Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 7: Das Ende der Reise

Der letzte Tag, an dem mein Ticket noch gültig war, war gleichzeitig der letzte Tag meiner Reise in Japans kalten Norden. Auch ganz gut so, mir war kalt, ich war pleite und hatte absolut die Schnauze voll von Schnee.

Die Reise als Zusammenfassung in Gemütszustand/Tagen

Nachdem ich am Tag zuvor eingeschneit und durchnässt in der Bude meines Freundes ankam, meine Schuhe und Socken vor den Ofen packte, konnten wir nur noch einen Film schauen, den mein Freund (inzwischen auch wieder in Deutschland aber in ein paar Monaten wieder in Japan für 1-2 Jahre) von seinem Chef bekommen hatte. Es handelte sich um den japanischen Film Campaign, den ich vor Jahren schon einmal auf arte gesehen hatte und dem ich wirklich jeden empfehlen kann.

Campaign ist eine Dokumentation um Politik und Wahlkampf in Japan, mit allen Merkwürdigkeiten und Besonderheiten. Der Film wurde dabei ebenfalls von einem Japaner gemacht, einem alten Freund von dem Protagonisten, der im Film gewählt werden will. Daher fehlt zum Glück diese westliche Perspektive („in Japan ist eh alles komisch und anders“) und die Bilder sind sehr neutral und objektiv gehalten, sodass sich jeder selbst ein Bild machen kann.

Die deutsche Premiere von dem Film fand übrigens im Kino Babylon in Berlin statt, wo ich vor Jahren mein Filmfestival hatte.

Der Protagonist des Films, also der junge Wicht, der gewählt werden will, war bei der Premiere in Berlin sogar dabei. Sehr sympathischer Kerl. Heute ist er nicht mehr in der Politik sondern, wenn ich das mal richtig übersetze, arbeitslos. Genaueres zum Nachspiel des Films gibt es in einem Artikel in der JapanTimes, allerdings sollte man vorher den Film gesehen haben. Der geistert irgendwo auch kostenlos durchs Netz…

In der Nacht hatte es, wie sollte es auch anders sein, wieder geschneit. Doch diesmal hingen keine weiteren Schneewolken über Aizu, sondern ein blauer Himmel mit Sonnenschein strahlte auf den weissen Ort. Die Sonne gab sich dabei soviel Mühe, das es schon in den Augen weh tat. Den Schnee konnte man nicht mehr angucken, da das ganze Sonnenlicht von den Eiskristallen reflektiert wurde.

Ich hatte schon viele Sehenswürdigkeiten abgedeckt, auf meinem Weg zum Bahnhof und nach Tokyo wollte ich noch eins abdecken: Dr. Noguchi und sein Krankenhaus.

Nun, wer war Dr. Noguchi?

Diese Frage stellte ich auch meinem Freund in Aizu. Dieser holte dann nur einen 1000yen Schein raus und zeigte ihn mir.

Das ist Dr. Noguchi.

Seine Geschichte kann man gern noch mal auf wiki nachlesen, die Kurzfassung ist diese: Hideyo Noguchi erlitt als Kind schwere Verbrennungen, die seine linke Hand unbrauchbar machten. Trotz dieser widrigen Umstände wollte er Arzt werden und Anderen helfen. Diese Geschichte, vom tapferen Kampf gegen alle Widrigkeiten, fanden die Japaner sehr rührend und Noguchi wurde beliebt und bekannt. In Aizu stand mal ein Krankenhaus, dass er geleitet hat, und die ganze Ecke dort zelebriert ihn nun.

Es gibt die „Noguchi-Street“ in der früher sein Krankenhaus stand. Heute erinnert eine Statue von ihm daran.

Unweit von seiner Statue stehen auch ein paar eingefrorene Pflanzen.

Nur falls es immer noch welche geben sollten, die mir nicht glauben, wie kalt es dort oben war…

Das war also Aizu.
Ich machte mich auf dem Weg zum Bahnhof, um die letzte Zugreise dieses Trips anzutreten. Der Bahnfutzi knipste mein Ticket ab und weiste mich lächelnd drauf hin, dass heute der letzte Tag meiner Reise ist. Vielen Dank, sagte ich.

Es war auch ganz gut so. Ich konnte absolut keiner Schnee mehr sehen. Es tat in den Augen weh, dieses kalte, weisse Zeug zu sehen. Blinzelnd kämpfte ich mich zum Bahnhof und im Zug konnte ich endlich die Augen zu machen. Bis nach Tokyo musste ich 6 mal den Zug wechseln, doch eigentlich zählte ich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Als die Sonne unterging, erreichte ich die Stadtgrenze.

Saß ich vor ein paar Tagen noch alleine im Zug, war ich nun wieder in der Rush Hour, mit Millionen von Menschen in Shinjuku. Wollte ich wirklich wieder hier hin zurück? Eigentlich wollte ich mich gleich in den Zug setzen und weiter fahren, irgendwo hin, wo ich noch nicht war. Doch eine kurze Riechprobe an meiner Kleidung und am schweren Rucksack sagte mir: Du brauchst eine Dusche! Du brauchst frische Klamotten! Und ein Blick in meine Geldbörse sagte mir: Du brauchst Kohle!



Also reihte ich mich ein, in die Massen von Pendlern, Geschäftsmännern und Sekretärinnen und fuhr in meine 4,5qm nachhause…





Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7: Das Ende der Reise

Der Sonne entgegen

Solaris (C) Fritz Schumann 2008

In Berlin.

Die Sonne knallt bei bis zu 38°C am Tag, und in der Nacht klettert es auch nicht unter die 28°C – trotzdem kommt mir das alles tatsächlich noch angenehmer vor, als die heiss-schwüle Regenzeit in Tokyo. Die Luftfeuchtigkeit in Berlin ist gerademal 20-40%, in Tokyo sinds 80% und drüber. Auch wenn ich ein bisschen Regen jetzt hier nicht schlecht finden würde…

Der Flug.

Ich hatte mein Flug ja drei Wochen vorm Ende meines Visums erst gebucht – kleiner Tipp an dieser Stelle: macht das nicht.
Ich konnte nämlich nur noch Aeroflot buchen, was zwar billig aber nicht unbedingt angenehm war, eher noch bedingt unangenehm.

Im Flughafen Narita gab es eine Schlange an den Ticket-Schaltern, die durch die ganze Lobby ging und sich nur zentimerweise fortbewegte. Ich fragte die Dame am Infostand, wo ich denn den Schalter von Aeroflot finde, sie deutete nur auf die Schlange und meinte „Am Ende davon….“. Zwei Stunden musste ich dann anstehen, bis ich endlich in 3min Ticket und Check-In erledigen konnte.

Die haben anscheinend sich ein wenig übernommen mit Fluggästen. Da der Check-In so lange dauerte, hatte der Flieger eine Stunde Verspätung. Sollte mir Recht sein, ich hätte in Moskau eh 5 Stunden auf meinen nächsten Flieger nach Berlin warten müssen.

Der Flug war anstrengend. Da wir mit der Sonne und mit der Zeitverschiebung geflogen sind, war es immer hell. Dazu noch ne Menge lauter, schreiender und streitender Russen, zwei Kleinkinder hinter mir, die immer gegen mein Sitz traten. Es gab auch männliche Flugbegleiter, die mit ihren breiten Schultern, Kurzhaarschnitt und ernsten Gesichtern allerdings aussahen, als wären sie ausm KGB. Das Essen war allerdings erstaunlich gut.

Ich saß in der Mittelreihe, neben mir drei Japaner/innen. Ich begnügte mich aber mit dem Boardprogramm, welches zwei sehr gute und zwei sehr schlechte Filme zeigte.
Nach neun Stunden Flug traute sich der Japaner neben mir, Mitte 20, Typ Game-Otaku, mich anzusprechen. Stellte sich heraus, er muss auch 5 Stunden in Moskau auf seinen nächsten Flieger warten, also vertrieben wir uns die Zeit gemeinsam.

In Moskau hatte ich dann meinen ersten Kulturschock: Während ich es in Japan noch gewöhnt war, dass alle Bediensteten freundlich sind und lächeln, gabs in Russland nur kühle Ernsthaftigkeit. Das Englisch der Russen im Flieger und Flughafen war recht gewöhnunsgbedürftig, eine Dame konnte wirklich nur „TAKE OFF BELT!“ (natürlich ohne ‚please‘), was sie alle 5 Sekunden vor der Sicherheitsschleuse wiederholte. Ein Japaner verstand das nicht, da griff die Dame beherzt sein Shirt und riss es hoch – natürlich ohne zu Fragen – um einen Blick auf die Hose zu werfen, ob er einen Gürtel trug, den er abnehmen musste. Er trug zwar keinen Gürtel, doch danach noch lange einen sehr verwirrten Gesichtsausdruck.

Wir gingen dann noch in ein Restaurant im Flughafen. Zunächst kam keine Bedienung. Die erste, die wir riefen brachte uns das Menü, aber bestellen konnten wir bei ihm nicht. Er meinte nur „I go home“ – war aber 30 min später, als wir gingen, immer noch da und wischte Tische. Die zweite Bedienung meinte kurz und unfreundlich, sinngemäß, „Wartet mal kurz, ja!!?“ und kam dann nie wieder. Die dritte Dame die kam, lächelte genausowenig wie der Rest des Ladens, schaffte aber unsere Bestellung entgegenzunehmen.

Der Japaner bestellte dabei ein Wasser, was nach 10min kam – es war eine 500ml PET Flasche, warm, und ein Glas. Ohne Eiswürfel. Dafür brauchte sie bei 6 Gästen, 8 Kellnern im Restaurant satte 10 min?

Dazu tönte ständig ein Bohrer aus der Küche so laut, dass wir unser eigenes Wort nicht mehr verstanden. Der sollte wohl die wenigen Gäste noch vertreiben.

Dann gings ans Bezahlen. Wir riefen wieder eine Kellnerin, die meinte, sie käme gleich wieder doch wir sahen sie nicht mehr. Die Kellnerin, die uns zuerst bediente kam dann nochmal, und richtete sich ihr Haar. Wir nahmen das als Signal, dass sie jetzt grad frei wäre und fragten freundlich nach der Rechnung. Erst ignorierte sie uns, dann meinte sie nur ein stoffeliges „One minutt!“. Es dauerte wieder 10min bis sie zwei Burger und ein warmes Wasser abgerechnet hat.

Ich hatte keine Rubel sondern nur Euro und Yen dabei. Der Japaner hatte auch nur Yen, US-Dollar aber auch ein paar Rubel dabei. Gesamt kostete das Essen (zwei Burger, warmes Wasser) 26€(!!). Wir wollten getrennte Rechnungen machen, doch das hat sie nicht verstanden und hat die beleibte Chefin geholt, die uns da energisch auf Russisch zutextete – wohlwissend dass keiner von uns irgendwas versteht. Sie nannte dann irgendeine Summe (nun waren es auf einmal nur noch neun Euro) und wir legten ein paar Rubel und Euro hin, und sie war zufrieden. Wir bedankten uns – sie taten es nicht.

Wahrscheinlich werden die uns ordentlich ausgenommen haben. Der Japaner meinte dann zu mir „Auch wenn in Japan nicht alles perfekt ist, so bin ich doch stolz auf unseren Service“. Recht hatte er, und ich sehnte mich nach Japan zurück.

Dann sollte der Flieger nach Berlin endlich gehen. Vor dem Schalter schon eine Riesenschlange und hinter dem Schalter eine überfordert schauende Russin. Um 22.50 Uhr sollte der Flieger gehen, um 22.30 war in Sachen Check-In immer noch nichts passiert. Die Russin am Schalter verdrückte sich dann in den Gang, gut einsehbar durch Fenster von unserer Position, wo sie nur Däumchen drehte. Es wurde 22.50 Uhr, bis zu diesem Zeitpunkt keine Erklärung, Entschuldigung oder sonst ein Kommentar warum und überhaupt wieso.
Ein gelassener Deutsche, der fliessend Russisch konnte, erkundigte sich dann, wie der Stand der Dinge ist. Er hatte schon ein Lächeln im Gesicht, das zeigte, dass dies nicht sein erstes Mal in Russland ist, wo er sowas erlebt.
Nach viel Schulterzucken gab es dann eine Antwort, er drehte sich nur lächelnd um und sagte nickend zu seiner Tochter, was der Stand der Dinge war. Anscheinend haben sie vergessen den Tank mit Kerosin zu füllen, und das ist ihnen dann kurz vorm Abflug eingefallen.

Um 23 Uhr kam dann eine Meldung, dass es Aeroflot voll leid tut, dass sowas sonst nie vorkommt und dass der Flieger nun 23.30 geht.

An dem Tag nahm ich zwei Aeroflot Maschinen, beide hatten ne Stunde Verspätung.

Na wie dem auch sei, Landung in Berlin, Umarmung, Kamelle, Dusche und ein 13 Stunden Schlaf, ein deutscher Sieg gegen Uruguay, Anruf bei Oma und frischen Fisch im Restaurant am grünen Rande von Berlin – das alles folgte.

Angekommen bin ich noch nicht. So ganz Ankommen mag ich auch gar nicht. Ich bin durchaus mit viel Frustration aus Berlin abgehauen – und so langsam droht die auch mit mir hier anzukommen bzw. hat schon hier auf mich gewartet.

Der Blog.

Achja, ich hab, wie man sehen kann, einige Änderungen vorgenommen. Der Blog heisst jetzt Fotografritz/Blog, und nicht mehr TokyoFotoSushi, da Standortwechsel. Ebenso hab ich am Design einige Änderungen vorgenommen, Fotos kommen jetzt besser zu Geltung und sind auch größer. An einigen Stellen hakt es noch mit der Skalierung, aber im großen und Ganzen läufts. Sämtliche Inhalte, also Fotos, Artikel zu Japan und Kommentare sind alle noch da. Die URL bleibt weiterhin http://tokyofotosushi.wordpress.com doch wenn ich mal wieder Geld habe, reserviere ich mir eine passendere Adresse.

Wenn ich mal wieder Geld habe… uiuiui, das wird noch dauern. Kurz vorm Flug war ich noch mal in Nagasaki und hab etwas zu viel Geld für Flug und Pakete nach Deutschland ausgegeben. Mein Konto ist grad, nicht gerade wenig, im Minus und ein paar andere Sachen muss ich auch noch bezahlen.
Allerdings liegen hier noch ne Menge Fotos und Artikel auf Halde die teilweise schon abgenommen sind. Muss sie nur noch fertig machen und die Rechnung schreiben. In zwei Wochen sollte alles wieder laufen, bis dahin bin ich auf die 50€ angewiesen, die mir meine Oma auf die Rückseite von einer Schachtel Toffifee geklebt hat. Omas sind doch die Besten, ne?

Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 6: Eingefrorene Samurai

Am Abend zuvor war ich in Aizu-Wakamatsu angekommen. Aizu ist Japan-weit als historischer Ort bekannt, mit Schloss, alten Gebäuden und eigener Samurai-Legende, die sogar Adolf und Mussolini erreichte. Hohe Berge standen rund um den Ort, der selbst ordenlich hoch lag. Es war kälter als Hokkaido und genau so schneereich.

Mein Freund, der mir seine Wohnung und zweiten Futon zur Verfügung stellte, musste an diesem Montag zur Arbeit. Umso mehr Zeit hatte ich dann, den Ort alleine zu erkunden. Er gab mir noch ne Karte und hilfreiche Tipps auf den Weg, und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit. Ich blieb noch im Bett denn es war KALT!!


Blick aus dem Fenster

Es ist ja viel bekannt, über dünne japanische Holzhäuser, die absolut keine Isolierung haben. Aber wer im tiefsten Winter nicht selbst drinnen gewohnt hat, kann sich keine Vorstellung machen. Zentralheizung gibts ja auch keine, so hatten wir nur einen Kerosin-Ofen, der im Futon-Zimmer lief und es einigermaßen erträglich machte. Doch im Nebenzimmer und in der Küche war es so kalt wie im Gefrierfach des dort stehenden Kühlschranks.

Ich duschte, machte Frühstück, spülte das Geschirr, dass da schon ne Woche stand, und reinigte den Kühlschrank von Sachen, die schon ein Eigenleben entwickelt haben. Eine Tupperdose kam mir sehr bekannt vor:
Mein Freund und ich waren im Oktober zum Essen bei einer Japanisch-Lehrerin in Tokyo eingeladen. Es war vorzüglich und am Ende blieb sogar etwas übrig, was sie für uns in eben diese Tupperdosen packte. Ich aß meine Portion dann in den folgenden Tagen. Seine Portion fand ich Ende Dezember in diesem Kühlschrank in Aizu-Wakamatsu, mit einem gräulich-weißen Belag darüber. Doch ich ließ es erstmal drin, vielleicht wars ja ein biologisches Experiment.

Ich machte mich auf den Weg.


Der Weg

Über Nacht hatte es wieder geschneit, all die alten Häuser waren weiss gepudert.

Der Schnee war wirklich tief, und da Aizu nicht so viele Bewohner hat, die zudem auch eher im Auto als zu Fuß unterwegs waren, war ich oft der Erste, der seine Spuren im tiefen Schnee hinterließ.

Dank langer Unterhose und dicken Socken war das selbst mit Turnschuhen nicht das Problem.

Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten fand ich meinen Weg zum Friedhof und zu den Tempelanlagen von Aizu, die leicht erhöht auf einem Hügel lagen. Unten werkelt man an der Rolltreppe bzw. eine Art überdachter Aufzug für die, die nicht so gut zu Fuß waren. Ich zählte mich mal dazu, doch man ließ mich nicht gewähren, schließlich muss man noch bauen. Ich fragte, wann sie denn fertig seien, und sie meinten „Februar“. Also gut, die Treppe dann. Man rief mir noch ein „Sei vorsichtig!“ hinterher.

Die Treppe war komplett eingescheit. Die Stufen waren dabei schon recht alt und für kleine japanische Füße konzipiert. Der plattgetretene Schnee bot dabei auch eine erhöhte Rutschgefahr. Ich packte die Kamera lieber in die Tasche damit ich beide Hände zum Festhalten frei habe.

Oben dann ein netter Ausblick über den Ort, links im Bild der überdachte Gang.

Zwischen nord-europäisch anmutenden, eingeschneiten Nadelbäumen lag der alte Friedhof von Aizu.

Hier liegen auch die 5 weissen Samurai, bzw. ihre Gedenksteine. Ich muss mal schauen, ob ich die Legende noch zusammenkriege, es geht ungefähr so:

Es war einmal in einem Japan im 16./17. Jhd. Die einzelnen Fürste, Stämme und Clans waren öfter mal im Krieg. So auch der Fürst von Aizu, der in seinem Schloss saß und auf seine Samurai wartete. Diese kamen über dem Hügel wo nun der Friedhof steht und schauten auf Aizu. Vielleicht hatte sie die Sonne geblendet, sie hatten zu viel Sake oder der Weg war zu beschwerlich, doch sie sahen ihr Schloss mit Fürst in Flammen stehen und sahen den Krieg verloren. In Wirklichkeit stand und steht es noch bis heute. Jedenfalls nahmen sie diese Sinnestäuschung als Anlass kollektiv Selbstmord zu begehen.

Im Lauf der Geschichte wurde diese, ich sag es einfach mal, Dummheit dann umgedichtet als Akt von ehrenhafter Loyalität, was viele Japaner ziemlich rührte. Vor und im 2. Weltkrieg, als Japan mit Italien und Deutschland ganz dicke war, erreichte diese Geschichte auch Mussolini, der von diesen ehrenhaften Soldaten so bewegt war, dass er 1928 eine Marmorstatue aus Pompeji stiftete, die bis heute dort auf dem Friedhof steht.

Es gibt auch einen Gedenkstein mit Hakenkreuzen drauf, den ich allerdings unter all dem Schnee nicht finden konnte. Laut deutscher Wikipedia steht darauf:

„Ein Deutscher den jungen Rittern von Aizu“

Ob die Legende tatsächlich Adolf erreichte ist historisch nicht belegt, sehr wahrscheinlich ist allerdings schon. Der stand ja nachweislich auf diesen Militär-Pathos.

Eine popkulturelle Verwurstung mit Manga-Charaktern gibt es natürlich auch.

Das hier war ein Souvenir-Verkaufsstand, der allerdings geschlossen hatte und nur neugierige Katzen beherbergte. Die gesamten Waren waren zwar offen, doch da ich ehrlich bin, machte ich nur Fotos und keine Straftaten.


Rechts der Fußball…

Rechts vom Friedhof war eine Schrein und Tempel-Anlage und auch eine Statue von einem der Samurai, wie er grad auf das vermeintlich brennende Schloss schaut.

Hätte er mal lieber für 200yen das Münzfernrohr benutzt…

Ich hatte in der Nacht zuvor noch auf Facebook geschrieben, dass ich in Aizu angekommen bin. Eine befreundete Architektin schrieb mir dann, dass ich mir unbedingt den Sazae-Do anschauen soll. Ein bisschen rumfragen ergab dann, dass der auch bei der Tempelanlage stand.

Inzwischen fing es auch wieder an zu schneien. Ich stapfte also durch das weisse Zeug zum Eingang vom ca. 5 stöckigen Holzturm.

Das Besondere an diesem Turm ist seine Wendeltreppenkonstruktion. Es gibt zwei Eingänge mit jeweils einem Gang. Egal für welchen man sich entscheidet, beide treffen oben wieder zusammen, sodass man keinen Weg zweimal gehen muss. Ich bin es allerdings schon, da ich Bilder machen wollte.

Und die Besonderheit an diesem Turm ist gleichzeitg auch das einzig Interessante. Wenn man die 300yen bezahlt hat und dann oben angekommen fragt man sich durchaus „Wie, das wars nun?“.

Oben, die Decke verziert mit lauter religiösen Sprüchen.

Ich hätte auch ohne die 300yen zu bezahlen einfach hineingehen können, die einzige alte Dame, die heute dort zuständig war, hatten sich zu einer weiteren alten Dame in den warmen Souvenirshop zurückgezogen und beide schwatzten über einem heissen Ofen. Doch wie gesagt, mir war nicht nach Straftaten also rief ich sie und bezahlte. Sie war sichtlich erfreut. Doch neben uns drei war keiner auf dem ganzen Gelände. Zusammen mit dem kalten Wetter, diesem alten Holzturm und dem Wind, der dagegen heulte, kreierte das eine ganz eigene Atmosphäre.

Neben diesem (ungewöhnlichen) buddhistischen Tempel gab es auch eine Shinto-Schrein Anlage, die auch komplett im Schnee lag.

Hinter dem Schrein gab es auch einen eingeschneiten Bambuswald.

Ich bin dann vom Tempel weg, hin zur anderen großen Sehenswürdigkeit: Dem Schloss. Auf dem Weg konnte ich viele Eiszapfen von den Dächern hängen sehen.

Ich wollte ganz besonders nah ran, zu einer Großaufnahme von diesem riesigen Zapfen.

Ich achtete allerdings nicht auf den Boden und sackte auf einmal mit meinem linken Bein ab, in einen Wassergraben, der vom Schnee bedeckt war. Mein linkes Bein bis zum Knie hin war nass. Dazu schneite es immernoch unaufhörlich und durch den Shinto Schrein zu stapfen war auch nicht gerade trocken.

Man sieht mir mein Gemüt vielleicht an.
Der Marsch zum Schloss war ungefähr eine Stunde lang, der Schnee wurde immer heftiger, ich zunehmend nasser und somit wurde mir auch kälter.

Im Schloss selbst gab es einige Bereiche wo man die Schuhe ausziehen musste. Meine Socken waren komplett nass und hinterließen kleinen Pfützen auf dem Holzboden. Doch viel schlimmer war es dann wieder in die nasskalten Schuhe zurück zu schlüpfen.

Aizu ist besonders bekannt für Lackmalereien….

…und eben Samurai und alte japanische Kultur.

Von oben hatte man dann einen wunderbaren Blick über die ganze Schneelandschaft.

Ich machte mich dann auf den anderthalb stündigen Weg nach Hause. Komplett durchgefroren schaltete ich den Ofen ein und packte meine Schuhe und Socken davor. Irgendwann schlief ich dann ein und wurde geweckt von meinem Freund, der von der Arbeit nachhause kam. Ich erzählte, wie ich den Tag verbrachte und er meinte nur „Wow, dann hast du ja voll wenig gesehen“.

Stimmt nicht ganz, ich hab viel gesehen. Viel Schnee. In, auf und außerhalb meiner Kleidung.

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7:Das Ende der Reise

Ho-Ho-Hokkaido Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts

Runter von der Insel! Mit der Fähre ging es von Hokkaido nach Honshu, um auf dem Rückweg noch einen kleinen Besuch in Aizu-Wakamatsu bei einem Freund zu machen. Auf dem Wasser gings zwar schneller vorwärts als im Zug, doch 8 Stunden Wartezeit waren dann doch nicht leicht…

Nach einer weiteren Nacht auf einem Quadratmeter Boden brauchte ich eine Dusche. Die kostete zwar 270yen, war aber inkl Handtuch, Duschzeug, Zahnbürste, Fön und Rasierer.

Ich wollte nun mit der Fähre wieder nach Honshu zurück, da mein Ticket nur noch für zwei Tage gültig war, und ich mindestens drei Tage zurück nach Tokyo brauchte. Den Besuch in Aizu-Wakamatsu hätte ich dann ebenfalls nicht machen können. Wenn ich den Zug genommen hätte, hätte das auch bedeutet, mindestens zwei Nächte lang in einem Gasthaus oder Hostel unterkommen zu müssen, was auch wieder Geld verschlungen hätte. Der gesamte Trip war ohnehin schon teurer als geplant und mir ging langsam aber sicher das Geld aus.

Ich hatte am Tag zuvor in den Lonely Planet geschaut, auf eine Karte von Hokkaido, wo eine Fährverbindung nach Sendai eingetragen war. Ich fragte im Touri-Büro nach eben dieser Verbindung und sie kramten lange nach einem alten Buch, in dem die Preise standen. Für nur 8000yen fuhr eine Fähre über Nacht die 800km nach Sendai – das sind 10yen pro Kilometer und ich müsste nicht mal ein Gasthaus bezahlen. Die Fähre sollte in Tomakomei, südlich von Sapporo, ablegen. Also nichts wie hin.

In der Nacht zuvor hatte es wieder geschneit und am frühen Morgen sah die weisse Schneedecke noch recht unberührt aus.

Eisekalt wars natürlich trotzdem.

Und wenns in Hokkaido schneit, dann schneit es richtig.

In meinem Eifer den ersten Zug nach Tomakomei zu nehmen war ich super-früh am Bahnhof.


Die Uhrzeit zeigt 7 Uhr, rechts hinten ist der JR Tower

So früh hatte der Bahnhof sogar noch zu und ich hatte etwas Zeit totzuschlagen. Man achte auf den schneebedeckten Glaskasten im obigen Bild. Drinnen siehts so aus:

Und das war nur der Eingang zur Ubahn-Linie.

Draussen versammelten sich indes eine Menge von Tauben, die ein vorsichtiges Interesse an mir entwickelten und auf mich zukamen.

Über meine Faszination mit Tauben hatte ich ja schon in Kapitel 4 geschrieben. Auf einmal, als hätte es ein stummes Signal gegeben, flogen alle Tauben zu einer anderen Stelle vom Platz vorm Bahnhof. Der Grund war simpel:

Eine ältere Dame fütterte die Tauben. Das scheint sie wohl regelmäßig zu tun, die Tauben schienen sie gewissermaßen zu erwarten.
Da die Vögel nun alle intensiv mit Fressen beschäftigt waren, konnte ich mich heranschleichen und auf Tauben-Augenhöhe Bilder machen.

Meine Kamera kam leider mit den schnellen Bewegungen unter diesen morgendlichen schlechten Lichtverhältnissen nicht gut klar.

Ich hatte auch zunehmend das Problem, dass mir der Speicherplatz ausging. Ich hatte ja keine Möglichkeit meine Fotos auf meiner Reise irgendwo zwischenzuspeichern, so blieben mir nur die Karten, die ich mit mir hatte. Und die wurden langsam voll.

Das frühe Aufstehen hat mir nicht viel gebracht, der erste Zug nach Tomakomai ging erst um neun Uhr, für 1.500yen. Mein 5 Tage Ticket musste ich so nicht benutzen und konnte auch einen schnelleren Expresszug nehmen.

In Richtung Sonnenaufgang fuhr der Zug dann aus Sapporo raus.

Für Einige war es bestimmt noch zu früh…

In Tomakomai angekommen suchte ich das Touri-Büro auf, was versteckt in einer dunklen Ecke vom Bahnhof war. Drinnen war ein älterer Herr, der sich tierisch freute endlich mal einen Touristen begrüßen zu können, sogar aus dem Ausland! Im Hintergrund lief grad eine Symphonie von Beethoven. Allerdings verkniff ich mir diesmal den „Ich bin aus Deutschland“ Kommentar und fragte direkt nach der Fähre. Ich bekam eine Karte und einen Busfahrplan. Der Bus würde erst in einer Stunde kommen, also konnte ich genauso gut laufen, dachte ich. Auf der Karte sah die Distanz auch nicht so weit aus, am Ende brauchte ich dann aber zwei Stunden zum Hafen. Die ganze Zeit dabei den schweren Rucksack auf dem Rücken.

Achso, falls sich jemand fragt, ob Tomakomei etwas für Touristen ist: Nein, ist es nicht.

Es ist schon eine ziemlich trostlose und weite Ecke Hokkaidos. Der Hafen, der vor rund 60 Jahren eröffnet wurde, ist das Wichtigste an Tomakomei. Und damit meine ich nicht den Hafen für die Fähre sondern den für die Industrie, der gesamt Hokkaido versorgt.
Macht auch Sinn, mit Flugzeug und Zug kommt man schwer durch Hokkaido, um viele Güter zu transportieren ist der Hafen wichtig.

Er sah trotzdem ziemlich trostlos und verlassen aus. Zwischenzeitlich fühlte ich micht so falsch hier, hier konnte doch unmöglich irgendwo ein Fähr-Hafen für Touris sein.

Allerdings nehmen Touris auch den Bus und laufen nicht durchs Industriegelände.
Ein Mann stoppte mich dann freundlich auf einem Kohlelager und meinte in Englisch „Fähre?“. Ich „Ja, ja!“. In Japanisch erklärte er dann, wo ich lang musste. Ich verstand allerdings seine Handzeichen mehr als sein Japanisch: Da drüben und dann rechts.

Das Fährgebäude war recht gross, innen war jedoch kaum Betrieb. Es sah genauso verlassen aus, wie das gesamte Hafengelände, und es gab mehr Reinigungspersonal als Fahrgäste.

Ich wollte direkt ein Ticket kaufen, da ich mir nicht sicher war, ob es nun wirklich 8000yen kostet. Schließlich war das Buch im Touribüro in Sapporo ziemlich alt. Ich bekam auch erhebliche Zweifel als ich das Schiff sah.

Das konnte doch unmöglich nur 8000yen kosten. Ich hatte auch nur etwas weniger als 10.000yen dabei. Sollte es drüber sein, müsste ich mir irgendwo flugs noch Geld besorgen.

Problem war nur, dass der Ticket-Schalter erst um 15 Uhr aufmacht. Angekommen bin ich 12 Uhr. Ich musste drei Stunden warten bevor ich überhaupt Klarheit hatte. Also Warten….

Durch die großen Aussichtfenster drang viel Licht und es war recht warm, ja fast schon heiss wenn man direkt in der Sonne saß.
Auf meine Reise hatte ich nur drei Bücher mitgenommen: Das Buch von meinem Klienten, dass er mir nach dem letzten Shooting schenkte, den Lonely Planet und mein Tagebuch.
Ich hatte die Tage zuvor im Zug mehr aus dem Fenster geschaut als gelesen, doch hier gabs nicht viel zu sehen. Den Lonely Planet hatte ich schon zweimal durch und zum Schreiben hatte ich keine Lust. Blieb also nur das Buch meines Klienten, welches ich gegen 15 Uhr dann auch durch hatte.
Aber das muss man sich mal vorstellen, auf der gesamten Reise habe ich ca. 50 Stunden sitzend oder wartend verbracht und nur ein wirkliches Buch-Buch mitgenommen….

Um 15 Uhr machte dann der Ticket-Schalter auf und die billigste Variante war tatsächlich 8.000yen, genannt „Carpet“, zu deutsch „Teppichboden“. Na das wird ja komfortabel… Die Fähre sollte um 19 Uhr auslaufen.

Im Souvenirshop, von denen es im Gebäude reichlich gab, genehmigte ich mir ein, nunja, sattmachendes Bento. Danach war Däumchendrehen angesagt.
Aber so ein Ruhetag, nach den vielen Tagen mit sovielen Eindrücken war echt sinnvoll, denke ich. Ich konnte all die Erfahrungen sacken lassen, Platz auf der Kamera schaffen und ein wenig nachdenken.
Es gab zwar Fernseher, doch bis 17 Uhr lief da nur strunzlangweiliges Golf. Mehr und mehr Passagiere kamen nun in den Warteraum. Einige auch nur, um andere abzuholen. So wie auch drei ältere Damen.

Zu dem Zeitpunkt war der gesamte Wartebereich leer, nur ich war da und die Reinigungsfrau. Die drei alten Damen kamen rein, schwatzten laut und setzten sich direkt in die Reihe hinter mich. Alles war frei! Doch sie zogen es vor, direkt hinter mir ihre lauten Gespräche zu führen.

Ich konnte natürlich nun nicht einfach aufstehen und gehen, das wäre ja unhöflich. Ich versuchte es zunächst mit biologischer Kriegsführung und zog die Schuhe aus. Dazu sollte ich erwähnen dass ich seit 4 Tagen dieselben Socken anhatte, und damit durch Sapporo und halb Hokkaido marschiert bin. Ich bin da recht resistent, aber sogar ich fühlte mich vom Geruch gestört.
Doch es half nichts, sie schwatzten weiter. Nichtmal „Der Ausländer stinkt“ fiel. Hardcore-Omas. Glücklicherweise schien dann die Sonne direkt auf mich und meine Socken, also konnte ich so tun als fühlte ich mich geblendet und verdrückte mich. Die alten Damen gingen dann auch als mit der 17 Uhr Fähre die vierte alte Dame kam und ihr Kaffekränzchen komplett war.

Im Fährgebäude gab es übrigens auch ein recht langweiliges jedoch kostenloses Museum über den Hafen und das Fährgebäude. Leider alles nur in Japanisch.
Gegen halb sechs hatte dann endlich einer Erbarmen und wechselte den Kanal. Von da an lief eine japanische Gameshow. Das Konzept war, die Person, mit dem größten peinlichen Erlebnis, körperlicher Fehlfunktion oder sonstigen traurigen, jedoch vermeintlich unterhaltsamen Schicksal vor die Kamera zu zerren, die versammelten Comedians machten dann ein paar Witzchen und vergaben Punkte. Die Person mit den meisten Punkten gewann dann eine Reise.

Unter den Kandidaten waren dicke Schulmädchen, schwitzende Aktmodelle, Aktmodelle mit Hämoriden (die im Close-Up gezeigt wurden), Models mit Falten und auch eine Dame mit Bart und Warzen im Gesicht, die das Mitleid von allen bekam und dann die Reise gewann.

Gegen 18 Uhr kam dann die Armee. Eine kleine Kompanie der Japanese Self Defence Force, komplett in Tarnkleidung, nutzte auch die Fähre. Der Offizier hatte die Mannen im mittleren Alter ordentlich im Griff.

Gegen 19 Uhr lief dann die Fähre ein und wir konnten endlich aufs Boot. Der Kapitän und die Belegschaft in schicker Uniform begrüßte jeden Passagier persönlich. Ich war der einzige westliche Ausländer an Bord.

Ich suchte meine Unterkunft auf. Es gab eine simple Klassentrennung: Billig unten, teuer oben. Natürlich gab es neben den 8.000yen Varianten auch luxuriösere Suiten, für bis zu 40.000yen für die Nacht und Überfahrt. Mein Zimmer war übrigens das hier:

Dünne Matten auf Teppichboden. Meine Matte erkennt man daran, dass es die unordentlichste ist. Da ich sehr früh mein Ticket besorgte, war mein Bett auch die Nr.1, ganz links. Mein Nachbar tauchte allerdings nicht auf, sodass ich seine dünne Matte auch nutzen konnte.

Gesamt ist hier Platz für16 Personen, Männlein und Weiblein nicht getrennt. Eine junge Koreanerin hatte damit sichtliche Probleme. Das Durchschnittsalter der Leute in meinem Zimmer war allerdings recht hoch, und sie sahen allesamt kaputt und fertig aus. Wohl Hafenmitarbeiter, die wieder zurück nachhause zur Familie fahren.

Das Schiff war recht edel jedoch verwirrend eingerichtet. Es gab Pseudo-Art-Déco Elemente wie den Treppengang in der Mitte.

Und dann wiederum ein Art Pseudo-Hawaii Thema, dass sich durchs gesamte Schiff zog.

Hokkaido ist aber von Hawaii und seinen Temperaturen weit entfernt…

Alles ein gesamt sauberer, neuer und angenehmer Eindruck.


Überall Nautili als Lampen

Ach und Vending Machines gabs natürlich auch.

Dazu auch noch ein Sento an Bord und natürlich auch eine Karaoke Bar. Ebenso ein Kino, in dem an diesem Tag „Gran Torino“ von Clint Eastwood lief, dass ich mir nur allzu gerne auf Japanisch angesehen hätte, jedoch war ich viel zu müde und ging früh schlafen.

Gegen 20 Uhr legte dann das Boot endlich ab. Vorher lief ich noch auf dem frei zugänglichen, jedoch windig kalten Aussendeck herum.

Ein Blick noch auf den Industriehafen.

Überall gab es Fernseher bzw. Monitore. Auf dem lief zwar nur das Schiffsprogramm, bis ich mal einer der Fernsehbedienungen in die Hand nahm und das Programm wechselte. Bis zum Schlafengehen gabs dann nicht nennenswertes japanisches Fernsehen.

Mich plagte der Hunger, aber ich hatte kein Geld um im Bordrestaurant zu essen, es reichte gerade mal für eine Packung Chips. Ich musst lachen, als ich die Leute aus den teuren Kabinen kommen sah und ich selbst nur wenige hundert Yen in der Tasche hatte.

Die Nacht auf See war erstaunlich angenehm und am nächsten Morgen gab es einen wunderschönen Sonnenaufgang.

Das Boot fuhr immer noch voran, die Küste von Honshu bereits deutlich zu erkennen.

Drinnen gab es Frühstück – allerdings nicht für mich. Die 1500yen hatte ich einfach nicht dabei. Ich packte mein Kram zusammen und wartete vorm Fernseher auf unsere Landung. Hierbei kam nun allerdings etwas wirklich Interessantes: Neben einer ziemlich coolen Sendung, die von Studenten gemacht wurde, kam eine Art World-News-Special, in der Nachrichtensendung aus den USA, England, Frankreich und auch die Tagesschau aus Deutschland hintereinander weg, mit japanischen Untertiteln, gezeigt wurden.
Die große Neuigkeit des Tages war damals der Tunnel unter dem Ärmelkanal, in der am Tag zuvor ein Zug stecken blieb und 2000 Leute für mehrere Stunde gewissermaßen gefangen waren. Es war sehr interessant, wie die unterschiedlichen Nachrichtensendungen das aufbereitet haben:

Amerika – Der Eurotunnel war nur eine kurze Meldung die am unteren Bildrand eingeblendet wurde, stattdessen gab es einen 7min Bericht über einen „Hero Dog“, der irgendwas gemacht hatte.

England – Der Eurotunnel war natürlich ein großes Thema, doch es wurde sehr sensationell und emotional berichtet, mit ungeschnitten und ungefilterten Material eines Mannes im steckengeblieben Zug, der laut und aggressiv Antworten vom Zugpersonal haben wollte, die ja genauso hilflos waren wie er, und den Zug auch nicht fortbewegen konnten.

Frankreich – Der Eurotunnel dominierte die Sendung, komplett mit Historie und wie viele französische Leistung doch in den Tunnel geflossen ist und wie es den Franzosen (und nur denen) im Zug unten nun geht

Deutschland – Es wurde sachlich über den Eurotunnel berichtet, jedoch schnell die Frage gestellt „Kann sowas auch in Deutschland passieren“ zu dem dann deutsche Politiker befragt wurden, die keinen Bezug zum Thema hatten. Der nicht vorhandene deutsche Aspekt und die deutschen Politiker, die sich zu dieser Schlagzeile vor die Kamera bewegten, bekam prozentual genauso viel Zeit wie die eigentliche Neuigkeit.

Wenn man das so im Vergleich sieht, fällt einem erst auf, wie dämlich das doch ist. „Herr Politiker, sie haben zwar nichts mit Verkehr zu tun, noch mit dem Eurotunnel, oder sonstwie, doch bitte geben sie uns einen Kommentar für unseren Bericht.“

Raus aus dem Boot in ein anderes Fährgebäude. Das Geld für den Bus hatte ich diesmal wirklich nicht, also lief ich zur nächsten Bahnstation. Ich hatte mir diesmal die Kanji für die Bahnstation aufgeschrieben und auf meinem anderthalb-stündigen Gang zum Bahnhof begegneten mir gerade einmal 5 Personen, denen ich die Kanji zeigte und die mich dann auf den richtigen Weg schickten.
Im ersten Konbini seit Hokkaido frühstückte ich dann mit dem restlichen Geld, dass ich noch hatte.

Vorbei am Twitty Twister…


Tarantino Fans wissen Bescheid…

…Radfahrwegen die offensichtlich ein Betrunkener gemalt hatte….

…zum Bahnhof und in den Zug nach Sendai. Sendai war der erste Ort auf dem Weg nach Hokkaido und ich war froh, wieder hier zu sein. Ich rief meinen Freund in Aizu-Wakamatsu an und meinte, dass ich in ein paar Stunden da bin. Am Bahnhof ging ich dann noch in eine Bäckerei und kaufte mir für die letzten paar Yen einen Toast mit Spiegel-Ei drauf. Das erwähne ich, weil es ein wichtiger Punkt für den Plot ist.


Endlich mal wieder Zug fahren….

Einen Zwischenstopp gabs dann in… ich glaube es war Koriyama…

Jedenfalls recht langweilig da… Ich hatte auf dem Schiff meine langen Unterhosen ausgezogen, da ich ja nun in Honshu war, was ja nicht so kalt sein dürfte. Doch als ich in Fukushima ankam, fröstelte es mich dann doch sehr.

Und nach insgesamt 6 Stunden kam ich dann in Aizu-Wakamatsu an. Am Bahnhof begrüßte mich dann mein Freund, ein Deutscher, den ich das letzte mal im Oktober in Tokyo gesehen habe (er war auch bei der Wanderung auf den Ooyama dabei). Aizu-Wakamatsu liegt in den Bergen und war noch schneereicher als Sapporo. Über Eis und Schnee gingen wir zu seiner Wohnung, die fast so kalt wie ganz Aizu war.
Wir wollten dann durch die Stadt und was Essen, doch hier machte sich nun das Spiegel-Ei auf Toast bemerkbar, dass spontan wieder rauswollte.

Eine Stunde auf dem Klo später war um ich einige Gramm leichter und um die Erkenntnis klüger, kein Spiegel-Ei auf Toast in einer Bahnhofsbäckerei zu kaufen, dass da wer weiss wie lang schon liegt…

Wir gingen dann zum Ramen Restaurant gegenüber und es gab Oliven in einer Schale…


🙂

Aizu lächelte mich an, der nächste Tag konnte also nur gut werden.

Strecke diesmal: ca. 1000km, zwei Tage

Ho-Ho-Hokkaido:
Kapitel 1: Das weite Land
Kapitel 2: Lange Unterhosen FTW
Kapitel 3: Winterwunderland
Kapitel 4: Eiszapfen und das beste Klo der Welt
Kapitel 5: Der Wind bläst südwärts
Kapitel 6: Eingefrorene Samurai
Kapitel 7:Das Ende der Reise