichenden finanziellen Mittel von Daddy bekommen – ich musste ein jahr arbeiten dafür. Sie redete von „really fun jobs“ und ich denke dabei ans Überleben. Obwohl sie das Hostel gebucht hatte, übernachtete sie woanders, und bezahlte dort auch. Sie redete ständig von Daddys Kreditkarte und hatte dabei so ein Strahlen im Gesicht. Sie hat im Dezember ein Praktikum beim Metropolis magazine. Ist wohl doch nicht so schwer reinzukommen.

Tag 6

Auf zum Working Holiday Zentrum in Nakano, dreimal umsteigen und auf dem Weg eine Bäckerei entdeckt. Das dortige Baguette kam Brot schon sehr nahe. Dann fünf minuten vor ner Karte gestanden um den Sunplaza zu finden, nur um zu checken, dass ich seit fünf minuten direkt davor stand.

Das Working Holiday Zentrum verteilt Jobs für Leute wie mich, aufgrund von Rezession waren die Fächer mit den Jobs allerdings sehr leer. Ich wurde von ner interessierten, freundlichen Japanerin betreut, die ganz angetan war, dass ich Fotograf bin. Sie sprach mich auf meine drei Kameras an, die ich mit mir rumschleppte. Ich hab mich registriert und bezahlt, und nun konnte ich mich auf Jobs bewerben. Realistische Aussicht auf nen Deutschlehrer Job, gut bezahlt, allerdings Handy-Pflicht. Ich fragte die Japanerin, was es denn hier für Handys gibts, sie nannte mir drei Marken. Ich fragte sie, welche sie hat, und meinte, die nehm ich dann auch.

Zusammen mit ihr habe ich dann nach einem Softbank-Laden gesucht, der ein english speaking staff hat, doch wiedermal log die Werbung.
Irgendwie schaffte ich es dann doch noch vor Ort denen klar zu machen, was ich will, um für gerade mal 40€ ein nigelnagelneues Kamera-Handy zu kaufen, mit eigener email Adresse. Soll nochma einer sagen, in Japan ist alles teuer. Danach dann erfolgreich mit meiner normalen Berliner-Sparkasse-Bankkarte Geld abgehoben und bin Einkaufen gegangen.

Die Japaner haben richtig coole Klamotten, nur eben alles in Japaner-Größe. Zuhause brauche ich eine ‚S‘, aber selbst eine Medium hier ist zu klein. Ich sagte dem Verkäufer, ich brauchs größer, er meint, das is ne M, und ich meinte, ich brauch ne europäische M.

Ich brauchte aber Klamotten, da ich nur für einen deutschen Sommer gepackt hatte. Das heisst: viele warme Klamotten und Kram für den Regen. Zwei dünne Sachen besorgt, mit Muster.

Angenehmes Gefühl gehabt, von ‚angekommen zu sein‘. „do as the japanese do“.

Der laden war cool, recht punkig und keiner der Verkäufer schien über 18 zu sein. Alle 30 sekunden schrien sie durch den Laden, dass sie sich freuen, dass wir hier einkaufen, und es voll tolle Rabatte gibt. Irgendwie trotzdem nicht aufdringlich. Englisch sprachen sie zwar nicht, aber auch wenn sie mich nur 2 minuten warten ließen, entschuldigten sie sich dafür, dass es so lange dauerte. Hätte ich gern ma in Berlin.

Danach zum Mitama Festival, 30.000 Lampions wurden in einem Schrein aufgehängt, dazu die üblichen Fressbuden und Sommeraktivitäten.

Alles recht herzlich, aber ich hätte es gern mit Anderen verbracht, als mit meinen zukünftigen Mitbewohnern, die ich dort zum aller ersten Mal traf und die alle 5 meter nur von geilen Ollen sprachen, vom Saufen und F**ken. Typus: Frat Brother. Mal schauen, wie lang ich es mit denen aushalte, aber einen sicherer Monat in Shinjuku, mit 24h Internet kann ich mir ruhig geben. Langsam gute bilder gemacht. Es wird. Oft ist es noch die Höflichkeit, den Japanern nicht die Kamera ins Gesicht zu drücken, zwischen mir und einem Motiv.

Entschlossen Dienstag ausm Hostel auszuziehen, dann eine Inseltour rund um Tokyo zu machen – für den Urlaub und das Abenteuer. Vorher den dicken Rucksack in Shinjuku abstellen. Am Abend wieder an der Pachinko Halle vorbei, wo ein betrunkener torkelnder Japaner mich anlaberte, oder es zumindest versuchte. Sollte diese Ecke echt meiden.

Tag 7

Regen, zum ersten mal seit meiner Ankunft. Wäscht die Hitze davon. Duschen und dann ab zur Redaktion des metropolis magazine, danach erstma chillen. Langer tag gestern.

Nix mit chillen, das Hostel hat mein Zimmer vergeben, während ich noch drin war. Also alles fix zusammpacken und umziehen. Zum Rucksack und der Tasche sind nun auch noch zwei weitere Taschen gekommen. Soviel zeuch…

Umzug ins Rattenloch, bzw. hauseigene „Kapsel Hotel“, doch vorher zur Redaktion, ungeduscht, in Eile. Vorher die Adresse und Wegbeschreibung ausgedruckt, aber viel gebracht hatte es nicht. Ich habs einfach nicht gefunden. Als ich dann in einer mail mein Fehlen entschuldigte, gab es Verständnis. Adressen finden in Tokyo ist so ne Sache… Zwischendurch in Shibuya unter ner Brücke durch, da schliefen die ganzen oObdachlosen. Krieg ich keinen job, zieh ich hierher.

Jede Bahnstation hat hier ne Melodie, eine klingt verdächtig nach Sherry Sherry Lady

Irgendeiner hat im Hostel den Münzautomaten vom Internet abgestöpselt, d.h. gratis Internet bis zum Abend. Ich hielt es nicht für nötig den Hostelbetreiber von dem Schaden zu berichten.

Am Abend dann mit der Engländerin zum Tokyo Tower. Falsche Station ausgestiegen, rumgeirrt und schlussendlich einfach auf den Turm zugelaufen. Überall Lichter.

Nachts versucht zu schlafen, im Rattenloch. Wände sind dünn wie Reispapier, jedes gespräch mitgehört. Mit Regen überm kopf eingeschlafen.


Mein Zimmer. Mein ganzes Zimmer.

Tag 8

Auf nach Ueno um eine Deutsche zu treffen. Morgens alles etwas umständlicher, da nur noch 2 Kubikmeter Luft mein Zimmer ausmachen, alles andere wurde outgesourct. Ich lieg ganz oben, und obwohl hier ein frostiger Wind der Klimaanlage durchweht, so bleibt diese doch gemäß den Gesetzen der Thermodynamik am Boden der Legebatterienanlage, und die warme Luft steigt nach oben zu mir in mein Loch. Keine Fenster, Air Conditioner können keine frische Luft ersetzen.

Die deutsche Linda, mit der ich mich treffen wollte und die ich online kontaktierte, rief dann an, käme wohl erst zwei Stunden später, also wurde aus dem hektischen Morgen ein gechillter. Das Hostel ist gerade voll gebucht, man kann teilweise kaum treten vor Leuten. Die einzige Dusche ist ständig belegt, daher ist mal ganz gut noch im Hostel zu sein wenn alle schon zur Stadt aufgebrochen sind. Hab das gratis Internet genutzt, während neben mir eine Japanerin stand, die 2 Stunden lang ihr Frühstück machte und dann aß, und dabei kein wort sagte, zu dem, der ja mit ihr im Raum war.

Ueno Park is sehr nett, lauter Zikaden überall, sehr sommerlich. Baseballspiel gesehen, obwohl nicht verstanden, mitgefiebert, weil sie sich über jeden Ball freuten.

Linda ist Biochemie Studentin und Partymaus, die japanisches Essen und Japan nicht sonderlich spannend findet, aber die Sprache. Bin mit ihr dann durch Ueno, zu Fuß nach Asakusa, wo es einen Döner gab, der zwar nett, aber kein Döner war. In Asakusa dann in einen Tempel, vor dem draußen Affen zum allgemeinen Vergnügung auf und ab springen sollten. Traurig.

Dann noch mit der Metro zum Metropolitan Government Building, again. Diesmal bei Nacht, was ganz nett war. Zum ersten mal Gestern gute Bilder gemacht.

Linda (selbst Hobby-Fotografin, analog, seit sie 14 ist) sagte, sie verstehe die Leute nicht, die immer sofort die Kamera zücken, sie sollen lieber erst den Ort erfühlen und genießen. Ich sehe es haargenau so, vielleicht sind die guten Bilder deshalb erst beim 2. Besuch gekommen.

Die Klamotten werden immer dreckiger, muss sie bald reinigen aber ich hab Skrupel vor den japanischen Münzwaschmaschinen. Meine kurze Hose ist schweissgetränkt, es ist schlimm. Das riecht zwar alles nicht, aber es klebt und ist schwer.

Tag 9

Das Leben hier im Hostel gelangt an seine Grenzen, ein Amerikaner fragten mich, vollen Ernstes, warum die Deutschen, als „wir“ Polen besetzt hatten, denen kein Baseball beigebracht haben.

Bei der Reise zu den IZU islands muss ich mir was einfallen lassen. Allen voran wie ich da hin komme…
Vorher zur Tokyo Bay, und davor noch zu einem Schwerter museum, weil die Britin Angela mit mir unterwegs war und unbedingt dahin wollte. Die Schweissrückstände auf meinem Shirt ergeben ein Muster das ganz gut passt. Kein grund zum wechseln.

Bei knapp 30°C und knallender Sonne zum Museum. War recht unspektakulär, alte Klingen in nem Kasten.
Danach dann zur Tokyo Bay. Zwischenzeitlich im square Enix shop vorbei. Gesamt teuerster Tag bisher, viel Transportation, Verpflegung und Kram besorgt.

Tokyo Bay mit Monorail war interessant, und anstrengend. Zwischenzeitlich stark genervt, weil Angela die ganze Zeit am quasseln war und den Weg nicht wusste, dazu knallende Sonne und dauernasser Rücken. Füße tun weh.

Dann ins Science and Innovation Museum, sehr angenehm. Einige Japaner wollten mit uns reden, aber ihr nich vorhandenes Englisch hatte das verboten. Irgendwie sind sie so freundlich, wollen uns helfen und ihr schönes land zeigen. Auch wenn es manchmal unter der motivation „sie wissen es ja nicht besser“ passieren mag. Aber es gibt genug Verständnisprobleme, oft starren sie dann einen nur leer an und erwarten, dass man ihr Japanisch versteht.

Gute Bilder gemacht, bis der Film voll war (analog UND digital) und der Akku leer.


Such den Gaijin


Die Japaner haben die Erde erschaffen!!

Nachts auf der Rückkehr dann wieder an der Pachinko Ecke vorbei, dort stehen ältere Männer an der Ecke rum und schauen sich um. Keine Ahnung was sie machen, aber es ist unangenehm. Je später der Abend, desto geneigter sind sie, einen anzusprechen. Durch ebenso geneigtes Gehen erkennt man den Alkoholspiegel.

Nachts mit Anderen im Hostel Fernsehen geschaut, ganz lustig. Hübsche Australierin ist heute im Hostel angekommen, ich schlafe mit ihr

…im Rattenloch, eine Etage über ihr.

Tag 10

Endlich wieder sauber in Tokyo, die Klamotten zu waschen mit dem Münzautomaten war weniger schwer, als ich dachte. Sind nun zwar nicht frühlingsfrisch, aber rein.

Dann nach Akihabara, um das erste Foto fürs Metropolis zu machen.

Endlich wieder fotografisch gearbeitet, mich auf eine Sache konzentriert und es kamen gute Bilder bei raus, danach Entspannung.

Wollte dann auf dem Rückweg wiedermal am Fluß entlang, doch beim ersten mal stieg ich in Akabane aus, welches rechts vom Fluß liegt, und ich ging in die falsche Richtung. Diesmal stieg ich Kawaguchi aus (wörtlich: Flußeingang) und ging wieder in die falsche Richtung, nämlich nach links. Es sollte halt nicht sein.

Hab mein Zeug zusammengepackt, morgen soll es auf die Insel gehen. Ich weiss weder wie, noch wo, aber es wird hoffentlich spannend. Ich hoffe vorher mein Zeug irgendwo unterstellen zu können, ansonsten nehm ichs mit. Ich denke, ich werd die nächsten Nächte kein Bett sehen (und dementsprechend nix dafür zahlen müsen). Ab Freitag gehts dann nach Shinjuku. Jetzt noch ins Internetcafe, seitdem der Hostelbesitzer den Fehler bemerkt hat und es nun hier verboten ist, nen Laptop anzuschließen.
Ich mein, sie sind ja ganz nett hier, und scheinen mich auch zu mögen, aber auf die Dauer is das nix. Wenn ich versuche etwas in meinem Loch zu trinken, stoß ich mit der Flasche an die Decke.

Im Internetcafe einen Weg zur Insel gefunden, als back up, falls ich morgen die Fähre nicht mehr erwische, ein echtes Capsule Hotel gebucht. Gepäck geht morgen definitiv zu zu meinen neuen Mitbewohnern, übrig bleibt Handgepäck. Angenehm, muss aber organisiert sein.
Organisation ist der Feind vom Abenteuer, doch leider überlegen.

Ich habe endlich rausgefunden, was diese alten Männer an der Ecke machen. Ich dachte zuerst, die verticken Drogen, aber mittlerweile glaube ich, sie sind zuhälter. Sie fragten mich, ob ich ein „nice girl“ suche, in ner ziemlich düsteren stimme. Beschissenes marketing, so kauft doch keiner.

Tag 23

Gespräch mit einem Freund über ICQ:

megafutzi [15:55 Uhr]:
manchmal denk ich, alles is cool hier
megafutzi [15:55 Uhr]:
treff viele neue coole leute
megafutzi [15:56 Uhr]:
die stadt is voller hübscher mädels mit kurzen dunklen haaren
megafutzi [15:56 Uhr]:
dann kauf ich mir aba wieder ein brötchen für 1,10€ und denke: noch mehr davon und ich kann tschüss sagen

Epilog:

So ein Blick zurück, zum Anfang, woher man kommt, erfrischt die Perspektive in der man sich befindet und dorthin schaut, wohin man geht.
Ich bin relativ naiv hergekommen, und die westliche Arroganz, die Gaijin so oft mitbringen, war natürlich auch bei mir im Koffer. Um mal ein paar Punkte aufzulösen:

Ich hab es zu den Izu Islands geschafft!

– Meine Mitbewohner waren weniger schlimm, als ich damals vermutet hatte, und ich hielt es 6 Monate mit ihnen aus. Einer der beiden konnte sich auf Nachfrage garnicht mehr an den Abend erinnern, weil er vollgepumpt mit Antibiotika und anderer Medizin war.

– Aus dem Deutschlehrer Job ist nichts geworden, ebenso nicht aus dieser Tandempartnerin, die es mit dem Deutschlernen dann doch nicht so ernst meinte. Ich fand eine andere Tandempartnerin, die heute zu meinen engsten Freunden hier gehört.

– Von Regan habe ich nie wieder etwas gehört

– Zu Anfang dachte ich, ich muss nur ein nettes Bild machen, und verkaufen. Der Beruf des Fotografen und Journalisten gestaltet sich allerdings etwas anders.

– Linda habe ich zwar nur einmal getroffen, wir haben aber heute noch Kontakt und sie liest gerne meinen Blog ^^
– Die Schlüsse, Vermutungen und Erkenntnisse, die ich damals meinte über „die Japaner“ anzustellen, waren oft verkehrt und entstammten einer passiven Beobachterperspektive.

– Die Japanerin im Working Holiday Zentrum erinnerte sich an mich, bei meinem zweiten Besuch im Januar. Wir sprachen damals beim ersten Treffen über Hiroshima und sie fragte mich, ob ich es dorthin geschafft habe. Unser Gespräch wurde allerdings frühzeitig unterbrochen, da sie die Regeln gebrochen hatte, mich hatte schon eine andere Dame betreut und sie ist aus Versehen dazwischen. Hat sich natürlich zehnmal entschuldigt.

Gesamt bin ich sehr zufrieden, wie es mir nach diesen zwei ersten Wochen, in denen ich ungeduldig viele Sachen erreichen wollte, ergangen ist. Als Mensch, Fotograf, Journalist und Gaijin habe ich mich weiter entwickelt.

Wenn ihr bis hierher meine Notizen gelesen habt, Hochachtung. So lasst mich noch hinzufügen, warum ich all das aufgeschrieben habe:

Meine Zeit in Tokyo, und das Leben von diesem Blog, ist endlich. Genauer gesagt, werde ich vorraussichtlich nur noch 2 Monate in Tokyo bleiben (drei Monate in Japan). Ich werd sicherlich nach meiner Rückkehr noch Beiträge machen, von Bildern die ich bisher noch nicht veröffentlichen durfte, oder entwickelt habe.
Als mir klar wurde, dass es nur noch 2 Monate sind, wurde ich leicht wehmütig und ich kam ins Grübeln, was ich hier alles noch erreichen möchte. Dabei kam mir der Anfang dieser Reise in den Sinn. Denn wie gesagt, ein Blick zurück verändert den Blick nach vorn.

Dazu passend, der Blick nach vorne, vom Anfang dieses Beitrags.

Aus dem Archiv #01

mein Zimmer in Berlin im letzten Sommer – analog

Bevor ich nach Japan gedüst bin, hatte ich bei der Berliner Zeitung als Fotograf und Journalist gearbeitet. War ne manchmal harte, aber auch gute und spaßige Schule. Kurz vorm Flug ruft mich meine Chefredakteurin an:

He Fritz, ich muss da noch die Spalte links füllen, magst nicht was über deine Reise nach Japan schreiben? Ruhig mit Träumen und wie wichtig dir das ist und so….

Alles klar…

Träume rollen lassen

Ich träume.
Nicht nur ich tue das, sondern jeder junge Mensch. Träume sind das, was uns vorantreibt. Es sind Ziele, die uns in der Schulzeit motivieren und die vielen Tagen und Stunden durchstehen lassen. Doch viele Träume werden entlang des Weges aufgegeben, begraben und vergessen. Gerade jetzt nach dem Abitur entscheidet sich für viele, welcher Traum weiter geträumt werden darf – und welcher stirbt.
Ich habe mir einen Traum erhalten, den ich nun, nach vielen Jahren und einigen Niederlagen, in die Tat umsetzen werde.

Mit 12/13 habe ich ein Buch gelesen, welches auch heute noch zu meinen Lieblingsbüchern gehört. Es heißt „Durchgetreten“ und handelt von zwei jungen Leuten, die zusammen um die Welt reisen – per Fahrrad. Ihre authentischen Erlebnisse in fremden Ländern und ihre Erfahrungen prägten mich, und weckten in mir den Wunsch nach Abenteuer. Viel mehr noch inspirierte mich dieses Buch, selbst an meine Träume zu glauben, auch wenn alles dagegen sprach. Denn die beiden Autoren dieses Buchs, hatten eine Jugend hinter sich, in denen sie ständig hörten, dass sie nichts taugen und nichts erreichen. Der eine wog bis er 16 war 150 Kilo, und der andere war schmächtig und ständig krank. Ein paar Jahre später fuhren sie nur mit eigener Muskelkraft (und ohne Doping) um die Welt.

So ein Abenteuer wollte ich auch erleben. Dazu kam eine gewisse Faszination mit Südostasien, speziell Japan, die in meiner Jugend den Wunsch weckte, dorthin zu reisen und das Land auf eigene Faust zu entdecken. Mehrere Male habe ich versucht, diese Reise anzutreten. Während der Schule als Schüleraustausch oder als Zivildienstersatz im Ausland. Ich wurde abgelehnt und nicht unterstützt, weil keiner an meinen Traum glauben wollte. Doch ich behielt ihn mir und setze ihn nun in die Tat um.

Ich habe gearbeitet und gespart, um es mir überhaupt leisten zu können. Doch mein erster Plan, einfach mal hinzufliegen und zu schauen was passiert, hat sich inzwischen geändert. Bücher zum Thema, insbesondere eines über „Work & Travel –Japan“, wurden zu einer wichtigen Quelle um in einem fremden Land zu überleben. Dort werden auch Zeitungen und Magazine erwähnt, die dort speziell für Ausländer in Englisch erscheinen, und einen tiefen Blick ins Land zulassen. Da ich vorher schon als Fotograf für eine Zeitung gearbeitet habe, sah ich dort eine ähnliche Chance. Ich schickte ihnen ein paar Bilder und sie nahmen mich. Durch dieses Magazin bekomme ich nun auch einen ganz anderen Blick auf, und in das Land, viel mehr als ein reiner Tourist oder Student.

Ich suchte auch nach Deutschen in Japan, die mir vielleicht in den ersten Stunden helfen und beraten können. So fand ich auch ein Zimmer in einer WG, die ich über die japanische Bürokratie oder hieroglyphenartigen Kleinanzeigen niemals bekommen hätte. Und nun gibt es eine Redaktion hier, die von mir eine Kolumne haben möchte, über meine Erlebnisse vor Ort.

Alles ist passiert, weil ich an meinem Traum festgehalten habe, und konkret überlegt habe, wie ich ihn umsetzen kann. Damit ein Traum eben nicht nur ein Traum bleibt. Ob per Fahrrad um die Welt, oder per Flieger auf einen fremden Kontinent – Hauptsache man bleibt im Sattel.

Auszug aus der Berliner Zeitung vom 22.6. 2009

Das war mein Blick auf Japan, vor Japan. Etwas dramatisch vielleicht, aber es illustriert wie wichtig mir die Sache war bzw. ist. Das es am Ende erstens etwas anders kam, und zweitens als man denkt, ist natürlich klar, Zumal auch mehr als ein halbes Jahr dazwischen liegt.