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365 Tage Reflektion

Vor zwei Jahren flog ich nach Tokyo. Ich recherchierte große Geschichten und fotografierte interessante Kleinigkeiten. Vor einem Jahr kam ich zurück nach Berlin. Bilanz eines Heimkehrers.

Im Juli 2009 ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung: eine Reise nach Japan. Ursprünglich war nichts geplant. Aus Wochen und Monaten wurden ein ganzes Jahr. Und heute, vor genau einem Jahr, war die Reise vorbei. Seitdem war ich wieder in Berlin und, wenn ich ehrlich bin, wollte ich in der ganzen Zeit nichts sehnlicher als wieder weg.

Die ersten Wochen waren sicherlich nett. Es gab Brot, alte Freunde und Hausmannskost. Doch irgendwann ist man von all dem auch wieder satt. Es kommt die Frage auf: Was nun?

In Tokyo hatte ich eine berufliche Erfüllung und Freiheit gespürt, wie ich sie in Berlin nie kennenlernte. Meine naive Hoffnung, nun mit der Erfahrung aus Japan nach meiner Rückkehr auch eine andere Position in Berlin zu bekommen, hatte sich schnell verabschiedet. Ich war da, wo ich ein Jahr zuvor war: noch ein weiterer junger Medienfutzi in dieser Stadt.
Es stellte sich zunächst Nüchternheit und dann Frustration ein. Ich verlore meine Motivation und Leidenschaft für die Fotografie. Die wenigen Aufträge, die ich hier bekam, waren weniger erfüllend und spannend als sie es in Japan waren. Erst die Reise nach Palästina im Oktober brachte mir die Motivation zurück, auch wenn es nach wie vor nicht leicht fällt, sie zu erhalten.

Würde ich die Highlights des letzten Jahres auflisten, Palästina wäre sicher dabei. Viel mehr kommt dann aber auch nicht mehr. Während in Tokyo jeder Tag ein gewisses Abenteuer in sich barg, bot das mir bekannte Berlin nicht viel.

Doch ich denke, ich habe mich nie wirklich (wieder) auf die Stadt eingelassen. Mein Denken war nur davon bestimmt, wieder dorthin zurückzukehren, wo es spannend war und wo ich überhaupt eine Perspektive sehe. Ich sträubte mich, hier etwas langfristiges anzugehen, da ich meine Zeit in Berlin eh nur als temporäre Zwischenlösung betrachtete. So hab ich der Stadt nie wirklich eine Chance gegeben. Das es schlussendlich ein Jahr wurde, bevor es nun wieder in zwei Wochen Richtung Japan geht, hatte viele finanzielle und organisatorische Gründe.

Diese vergangenen zwei Jahre sehe ich als eine Einheit. Denn fast alles, was ich jetzt bin und die Aufträge, die ich mache, verdanke ich meiner Zeit in Japan, dem Material, was ich dort erstellt habe und den Kontakten, die ich in dieser Zeit knüpfte. Den Großteil meines Lebensunterhalts bestritt ich im letzten Jahr damit, alte Sachen aus Tokyo aufzubereiten und Medien anzubieten, oder in dessen Folge weitere Aufträge zu bekommen.

Die Zeit in Tokyo war arbeitsreich – mit allen positiven und negativen Konsequenzen die damit einher gehen. Das allgemeine Lebenstempo dort ist einfach höher, man bewegt sich schneller und macht mehr. Berlin ist entspannt, ja geradezu lethargisch verglichen mit Tokyo. Diese Umstellung des Tempos war nicht einfach, aber doch auch willkommen nach der anstrengenden Zeit in Tokyo.

Ferner noch: In Tokyo war meine Zeit von Arbeit bestimmt. Aufträge machen und neue ranziehen, die Miete verdienen und gleich daran denken, wie die nächste bezahlt wird. Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken, zum Reflektieren über die eigene Arbeit und Ziele. Und wenn ich eines in dem vergangenen Jahr gemacht habe, dann das.

Ich glaube, ich konnte im vergangenen Jahr die Qualität meiner Arbeit viel mehr steigern, als in dem Jahr in Tokyo. Meine Texte sind besser, meine Fähigkeiten mit der Kamera geschickter.
In Tokyo fuhr ich eine klare „learning by doing“-Strategie. Ich machte einfach die große Geschichte und fragte mich erst danach, ob sie überhaupt in meinen Fähigkeiten liegt. Damit bin ich auch ein paar mal an die Wand gefahren, aber oft genug brachte es Erfolg und mich ein Stückchen weiter. Die Kommunikation über diese Arbeit war allerdings sehr einseitig. Einer Redaktion gefiel der Beitrag oder eben nicht. Die Gründe für Absage oder Abdruck bekam ich nie.

In der Zeit in Berlin war ich und meine Arbeit oft der Kritik anderer ausgesetzt. Etwas, wovon ich gut profitieren konnte. Allein die Vorbereitung für die Uni in Hannover und die intensive Auseinandersetzung mit deren Studenten hat meine Art zu Fotografieren sehr weit vorangebracht. Die Zeit während des Praktikums, bei der ich mich seit drei Jahren das erste mal wieder in einem Team unterordnen musste, war ebenso aufschlussreich. Die jahrelange Selbstständigkeit ist ein bisschen wie auf einer Insel zu leben. Wenn aber drei Kollegen deine Texte lesen und dir jeder seinen Input gibt, und du den Beitrag dann zum 6. Mal verbesserst, schult das die Sinne und die Feder.

Im Blog hat sich im letzten Jahr, verglichen mit dem zuvor, auch weniger getan. Und wie auch an den Inhalten zu erkennen war, zehrte er ebenfalls stark von den Erfahrungen, die ich in Tokyo machte, und weniger vom spannenden Alltag in Berlin.

Auch wenn ich vor einem Jahr gelandet bin, ich bin in Berlin nie wirklich angekommen. Im Kopf war ich immer irgendwo zwischen den beiden Städten, weder komplett raus aus Tokyo, noch zuhause in Berlin. Und dazu gesellt sich jetzt bald noch Hannover als dritte Stadt.

Ich kann dabei meine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten:

Wirtschaftlich
Auftragslage in Berlin: mau
Auftragslage in Tokyo: ordentlich

Beruflich
Status in Tokyo: internationaler Fotograf und Journalist
Status in Berlin: Einer von 54 Milliarden Leuten die „was mit Medien machen“

Persönlich
In Tokyo: Gefühl von Freiheit und offenen Möglichkeiten
In Berlin: Frustration und „Wo haben sie studiert/wie alt sind sie? Was?? Sammeln sie mal noch drei Jahre Erfahrung bevor sie zu uns kommen.“

Gastronomisch
Japanische Küche: Frisch, gesund, variantenreich
Deutsche Küche: Kartoffeln.

Und auch wenn Deutschland noch drei Schnitzelpunkte kriegt, die Bilanz fällt eindeutig aus.

In elf Tagen fliege ich wieder nach Tokyo und bleibe für fünf Wochen. Danach noch eine Woche Berlin und dann vier Jahre mal sehen wie lange in Hannover.

„Mach erstmal ne Ausbildung“
„Geh erstmal zur Uni“
„Flüchte nicht immer nach Tokyo“

Das sind Sätze, die ich seit zwei Jahren und länger höre. Doch wenn ich auf meine Erfahrungen und vorallem meine Bilanz blicke, fällt mir es mir schwer, diesen Sätzen zu folgen.

Fritze hier und anderswo V

Die pünktliche Publikations-Pirouette.

Mein Artikel wird sogar auf dem Cover angeteasert

Artikel in UNICUM über das Studieren in Sendai

Seitdem ich für das Studentenmagazin UNICUM einen Artikel aus Tokyo schrieb, war ich bei denen als „der Japan-Futzi“ bekannt. Nach dem Erdbeben und dem Tsunami kam die Redaktion also auf mich zu und wollte einen Text über den Zustand von Studenten und Unis in der betroffenen Region, namentlich in Sendai.

Die Recherche dazu war schwierig. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Blogleser, die mir dabei geholfen haben. Es war schwierig, Kontakt zu Studenten herzustellen, da sie entweder Sendai verlassen oder ihr Haus und somit ihr Internet verloren hatten. Oder schlimmeres…


UNICUM, Ausgabe 6/2011, Seite 10

Am Ende fand ich doch noch einen gesprächigen Studenten, der mir bei dem Beitrag half. Auch wenn ich viel nachfragen musste. Sicherlich waren für ihn viele Sachen nicht so einfach zu erzählen. Dem Text habe ich nur so viel Dramatik beigefügt, wie es der Situation angemessen war. Er ist in der Juni-Ausgabe von UNICUM, online lesbar hier auf Seite 10.

Wenn der Kensei Sato im Text davon spricht, dass er von seinem Fenster aus die Trümmer am Strand liegen sieht, und wenn man dann weiss, dass viele Studenten an der Küste wohnten, kann man sich denken, dass er bei dem Blick aus dem Fenster auf die Reste der Häuser seiner Kommilitonen schaut. Im Text habe ich diese Formulierung explizit vermieden, aber beunruhigend ist die Erkenntnis schon.

Video: Trenntkonzerte

Für die Berliner Zeitung arbeite ich ja ab und an als Kameramann/Cutter, weil die online nun auch Videos haben wollen. Auf mein letztes Video bin ich dabei besonders stolz, vorallem wenn man die Umstände bedenkt. Wir haben 17 Minuten gedreht, davon waren zehn Minuten Konzert und sieben Minuten Interview. Während die Band spielte, konnten ich den Platz nicht wechseln und beim Interview spielte nebenan ein lautes Konzert. Es war sehr schwierig zu schneiden, damit auch alles synchron passt. Trotzdem ist der Ton gut geworden und es fließt alles schön organisch zur Musik.
Es geht um „Musik aus Müll“ bzw. wie sich Gegenstände noch so recyclen lassen, das gute Töne daraus entstehen.



Der P.R. Kantate im Video dürfte einigen vielleicht noch ein Begriff sein, das war der mit „Görli Görli“

Weblink -> trenntmusik

Berlin-Minsk für die Humboldt-Seite

Im Rahmen meines Praktikums schrieb ich auch einen längeren Bericht für die Seite der Humboldt-Universität in der Berliner Zeitung. Es geht um ein bislang recht wenig bekanntes Kapitel in der Berliner NS-Vergangenheit, das nun von Studenten erforscht wird. Ich schreib ja sonst fast nur Reportagen, da war ein reiner, langer Bericht mal eine nette Abwechslung. Auch um zu sehen, ob ichs noch kann.
Der Text ist nirgendswo online, nur als Bilddatei hier.

Weblink -> Berlin-Minsk

Diverses

Mein Text in einem Lehrbuch zum Journalismus

Hierfür muss ich etwas weiter ausholen: Eine Kollege in meiner Praktikums-Redaktion hat eine Tochter, 14 Jahre alt. Die kam mit ihrer Hausaufgaben zu ihm. Es ging um journalistische Textgattungen, als Beispiel war ein Kommentar aus der Berliner Zeitung abgedruckt. Mein Kollege half seiner Tochter bei der Aufgabe und sah zum Abschluss auf den Namen des Autors – meinen.

Ich wusste nicht, dass mein Text in einem Handbuch für jungen Journalismus abgedruckt wurde, noch warum gerade dieser es verdient hatte. Aber cool ist es schon, irgendwie.

Autor: Dr. Fritz Schumann

Wie schon ein paarmal erwähnt existiert ein Buch über Hiroshima mit mir als Autor. Weltbild.de hat dafür einmal „Fritz Schumann“ gegoogelt und das erstbeste Ergebnis in die Autorenbiografie gepackt. Das Ergebnis liest sich wie folgt:

Dr. Fritz Schumann, seit vielen Jahren an der SLFA Neustadt tätig, ist Fachbereichsleiter Weinbau mit Betreuung der Rebsortimente und Leiter des Römischen Weingutes Weilberg in Ungstein.

weltbild.de

Nun frage ich mich, was ein Dr. Fritz Schumann, Experte für Weinbau, mit Hiroshima und Japan zu tun hat?

Dr. Fritz Schumann ist mir dabei sogar ein Begriff. Da wir unsere Email-Adresse beim selben Provider haben und sie sich nur durch einen Punkt(!) unterscheiden, bekam ich schon manchmal seine Post zugestellt.

Die Russen im Freitag

Das Magazin der Freitag hat ein Interview mit den drei russischen Kunstfälschern geführt und fragte mich, ob sie mein Portrait der drei Brüder für die Ausgabe nehmen können. Das war auch das erste Mal, dass ich mit diesem Blog etwas Geld verdiente, da sie durch ihn auf meine Bilder aufmerksam wurden.

Wir einigten uns auf den üblichen Tarif und es lief auch alles prima. Dass sie das Bild dann auch für online verwenden wollten, klärten wir zwar nicht nochmal extra ab, war mir aber vorher klar. Ebenso auch, dass das ohne spezielle Vergütung passieren wird. Was mir allerdings vorher nicht klar war, und mich auch ärgerte, war, dass ein falscher Name als Urheber unter meinem Foto stand.

Ein Maxim Lustikov sollte das Bild gemacht haben. Die Redaktion des Freitag brauchte vier Tage und drei folgende Emails um den, laut Eigenaussage, „peinlichen Fehler“ zu korrigieren.

Eine Serie vorbei, eine neue beginnt

Meine Serie in der Berliner Zeitung, die nun schon seit Januar lief, endete Anfang des letzten Monats. Bevor ich nun in weniger als drei Wochen nach Japan düse, fotografiere ich die neue Serie (Trendsportarten für den Sommer) und die im Anschluss folgende Serie (Geständnisse) jetzt noch vorher ab. Wobei ich da im Zeitplan bereits arg hinterher bin…

…und zum Abschluss: headbangende Geishas

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=0WEKyoaV25k]

Eine Insel für die Holländer und ihre Dirnen

Der letzte Tag in Nagasaki. Die Ruineninsel Gunkanjima hatten wir am Vormittag verlassen und den Bus wieder in die Stadt genommen. Noch sieben Stunden bis zum Flieger Richtung Tokyo. Genug Zeit, um uns die Insel der Holländer anzugucken, auf der sie 200 Jahre lang mit ihren japanischen Kurtisanen lebten.

Wie Japan mit der Welt außerhalb umging, und mit den Barbaren, die aus dieser Welt stammen, war stets verschiedenen Trends in der Politik unterworfen. Vor der Meiji-Restauration, in der sich Japan dem Westen öffnete und rasant zur Industrie-Macht aufstieg, hatte das Land für knapp 200 Jahre für alle Ausländer seine Grenzen dicht gemacht.
Alle Ausländer? Nein, ein kleines gallisches Dorf eine künstliche Insel vor der Küste von Nagasaki wurde exklusiv für die niederländische Ostindien-Handelskompanie eingerichtet: Dejima.


Eine Insel in der Insel. Modell der Insel auf der rekonstruierten Insel Dejima in Nagasaki

In der deutschen Wikipedia gibt es eine sehr ausführliche Geschichte der Insel Dejima, inklusive aller Holländer, die dort jemals stationiert waren. Ich möchte mich hier nur auf zwei Aspekte beschränken:

– Viele Erfindungen, Wissen und Technik, welche Japan schlussendlich die Industrialisierung im Rekordtempo ermöglichten, kamen durch diese Insel in das Land. Darunter auch die Elektrizität und viele medizinische Erkenntnisse, die u.a. bewirkten, dass bis heute in der japanischen Medizin viele Begriffe aus dem Holländischen und Deutschen entliehen sind

– Die Holländer, die auf der Insel stationiert waren, durften sie nicht verlassen. Es war mehr oder weniger ein Gefängnis, an dem nur einmal im Jahr ein fremdes Schiff landen durfte. Die Japaner durfte allerdings uneingeschränkt auf die Insel, sie studierten dabei die Westler und ihre Erfindungen. Ihre Familien durften die Holländer nicht mitbringen, doch diese Lücke füllten die japanischen Kurtisanen.

Kurtisanin ist ein altes Wort für Dirne, was wiederum ein altes Wort für Prostituierte ist. Während es den Holländern untersagt war, die Insel zu verlassen, herschte bei den Dirnen freier Verkehr konnten sich die Damen frei durch die Tore bewegen.


Dejima, 1729 / Quelle: wikipedia.org

Die Insel, inzwischen von der Stadt überwachsen und fast im Zentrum, statt an der ursprünglichen Küste, wurde rekonstruiert und als Freilichtmuseum eingerichtet.

Die modernen Bauten im Hintergrund zeigen, dass die Zeit der Samurai vorbei ist. Auch wenn sie sich hier noch treffen.

Die Sicht, die die Holländer damals auf die Bucht hatten, ist nun von der Firma Nakashima und noch mehr Stadt verdeckt.

Alle Gebäude sind betretbar und zeigen verschiedene Aspekte der Geschichte von Dejima.

Gefundene Artefakte und Knochen von Haustieren.

Einmal pro Jahr machte sich eine Reisegruppe von Holländern und Japanern auf den langen Weg nach Edo, dem heutigen Tokyo, um den Kaiser Geschenke zu bringen, damit er sie noch etwas länger duldet. Ab 1790 mussten sie nur noch alle vier Jahre zum Kaiser. Vielleicht hatte er nach dem 12. Holzschuh nicht mehr so viel Lust auf Geschenke aus Holland hatte er anderes zu tun.

Es gibt viele Illustration aus dieser Zeit, die zur Dokumentation und zum Studium angefertigt wurden. Wenn man dann aber weiss, dass die einzigen Frauen auf der Insel nun eben Dirnen waren, nimmt man diese Bilder ganz anders wahr.

Nun waren das natürlich andere Zeiten. Die Tafeln im Museum übersetzen die Berufsbezeichnung der Damen auch nicht als „Hure“ sondern als Kurtisanen, die eben nicht nur für eine schnelle Dienstleistung zur Verfügung standen, wenns mal einsam wurde auf Dejima. Nicht nur die körperlichen Bedürfnisse der Holländern waren ihnen wichtig, sondern auch das Seelenheil der Reisenden, hier, allein in einem fremden Land. Einige Damen bekamen sogar eigene Quartiere auf Dejima geschenkt und begleiteten die Forscher und Händler aus dem Westen über Jahre.

Die Räume in den Häusern auf Dejima sind im schicken Kolonialstil gehalten, inklusive Tapete im Stile des 18. Jahrhunderts.

Ich glaub nirgendwo sonst auf der Welt waren die Kolonialherren so unter Kontrolle der Bewohner wie in Japan. Daher wird dieses Kapitel auch nicht so negativ betrachtet wie in anderen Ländern. Es war zu beiderseitigen Vorteil:

Die Holländer hatten das Monopol auf Waren und Kultur aus Japan (was sie zwar offiziell nicht exportieren durften, aber trotzdem machten). Die Japaner hingegen hatten so einen direkten Draht zum Westen, ohne ihm komplett ausgeliefert zu sein.


Tisch, Teppich und Tatami

Ich glaube, auch wenn die Insel de facto ein Gefängnis war, ging es den hundert bis zweihundert stationierten Holländern hier ziemlich gut. Sie hatten ein ganzes Land zu entdecken, Kurtisanen und Häusern mit Sicht aufs Meer.

Auch wenn die Aussicht mittlerweile auf eine Straßenbahnlinie und Parkplatzgebäude fällt.

Auf derselben Insel, aber gebaut nachdem Japan sich öffnete und auch die Holländer freigelassen hatte, war ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. „International Club Nagasaki“ stand vorne dran. Der Club wurde gegründet von den Nachkommen der Holländer und anderen ausländischen Besuchern. Ich denke, wenn man 200 Jahren allein auf einer Insel nur mit Kurtisanen verbringt, entstehen viele Nachkommen.

Das Gebäude diente ebenfalls als ein Museum, zeigte aber eine andere Epoche. Man merkte den alten Fotos an, dass die Japaner inzwischen auf Augenhöhe mit den Westlern waren. Sie übernahmen ihren Stil, ließen sich in Anzug fotografieren und spazierten lachend mit den Fremden durch die Straßen eines Nagasaki im 19. Jahrhundert.

Es war gerade Fußballweltmeisterschaft, in mehreren Fernsehern liefen die letzten Spiele in einer Schleife und an der Wand hingen die Flaggen der letzen vier verbliebenen Mannschaften. Und Japan.


Eine Flagge aus Uruguay, die neben Spanien, Deutschland und Holland eigentlich im Halbfinale spielten, konnte wohl nicht gefunden wurden. Warum dann der britische Union-Jack genommen wurde, verstand ich nicht

Im internationalen Club wurde ich gefragt, ob ich aus Holland komme. Nein, aus Deutschland, sagte ich, und man gratulierte mir gleich zum jüngst gewonnen Spiel von Deutschland in der WM. Ein älterer Angestellter wollte von mir wissen, ob ich Franz von Siebold kenne. Der Name war mir tatsächlich aus dem Biologie-Unterricht noch bekannt, auch wenn ich ihn nicht einordnen konnte.

Siebold war auch eine zeitlang auf Dejima, als einziger Deutscher, wie mir der Angestellte sagte. Er fragte mich, ob er wohl ein Spion gewesen sei, da ja eigentlich nur Holländer auf der Insel erlaubt waren. Schon möglich, sagte ich, und verschwieg, dass eigentlich noch andere Europäer auf der Insel lebten.
Nun sagt man ja, dass Westler Asiaten schlecht unterscheiden können und umgedreht soll es ebenso sein. Und die meisten Deutschen können gesprochenes Koreanisch wahrscheinlich auch schwer von Japanisch unterscheiden. Doch dass Siebold etwas anders sprach als seine Kollegen auf Dejima, fiel den Japanern auch auf. Damals wurde das damit begründet, dass Siebold aus einer bestimmten Region in Holland stammte, in der eben ein anderer Dialekt gesprochen wird. So wurde der Deutsche kurzerhand zu einem Berg-Holländer erklärt und keiner fragte mehr.


Dicht an dicht wächst die Stadt den Hügel hinauf

Wir verließen die Insel und besuchten noch kurz das China-Town von Nagasaki. Neben den Holländern waren die Chinesen die zweite, große ausländische Kraft, die während Japans Abschottung in Nagasaki noch Handel betreiben durfte.

Wir machten uns dann noch auf den Weg Richtung Zentrum, zu einer Kirche, auf einem Hügel mit Aussicht.

und… AAAHHHHH… da war er wieder…

Das Christentum hatte sich in Nagasaki halten können. Tote gab es aber während des Verbots der Religion auch hier. Ihnen zu Ehren wurde ein Denkmal und ein Museum errichtet.

Das Denkmal der 26 Märtyrern beeindruckte auch dieses kleine Fernsehteam, während sie noch auf ihren Kameramann warteten.

Dann in den Bus und ab zum Flughafen. Die Sonne verabschiedete sich über der See, als wir Nagasaki das letzte Mal sahen.

Mit dem Flieger Richtung Tokyo endeten fünf Tage in Nagasaki, die ich vor knapp einen Jahr dort verbrachte und fast ebenso lang im Blog nacherzählte. Aber glaubt mir, hätte ich die ganze Zeit Kurtisanen neben mir gehabt, hätte es wahrscheinlich noch länger gedauert.

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Die Nagasaki-Nacherzählung:

Teil I – Nach Nagasaki, der Insel wegen
Teil II – Nagasaki, Stadt im Regen
Teil III – Buddha und die zerstörte Stadt
Teil IV – Gräber, die die Stadt hinauf wachsen
Teil V – Die touristenfreundliche Ruine im Pazifik
Teil VI – Eine Insel für die Holländer und ihre Dirnen

Berlinale Nachklapp, Teil 2

Bei den 61. internationalen Filmfestspielen in Berlin, der Berlinale, war ich im Programm „Close Up!“ von C/O Berlin als einer von 18 Fotografen dabei. Während der Berlinale habe ich hier jeden Tag ein Foto und Notiz hochgeladen und eine Art Berlinale-Tagebuch geführt. Hier nun der Rest vom Fest.

30°C hat es heute in Berlin. Das bedeutet, dass seit der Berlinale nun schon zwei Jahreszeiten vergangen sind. Trotzdem: hier nun das, was von der Berlinale übrig blieb.

Übrigens ist der 2. Teil zum Nachklapp der Berlinale auch der 202. Beitrag im Blog. Den 200. hab ich verpennt. Wird langsam etwas voll hier, wa? Tüftel seit Monaten an nem ansprechenden Inhaltsverzeichnis um die ganze Artikel ordentlich zu verwalten, komme aber irgendwie nie zur Fertigstellung…

Tag 7

Tag 8



Der Herr vom japanischen Fernsehen, erkennbar am Salaryman-Cosplay.



Das Leben eines Pressefotografen – Kippe und Kamera.

Letzter Tag

Auch ihre Schuhe hatten anscheinend Gänsehaut.

So, aus, vorbei, genug Berlinale. Ab in die Sonne!

Berlinale 2011:

Berlinale bei nahe
Berlinale Nachklapp, Teil 1
Das drittälteste Kino von Berlin
Berlinale Nachklapp, Teil 2