Tellerwäscher in Tokyo und andere Misserfolge #02

Warum aus einer Karriere als Tellerwäscher in Tokyo nichts wurde, warum ein Bankkonto in Japan nicht unkompliziert zu bekommen ist, warum ich einen Chinesen am Flughafen besuchen wollte und warum ‚Erfahrung‘ keine Miete zahlt, soll hier erzählt werden.

Ich bin mit dem Bloggen arg hinterher. Das liegt daran, dass mich letzte Woche ne heftige Erkältung mit hohen Fieber erwischt hatte. Eine Nacht wurde mir im Badezimmer sogar schwarz vor Augen deswegen, ich kippte um und dann lag ich da erstmal ne Weile. Ist zum Glück nix passiert und wenn man es so erzählt klingt es auch eigentlich recht lustig. Drei Tage nachdem meine Krankenversicherung mich rausschmiss werde ich krank. Hat bestimmt irgendwas zu bedeuten…

Diese Woche bin ich mehr damit beschäftigt all den Kram zu erledigen, der sich angesammelt hat und erledigt werden muss (Versicherung, Aufträge, Anträge, nerviger Scheiss eben…). Wenn das erledigt ist muss ich erstmal mein Leben für die nächsten Monate organisieren, da das Gefühl von Stillstand im Alltag mich noch nicht so ganz verlassen hat und ich überlege, was ich als nächsten großen Schritt angehen möchte. Viel Kram zum drüber nachdenken, sich Sorgen machen und blah blah…

In der Zwischenzeit, mehr (hoffentlich) unterhaltsame Misserfolge aus Tokyo:

Tellerwäscher im Goethe-Institut

Ein Auftrag führte mich schon in meiner vierten Woche in Tokyo ins Goethe-Institut. So sah ich auch schon früh das dortige Restaurant, dass für die Mitarbeiter des Instituts die Kantine ersetzt und Speisen aus der Heimat kocht. Mit einem jungen Japaner, Hiro, kam ich ins Gespräch, als er vor dem Restaurant die Menütafel beschrieb. Er war schon einmal zwei Jahre in Deutschland, allerdings als Sushi-Koch nur in der Küche, wo er nicht viel Deutsch lernte. Sushi hatte er nie gelernt, aber er war eben der Quotenjapaner für ein Restaurant in Baden-Würtemberg, wie er sagte. Wir waren einander gleich sympathisch, vorallem sein glückliches, breites Grinsen unter den ungekämmten Haaren lud zu einem Gespräch ein. Er war auch froh, mal mit einem Deutschen in seinem Alter zu sprechen, denn hier im Haus arbeiten nur Ältere (abgesehen von den Studenten, die hier ihr halbjährliches unbezahltes(!) Praktikum absolvieren).

Ich meinte, ich suche eine Job und überlege hier im Restaurant anzufangen. „Oh ja bitte“, sagte er, unwissend wie schlecht mein Japanisch ist.
Ich ging also rein und machte irgendwie klar, dass ich Arbeit suche. Fürs Personal war die „Madame“ zuständig, die Frau vom Chef und als solche, wie so oft in Japan, zuständig für Finanzielles und den Betrieb.

Ihre ersten Worte auf Japanisch konnte ich verstehen:

Sie: „Sprichst du Japanisch?“
Ich: „Etwas…“
Sie: „Englisch, Deutsch?“
Sie: „Klar!“
Sie: *seufz* „Ich sprech kein Englisch und kein Deutsch. Was machen wir jetzt?“
Ich lächelte und meinte nur: „Das geht schon“

Es ging nicht.
Mir wurde nur gesagt, dass ich in einer Stunde wiederkommen soll, da geht es los mit dem Betrieb.
Ich war hungrig und ging umher. Was man mir nicht sagte, vielleicht aus Strafe weil ich kein Japanisch kann, war, dass es eine Viertelstunde vor meinem mir angesagten Termin, Mittagessen für alle gab. So wurde es mir erklärt von zwei jungen Geschwistern, mit deutschen und japanischen Eltern, die beide Sprachen konnten und jetzt im Sommer in Tokyo waren. Um der Langeweile daheim zu entgehen, fingen sie hier einen Job an und erklärten mir alles – was nicht viel war, da ich mich explizit als Tellerwäscher gemeldet hatte.

Tja und was soll ich sagen, die Teller waren noch nie so schnell sauber. Wohl weil das sonst keiner macht, da bei so wenigen Gästen keine Eile besteht. Trotzdem kam der Koch alle paar Minuten in mein Kabuff und überprüfte meine Arbeitsbereitschaft.
Die streng wirkende Madame sorgte sich indes um meine Gesundheit, ob ich denn auch gegessen habe, ob ich Durst habe oder ob mich meine langen Haare störten. Ich verstand sie zwar, erwiederte allerdings immer nur das selbe „Alles in Ordnung“, welches sie wohl für meinen gesamten japanischen Wortschatz hielt.

Am Ende des Abends gab es ein paar köstliche Reste (Schwarzbrot!) und ein gegrinstes „Entschuldigen Sie Bitte“ vom Chefkoch, was peinlich berührt rüberkam. Er sagte mir, dass es hier keine Arbeit für mich gebe, weil sie jemanden mit Japanisch-Kenntnissen für das Kellnern brauchten. Trotzdem gab es eine ordentliche Bezahlung für 4 Stunden Tellerwaschen, gefolgt von einer Hatz zum Bahnhof um den letzten Zug zu erwischen. Die beiden Geschwister sah ich dann nie mehr wieder und ich verschwitzte es auch, ihren Namen zu notieren.

Wen ich allerdings mehrmals wiedersah, waren Hiro, der Kellner und Madame. Madame war jedesmal peinlich berührt, teils aus Fürsorge, teils aus Hilflosigkeit darüber, wie jetzt mit mir umzugehen ist. In den folgenden Monaten, wenn ich sie mal im Goethe-Institut sah, war sie immer ganz überrascht und fragte, ob ich Arbeit habe. Ich verneinte das oft, und sie schrieb sich jedesmal erneut meine Telefonnummer auf.


Veranstaltung im Goethe-Institut

Hiro traf ich dann erstaunlich oft im Goethe-Institut wieder, jedesmal vor dem Restaurant. Er schob Sonderschichten, oft 7 Tage die Woche, um sich einen Sprachkurs leisten zu können und nach Deutschland zu gehen. Oben im Goethe-Institut sah ich ihn mal bei einem Sprachtest mit einem der Lehrer, die ihn dann danach ins Programm aufnahm. Ob Hiro inzwischen die Welt von Madame verlassen hat, ich weiss es nicht.

Bankkonto bei der citibank Tokyo – oder „Do you speak English?“

Meine dritte Wohnung in Tokyo, das Haus mit den zehn Mitbewohnern in Nakano, machte es zur Pflicht, die Miete per Überweisung vom Bankkonto zu bezahlen. Ich hatte keins, wurde ich doch oft in bar bezahlt oder die Überweisung ging auf mein deutsches Konto. Ständig von meinem Vermieter ermahnt, suchte ich nun eine Bank. Mit mangelnden Englischkenntnissen dachte ich, bei der internationalen citibank auf verstehende Ohren zu stoßen. Auch ein bisschen mit dem naiven Blick, mit einem japanischen Bankkonto auch in Zukunft von japanischen Stellen bezahlt zu werden.

Im Internet kündigt citibank auch groß an, für internationale Kunden bereit zu stehen, und nach etwas Suchen fand ich auch eine Filiale in der Nähe.

Von ewig grinsenden Damen in kurzen, engen Kleidern wurde ich an einen Schalter gelotst. Von hier an entstand ein lustiges Spielchen von „Angestellte wechsle dich“, da die erste schnell mit ihrem Englisch kapitulierte. Sie holte eine Kollegin heran, die dann allerdings auch bald aufgeben musste, sodass bald die dritte Kollegin antanzte, welche dann zusammen mit der ersten Dame an meinem Fall arbeitete.

Das Gespräch lief eigentlich sehr gut. Die Dame hatte auch ein paar Monate in Hamburg gelebt und war sehr neugierig daran, wie ich hier mein Geld verdiente (über die normalen Pflicht-Fragen hinaus).
Mit einem Lächeln verließ ich sie und sie mich, wohlwissend dass das ganze Gespräch weit über ihren Feierabend ging.

Es sollten mich nun zwei Briefe erreichen, allerdings beide noch an meine alte Adresse. Einen konnte ich dort abholen, bzw. nur den Brief mit einem Hinweis, in welcher Postzweigstelle ich mir den Umschlag mit meiner Bankkarte abholen kann. Der Pin und alles weitere, was das Konto überhaupt brauchbar macht, sollten mit einem zweiten Brief kommen. Doch der kam nie.

In der Zwischenzeit hörte ich mich bei meinen neuen Mitbewohnern um, nach deren Konten in Japan. Es stellte sich heraus, das citibank mit 20€(!) monatlichen Kosten für das Konto, egal ob was drauf ist oder nicht, ein ziemlicher Griff ins Klo war. Ich dachte zuerst, alle Banken in Japan seien so, doch meine Mitbewohner lachten nur über diesen Gedanken.

Kurzum, das mit citibank verlief im Sande. Ich war ganz froh, dass kein zweiter Brief mehr kam und sah mich auch nicht genötigt, da noch einmal nachzufragen. Ein Bankirrtum zu meinem Gunsten, wie es wohl heisst.

Ich gründete dann kein Konto mehr und übergab die Miete, sofern ich sie denn überhaupt hatte, meinem Vermieter immer in bar. Fand er zwar nicht so cool, aber besser als kein Geld.
Sah ich ganz genau so.


Innenhof der Elite-Uni Toudai. Hat nix mit der Geschichte zu tun und füllt nur Platz.

Der Chinese am Flughafen

Ich hatte es schon ein paarmal angerissen gehabt, aber die ganze Geschichte würde ich doch einmal gern ausführlich erzählen:
Der Chinese Feng Zhenghu lebte ingesamt 92 Tage lang im Flughafen Narita, dem internationalen Flughafen von Tokyo. Eine Freundin, die mich in Tokyo besuchte, erzählte mir ursprünglich von ihm und wie sie ihn bei ihrer Ankunft in Tokyo gesehen hat. Ein bisschen Recherche ergab dann, dass der chinesische Menschenrechtsaktivist Feng Zhenghu es mehrmals versucht hatte, wieder nach China einzureisen, ihn dort die Behörden allerdings postwendend wieder zurück ins Flugzeug nach Japan schickten und nicht ins Land lassen wollten. Als Protest zog er dann ins Terminal von Narita, auch wenn Japan ihm ein Visa angeboten hatte und der Chef vom Flughafen ihn sogar einlud, den Terminal zu verlassen. Doch der Chinese protestierte lieber weiter, twitterte regelmäßig und veröffentlichte Bilder von sich auf Flickr.

Berichte über ihn gab es wenige. Denn er war in einem Bereich vom Flughafen, in dem man so einfach als Journalist nicht reinkommt. Alle Beiträge über ihn stammten von Journalisten, die quasi auf der Durchreise in Tokyo waren und ihn noch kurz vor oder nach dem Flieger auf Band mitnahmen.

Ich fragte mich, wie man denn in einem Flughafen leben kann, vorallem in einem Bereich, wo keine Restaurants mehr sind und wo man wegen Nahrung und anderer Utensilien auf die anderen Fahrgäste angewiesen ist. Ich wollte ein, zwei Tage mit ihm zusammen hinterm Terminal leben und seinen Alltag intensiv dokumentieren. Das hatte vorher keiner gemacht und auch für mich als Fotograf wäre es eine intensive Gelegenheit gewesen, mich weiter zu entwickeln.
Ich schrieb den Flughafen an.

Wider Erwarten stimmte der recht schnell meinem Gesuch zu, allerdings nur unter der Bedingung, dass ich einen Presseausweis vom Auswärtigen Amt von Japan bekomme, ein sogenannter „internationaler Presseausweis“. Ich hatte zwar einen Presseausweis, auf dem auch groß steht, dass er international gültig ist, doch der Flughafen verlangte einen besonderen Ausweis. Schließlich lebte der Chinese in einem besonders gesicherten Bereich, hinter der Passkontrolle.


Quelle Feng Zhenghu am Flughafen

Von hier an begann ein Kampf mit den Dokumenten und den Ämtern. Denn für einen internationalen Presseausweis musste ich zum „International Press Center“ von Tokyo. Ich vertat mich zuerst mit all den Amtsbegriffen und dachte zuerst, dass dieses Press Center eine Abteilung des Auswärtigen Amts war.
Nachdem ich dort durch die Sicherheitskontrolle war und jemand herantelefonierte wurde, der verstand was ich die ganze Zeit mit „Press“ meinte, wurde mir gesagt, dass ich in ein anderes Gebäude musste. Die Öffnungszeiten dort waren zwar schon vorbei, doch japanisch höflich rief das Auswärtige Amt schnell durch und meinte, da kommt noch jemand vorbei.

Eine lethargisch wirkende Dame guckte mich im internationalen Press Center mit glasigen Augen an und fragte mich mit leiser Stimme, was ich hier will. Ich sagte, ich hätte gerne einen internationalen Presseausweis, hier im internationalen Press Center. Ohne ein Wort ging sie zurück in ihr Großraumbüro, gab mir ein Formular und bat mich es auszufüllen. Zu dem Formular brauchte ich auch ein paar Dokumente, die ich natürlich dabei hatte. Schließlich hatte ich mich informiert.

Ich brauchte unter anderem nämlich eine Bestätigung von einem Medium, dass ich regelmäßig für sie aus Japan berichte. Als freier Journalist mit kaum Kontakten zu Redaktionen, der ich damals war, hatte ich es natürlich schwer, so etwas zu bekommen. Eine definitive Bestätigung, dass jeder Beitrag aus Japan auch abgedruckt wird, existiert auch nicht für Freiberufler. Ich bat eine befreundete Redakteurin um einen Gefallen und bekam das Nächstbeste: eine Bestätigung, dass meine Beiträge aus Japan für eine Veröffentlichung in Erwägung gezogen werden. Dazu gabs noch einen Abdruck eines Beitrags über den Seijin no Hi vom letzten Monat, dessen Belegexemplar mir per Post aus Berlin geschickt wurden.

Ich füllte nun also das Formular im internationalen Press Center aus und gab sie mit dem Rest der Dokumente an die lethargische Dame. Nun ja, man muss ihr aber auch anrechnen, dass es schon ne halbe Stunde nach Feierabend war, und sie nur noch für mich die Augen offen hielt. Stellte sich heraus, dass schonmal jemand von der Berliner Zeitung hier im Büro in Tokyo vor mehr als zehn Jahren vorstellig wurde. Also musste ich keine detailierte Angaben zu meiner Zeitung machen (Auflage, Geschichte…), von denen ich mir das Meiste eh hätte ausdenken müssen.

Es brauchte nur noch ein Foto für die Akten. Im Erdgeschoss gab es einen Fotoautomaten. Damit ich den auch ja finde, wurde mir eine Karte überreicht und der beste Weg zum Automaten eingezeichnet. Es wurde mir sogar ein zweiter Automat eingezeichnet, falls der erste kaputt sei. Für diese Art der Fürsorge und Höflichkeit muss man die Japaner echt lieben.

Ich nahm den Aufzug des klassischen Art Deco Gebäudes in den Keller, wo ich mich in der Tiefgarage verlaufen hatte und von einem Wachmann, der sichtlich erfreut war in seinem Kabuff mal einen Menschen zu sehen, in die richtige Richtung gelotst wurde. Die Hälfte von dem Geld, was ich für den Monat noch zur Verfügung hatte, ging für Passfotos drauf, die derzeit an meiner Küchentür hängen. Eins davon brachte ich der Dame nach oben, die meine Dokumente soweit abgeheftet hatte. Es war soweit alles erledigt und ich fragte, wie lange ich denn nun auf den internationalen Presseausweis warten müsste. „Vier Wochen“, sagte die Dame. „Aber… ich komm doch den weiten Weg aus Deutschland…!“, sagte ich etwas verzweifelt und in der Hoffnung auf den Deutschen-Bonus, der mir oft geholfen hat. „Deutschland?“, sagte sie, und lächelte das erste Mal seit dem Beginn unseres Gesprächs. „Na ich schau mal was ich machen kann“. Ich bedankte mich und radelte wieder nach hause. Keine zwei Wochen später bekam ich die Antwort.

Zu diesem Zeitpunkt war allerdings der Chinese schon wieder zuhause. Er konnte nicht warten, bis ich mich durch die Ämter und Formulare gekämpft habe und bis alle notwendigen Dokumente aus Deutschland eingetroffen waren. Er war glücklich wieder daheim, umarmte seine Mutter und verzehrte wieder chinesisches Essen, was ihm so lange fehlte.

Ich hingegen saß mit dem Dokumenten für einen internationalen Presseausweis (der eh nur in Japan gültig gewesen wäre) in Tokyo, um eine Erfahrung und ein Thema ärmer.
Aber dafür mit neuen Passfotos.

Tokyo-DeLuxe oder „Wir lieben deine Fotos, aber wir finden, wir sollten dir nichts zahlen“

Ein Tokyo-Fan und Unternehmer wollte eine Website machen, die den deutschen Tokyo-Reisenden mit etwas mehr Geld ansprechen sollte. Es sollte eine feine Auswahl an luxuriösen Hotels und teuren Restaurants in Tokyo auflisten. Für dieses Webportal suchte er einen Fotografen und ein Kontakt hatte mich empfohlen. Die Empfehlung ehrte mich natürlich und ich freute mich schon darauf teure und edle Ecken in Tokyo abzulichten.

Ich schickte ein paar Fotos rum, um ihm einen Überblick über meine Arbeit zu geben. Die Bilder kamen gut an und ich freute mich. Es verging etwas Zeit wo ich nichts hörte, doch mein Kontakt versicherte mir, dass das alles seriös ist.
Ein paar Wochen später kam auch die Mail, mit einer konkreten Liste von Fotos, die er gern verwenden möchte. Bzw. er schickte mir die erste Version der Website, wo er meine Bilder schonmal ungefragt verbaut hatte, weil sie seiner Meinung nach so gut passten. Prima, sagte ich, und fragte, wie er sich die Vergütung vorstellte. Seine Antwort war:

„Ja siehst du, ich hab auch mit meinem Geschäftspartner drüber gesprochen, wir lieben deine Bilder und würden die auch gern verwenden, wir finden aber wir sollten dir nichts zahlen, weil du ja noch Nachwuchs-Fotograf bist und die Erfahrung & Aufmerksamkeit ja auch gut sind.“

(Ich denk mir das nicht aus, das waren exakt seine Worte)

Ich sagte, dass Erfahrung keine Miete zahlt, und wenn ihm meine Bilder so sehr gefallen wie er sagt, er doch dafür auch zahlen kann. Viel mehr regte mich diese Mail von einem Deutschen sehr auf, weil es mich wieder an die Arbeit in Deutschland erinnerte, wo erst auf mein Alter geschaut wurde, und dann erst auf meine Bilder. Dieses deutsche Denken – „der ist jung, also auch nicht viel wert“ – meinte ich eigentlich in Tokyo entkommen zu sein. Doch es holte mich wieder ein.
Ich schrieb ihm meine Absage, mit dem Hinweis, dass er doch bitte keine Bilder von mir verwenden soll, sonst hört er von meinem Anwalt. Wir verblieben, dass wir bei seinem Besuch in Tokyo nochmal drüber reden. Von mir aus, sagte ich, aber ich erwartete nicht viel.


Eines der Fotos die er haben wollte

Im Mai war er dann eine Woche in Tokyo und hatte immer recht spontan für mich Zeit. Das heisst, er schickte mir immer so ein paar Stunden vorher eine Email mit dem Hinweis, wo er in ein paar Stunden für ein Treffen wäre, ohne die Möglichkeit ihn zurückzurufen, da er kein Handy in Tokyo hatte. Seine letzte Nachricht, an einem Tag den ich mir extra für ihn freigehalten hatte, kam wenige Stunden vor dem in der Nachricht angekündigten Treffen:

„Ja hey, wir sind jetzt im International Forum, in Roppongi, komm doch einfach her“

Das Tokyo International Forum ist in Yurakucho, Roppongi ist ein komplett anderer Bezirk. Meine Antwort war nur „Ja wo denn nun?“ doch es kam keine Reaktion.
Das war der letzte Kontakt mit ihm. Sein Webportal ist inzwischen online. Ohne meine Fotos. Dafür vielleicht auch nur mit gratis Fotos von anderen Nachwuchs-Fotografen, oder gerechtfertigt bezahlte Ü-30 Fotografen. Hauptsache das Alter stimmt, wa?

Nein.

Botschafter in Tokyo und andere Misserfolge #01

Berlin und Tokyo sind Partnerstädte. Ich als Berliner in Tokyo war kurzzeitig mal ein offizieller Botschafter der Stadt – der erste überhaupt, wie es sich herausstellte. Warum das am Ende keine Blüten brachte, genauso wie eine verpatze Doku über Deutsche in Tokyo, und ein Besuch vom Bamberger Bürgermeister, will ich hier erzählen.

Sonst geht es hier ja immer nur um mehr oder weniger erfolgreichen Kram, den ich mache und hier zur Schau stelle. Das nicht alle Projekte und Unternehmungen in Japan so funktionierten, wie ich mir das vorher ausmalte, sollte aber nicht vergessen werden.

Partnerstadt, zumindest auf dem Papier

Tokyo und Berlin sind Partnerstädte. Für meine berliner Ohren ist logisch, dass die deutsche Hauptstadt und die japanische Metropolregion verpartnert sind. Für manch einen anderen mag dieser Größenunterschied vielleicht zu ungleich sein. Doch wie Berlin ist auch Tokyo in Stadtteile eingeteilt, welche wiederum eine gegenseitige Partnerschaft aufweisen können. So ist der Bezirk Berlin-Mitte, wo ich in Berlin wohne, und der Tokyoter Bezirk Shinjuku, wo ich ein halbes Jahr lang in Tokyo wohnte, verpartnert. Das reichte mir schon als Grund, beide Städte einmal anzuschreiben.

Es war relativ früh während meines Japanjahres, ich war dem Land und seiner Bürokratie noch mit viel mehr Optimismus gegenüber getreten. Meine Idee war, mein Projekt zur jungen deutschen Fotografie junggesehen in Tokyo auszustellen, und im Umkehrschluss junge japanische Fotografen in Berlin zu zeigen. Ich selbst hätte dabei kein Gehalt von den Städten erwartet, sondern erhoffte mir nur Räume und Vertriebswege, wie z.b. Email-Listen, um die Leute zu erreichen.
Ich schrieb Berlin an.

Die Berliner Verwaltung ist relativ transparent. Wenn man ein Begehren hat, findet man in der Regel auf der eigenen Website auch einen Zuständigen mit eigener Email-Adresse. Die Bearbeitung vom Begehren kann dann, abhängig vom Ressort, ein paar Tage bis ein paar Wochen dauern. Ein kleines Beispiel aus diesem Marsch durch die Institutionen erlebte ich kurz vor meinem Flug nach Tokyo:

Zu junggesehen plante ich eine Ausstellung, in den Gewölben eines ehemaligen Wasserturms im Prenzlauer Berg, welche für Kunstprojekte offen waren. Ich war kurz zuvor in einer Ausstellung da unten gewesen und ich war sehr angetan vom Ambiente. Ich wollte das Gewölbe mieten, doch vorher musste ich Kontakt zum Betreiber bekommen. Ich schrieb also einen Zuständigen von der Stadt zum Thema ‚Gebäude‘ an, der mich an den Zuständigen für den Bezirk weiterleitete. Ein Copy und Paste später wurde ich zum Kulturbeauftragten des Bezirks weitergeleitet. Dieser wiederum verwies mich an den Betreiber des Gebäudes, welcher mich wiederum an seinen eigenen Kulturbeauftragten weiterleitete – welcher schlussendlich ablehnte, weil es da unten zu kalt sei, wie er sagte.
Der Mailverkehr begann im Mai, die letzte Mail kam zwei Tage vor meinem Flug.


Kleines Shooting aus dem Gewölbe unterhalb des Wasserturms

Ähnlich hoffnungsvoll schrieb ich nun die Stadt an. Die erste Reaktion war typisch: „Wir haben kein Geld“ und „Was wollen sie überhaupt?“. Als ich darüber hinaus war und versicherte wirklich kein Geld von Berlin zu wollen, wurde der Kontakt, nun ja, menschlicher. Ein bisschen Resignation las man immer aus den Emails heraus, denn man will schon gern mal was mit Tokyo machen, aber die, mit der ich Kontakt hatte, machte die Ost-Asien Beziehungen auch nur auf halber Backe, und sowieso fehlte es an Mitarbeitern. Ich bot mich an, da es ja schon den Vorteil gab, dass ich in Tokyo bin. Man leitete mich an eine Japanerin weiter, mit der ich dann einen Termin ausmachte.

Zuständig für alles in Sachen Partnerstädte war das „Shinjuku Multicultural Plaza“ – was groß klingt, aber im Endeffekt nur zwei Räume in einer Büroetage waren. Die Idee hinter dieser „Plaza“ ist es einen Ort zu schaffen, für die Begegnung von Ausländern und Japanern in Shinjuku, welches ja prozentual die meisten wohnhaften Ausländer von ganz Japan vorweisen kann. In einem Mix aus Büro, Bibliothek und Schulraum finden sich nun einige internationale Bücher, mit Impressionen und Sprachtutorials von Tokyos internationalen Partnern und an Tischen saßen vereinzelt Tutoren. Eine junge Französin mühte sich gerade an einem Japaner ab und verdiente sich wohl etwas dazu – nur mit der Sprache, natürlich.

Eine lethargisch wirkende ältere Japanerin starrte mich hinter einem Thresen an. Sie saß nur dahinter, weder tippte sie noch blätterte sie Alibi-mäßig in etwas. Ich wurde begrüßt und argwöhnisch abgeschätzt. Ich sehe doch etwas jung aus für einen Botschafter der Stadt Berlin, sagte sie. „Jaja, das höre ich häufiger“, sagte ich, lachte und verschob mein Alter auf ihre Nachfrage sechs Jahre nach oben.
Die Dame konnte etwas Englisch, stoß aber schnell an ihre Grenzen und ihre lächelnde Kollegin musste ihr aushelfen.

Ich erklärte was ich vor hatte, zeigte ihr das Buch junggesehen und erklärte, was es ist. Es gab respektvolle Anerkennung, aber auch schnelle Distanzierung bei der Frage, wie man das alles umsetzen kann. Ich brauchte ja nicht viel, nur einen Raum und eine Mailingliste. Da müsse man erst mal mit den Vorgesetzten sprechen und könne hier noch nix sagen.
Im Laufe des Gesprächs ging es auch um die bisherigen Leistungen der Shinjuku-Mitte Partnerschaft. Es stellte sich heraus, das pro Jahr eine Gruppe von Jugendlichen auf die Kosten der Stadt nach Tokyo eingeflogen werden, und im jährlichen Wechsel auch umgedreht. In diesem Jahr musste es wegen der Schweinegrippe ausfallen – so war zumindest die offizielle Begründung. Tatsächlich wird wohl der Mangel an Geld der Grund gewesen sein, denn Berlin wäre an der Reihe gewesen Flugtickets zu bezahlen. Mein Schriftverkehr mit der Stadt deutete schon so etwas an, und auch in dem folgenden Jahr wird wohl nichts passiert sein.

Notgedrungen optimistisch verabschiedete ich mich und schaute mir beim Hinausgehen noch die Bücher in den Regalen an. Es gab einen Bildband zu Berlin-Mitte, wo u.a. auch mein Haus zu sehen war. Es war ein komisches Gefühl die alte Heimat zu sehen, hier in einem kleinen, dunklen Büroraum, mehr als 9000km entfernt.

Nach diesem Treffen passierte nicht mehr viel. Mein Kontakt in Berlin wurde nach der nächsten Wahl abgesägt und ich musst mich bei einem neuem Typen vorstellen, der verheissungsvoll Platz für junggesehen im nächsten Jahr im Budget und Kalender freiräumen wollte. Zu beiden ist es nicht gekommen, denn es herschte bald Funkstille. Mehrere Versuche von mir etwas zu beleben ist irgendwo zwischen Deutschland und Japan im Sande verlaufen. Ich zog meine Konsequenz daraus und auch die Erkenntnis, wie es um diese Städtepartnerschaft wirklich bestellt war.


Ausblick aus der Multicultural Plaza

Der unprofessionellste Dreh meines Lebens

Ich als alte Medienhure stand schon oft vor der Kamera für ein Interview, meist bezogen auf Projekte, die ich machte. In Tokyo schrieb mich nun ein deutscher Filmemacher an, der u.a. etwas über mich und meine Zeit in Japan machen wollte, Überlebenskampf und so. Eigentlich war seine Idee „Deutsche in Tokyo“ ein Spitzenthema und ich war schon stolz da irgendwie reingeraten zu sein.
Es war ca. drei bis vier Wochen vor meinem Abflug und ich hatte eigentlich viele Aufträge zu bearbeiten. Für den Dreh nahm ich mir allerdings frei, schlief extra nicht um schon morgens für einen langen Drehtag bereit zu stehen.

Wir trafen uns zum Frühstück in einer kleinen Bäckerei in Shinjuku. Er war auch ein Ossi, kam grad für ein paar Wochen nach Japan um zu heiraten. Die Idee für eine Doku „Deutsche in Tokyo“ kam ihm erst hier, seine Ausrüstung, die er unter dem Tisch verstaute, hatte er hier geliehen. Er lud mich ein und ich erzählte von Japan, meinem Hintergrund in Berlin, meiner Familie und der Zukunft. Er hörte viel zu, ergänzte aber auch oft in langen Passagen Geschichten aus seiner Jugend. Nach einer Stunde Gesabbel sollte gedreht werden.

So, nun bin ich Fotograf, habe selbst schon gedreht oder bei Produktionen mitgewirkt. Ich weiss, was es alles für einen Dreh braucht und nahm es auch ein bisschen auf meine Schultern, ihm da entgegenzukommen. Er wollte ein Interview mit mir drehen, Fragen vor Tokyo Hintergrund. Wir liefen ein wenig umher um einen Hintergrund zu finden, der passte. Zwischen dem vielen Stativ-Getrage und -Aufgebaue war kein Hintergrund gut genug. Entweder wars zu sonnig, zu schattig, zu bewölkt, zu menschenleer oder zu voll. Oft fiel ihm das erst auf, als alles schon stand. Genervt von stundenlanger Lauferei in der Hitze, schlug ich meine Bude vor, die nicht weit weg lag.

Mein Haus in Nakano war neben mir noch von 10 weiteren Personen bewohnt. Ich habe da sehr glücklich gelebt, mit den Mitbewohnern habe ich mich sehr gut verstanden. Gegen Ende meiner Zeit hin zogen allerdings Leute ein, die, nunja, nicht auf meiner Liste der coolen Menschen stehen. Beide waren da, als wir ankamen.

Da war ein dummer Amerikaner – und er war wirklich so dumm wie man es von einem Ami erwarten kann. Ständig machten er sich über meinen schwachen deutschen Akzent lustig, stellte dämliche Frage zu Deutschland und führte sich auf, als würde das Haus ihm gehören. Der Doku-Filmer, mit miserablen Englisch war ein gefundes Fressen für ihn.

Die Andere war eine Halb-Französin/Halb-Vietnamesin, die in London lebte und in Deutschland studiert hat. Sie sprach fünf Sprachen fließend, u.a. auch Deutsch, was sie eigentlich zu einem guten Gesprächspartner hätte machen können. Doch mit ihrem egozentrischen Wesen und ihrer sturen Art zu Diskutieren, die, wie mir später jemand mitteilte, wohl der französischen Art zu diskutieren entspricht, sind wir oft aneinander gerasselt.

Da sie Deutsch konnte und Französin war, war der Dokufilmer nun erstmal mit ihr beschäftigt. Ich war genervt, waren denn jetzt schon Stunden ohne eine einzige Minute im Kasten vergangen und es sollte wohl noch längern dauern.
Er baute nun in der Küche alles auf, positionierte mich und stellte ein paar Fragen. Nach ein paar Minuten stellte er fest, dass das hier doch nicht alles vom Licht passt, und wir gingen aufs Dach, wo die Sonne unbarmherzig knallte.


Unser Dach

Oben baute er wieder alles auf und es folgte nun das erste längere, zusammenhängende Interview. Ich musste die Augen zusammenkneifen, weil die Sonne so hell war, und der Schweiss bildete glitzernde Perlen auf der Stirn. Nichtsdestotrotz hielt ich durch, bis wieder die Ansage kam, dass es hier oben doch nicht passt. Also wieder runter.

Die Französin, die ohne Arbeit in Tokyo war und nun mit sichtlichen Genuss den Trubel, auch um sie herum, genoss, becircte weiterhin den Ossi. Bei der Überlegung nach einem Drehort schlug sie ein Cafe, oben an der Straße vor. Ich protestierte, hatte ich denn schon Erfahrung mit Fotografieren in japanischen Cafés, wo es erstens immer zu dunkel ist und zweitens der Besitzer, mit Blick auf die anderen Gäste, großen Aktionen mit Kameras eher ablehnend aufgeschlossen sind.

„Wir probierens einfach mal Fritze“, sagte er, und genervt ging ich ohne mich nach ihm und seinen Stativ umzudrehen, voran.
Im Café erklärte ich mühselig auf Japanisch, was wir vorhaben. Die Inhaberin guckte genervt und lehnte ab. Für den Trubel mussten wir aber was bestellen, als setzten wir uns hin, während er Kamera und Stativ wieder unter einem kleinen Tisch verstaute.
Plötzlich sah er sich um und meinte, dass es ja doch recht dunkel ist hier. „Ach was?!“, sagte ich mehr als genervt, weil nun nach sechs Stunden immer noch nichts entstanden war und er einfach nur unprofessionell von einem Ort zum nächsten holpert. Ich erklärte ihm, dass er doch mal lieber auf mich hätte hören sollen, der seit einem Jahr professionell hier arbeitet, anstatt auf eine Französin, die ihn lieb anlächelt. „Hast Recht“, sagte er, und schwieg für einen Moment.

Ich wollte es dabei belassen und nur noch auf das Ende des Drehtages warten, da setzt er dem Ganzen noch die Krone auf. Er meinte, er nimmt mich nun wahrscheinlich nicht mehr in den Film, da er mit den paar Antworten, die er bisher auf Film hatte, unzufrieden war. Ich sagte, dass das an seine Fragen lag, die z.b. so persönlich waren wie „Wo sind wir hier?“ oder „Was gibt es hier in der Nähe?“. Wenn er keine Fragen zu meiner Person stellte, konnte er auch nicht erwarten individuelle Antworten zu bekommen. Dann fügte er noch als Begründung für eine Rauswurf aus dem Film an, dass ich nicht „stinknormal“ bin, sondern eben medienerfahren und meine Geschichte wäre zu interessant.

„Wie bitte?“, sagte ich, denn das konnte nicht sein Ernst sein. Schließlich wusste er über meine Geschichte Bescheid, bevor er mich anschrieb. Dass ihm das jetzt nach sechs Stunden Drehtag einfällt war einfach nur höchst diletantisch. So arbeitet man einfach auch nicht mit Menschen, wenn man erwartet, dass sie einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit für einen opfern sollen.

Angepisst, doch aber endlich mit dem Blick auf ein Ende dieses fürchterlichen Drehtags, bat ich ihn, mir doch wenigstens die paar Minuten des Materials zu geben, für meine eigene Erinnerung. „Ne das geht nicht, das macht man im Dokumentarfilm nicht.“. Ich fragte ihn, was denn seine Vorstellung sei, was ich aus diesem vergurkten Tag mitnehmen soll, wenn ich schon nicht im Film auftauche. Es gab keine Antwort, nur eine Rechtfertigung, was man denn als Künstler alles darf.

Mir platzte der Kragen. Ich musste ihm erklären, wie man mit Menschen respektvoll und professionell umgeht, dass man für einen Film und einen Drehtag zumindest mal eine grobe Linie haben muss, die man nicht alle 20min und alle zwei Französinnen komplett verwirft. Auch wenn ich vielleicht kein ausgebildetet Fachmann war, so hatte ich doch mehr Ahnung auf dem Gebiet als er.
Er sah auf die mittlerweile leere Kaffeetasse auf dem Tisch, unter dem sein Equipment lag, und entschuldigte sich mehrmals. Ebenfalls oft ergänzte er, dass ich ja Recht habe und er hofft, dass das hier nicht unsere „freundschaftliche“ Beziehung belaste.

Ich konnte ihn überzeugen, das Ding jetzt noch durchzuziehen. Wir gingen zurück zu meinem Haus und ich meinte, dass wir davor jetzt drehen. Er suchte eine Stelle aus, baute auf, stellte mir die von mir vorgegebenen Fragen zu meinem Leben, sagte der Französin Tschüss und ging zu seiner Frau zurück.

Am Abend kam noch eine Email mit einer Entschuldigung. Das war das letzte, was ich von ihm hörte. Zu dem Film, in dem neben mir noch zwei weitere Deutsche aus Tokyo zu sehen gewesen wären, ist es vermutlich nie gekommen.

Schade eigentlich, wäre es doch ein interessantes Thema gewesen, auch im Hinblick auf die Festlichkeiten zu 150 Jahre deutsch-japanische Freundschaft in diesem Jahr.

Bambergs Bürgermeister Besuch

Einer der wenigen deutschen Fotografen in Tokyo zu sein, bringt Vorteile. Vorallem wenn man auch gut vernetzt ist. Einer dieser Kontakte leitete ein Gesuch an mich weiter, von der Stadt Bamberg und seinen Symphonikern.

Bamberg’s Partnerstadt ist nämlich Nagaoka und der Bürgermeister besuchte nun zusammen mit dem Symphonieorchester Japan. Dabei spielten sie zunächst in Tokyo, in einer der besten Halle für klassische Musik, wie mein damals zuständiger Redakteur in Tokyo sagte, der in seinem Blatt die Bamberger Symphoniker sogar auf der Liste hatte. Nach Tokyo sollte es weiter nach Nagaoka gehen.

Bamberg hat, im Gegensatz zu Berlin, nämlich Geld seinen Bürgermeister und das Orchester um die halbe Welt zu schicken – im Sinne der Völkerfreundschaft.
Um über diesen Event in der Lokalpresse zu berichten und, wie ich vermutete, auch etwas für die Stadt-Präsenz mitzunehmen, brauchte es einen Fotografen und Journalisten der das vor Ort übernehmen konnte.
Mich.

Da das ein ziemlich großer Auftrag wa in meiner Anfangszeit in Japan, wollte ich wenig verkehrt machen. Ich schrieb meinen Vater an und fragte, was ich verlangen sollte. Die Summe, auch in Hinblick auf den Tokyo-Bonus und die weitere absehbare Verwendung, war in meinen Augen okay. Für das Lokalblatt war es allerdings zu viel.

Ich schickte mein Bedauern und fragte dann nach Presse-Karten, doch die waren dann natürlich aus.
Ein paar Wochen später sah ich mir den Beitrag der Lokalpresse dann online an. Natürlich war die Veranstaltung begeisternd, restlos ausverkauft und überhaupt ein Erfolg, der die Flugkosten rechtfertigt im typischen Tonfall eines Lokaljournalismus verfasst, und mit lächelnden, angeblitzten Gesichtern aus der Kompaktkamera bebildert.
Vielleicht war ihre Entscheidung mich nicht zu nehmen richtig, denn das hätte ich so sicherlich nicht hinbekommen.

Bamberg ist natürlich auch bei 150 Jahre Deutschland-Japan dabei…

Nichts ist so wie es scheint

Wieder ein Jahr älter…

Guter deutscher Film mit dem krassen August Diehl

Wollt ja eigentlich zwischen den Jahren noch ein paar Einträge schreiben, aber mich hat eine gewisse Endjahres-Lethargie und auch -Melancholie gepackt. Keine Aufträge, die Kamera seit fast zwei Monaten nicht mehr angerührt und doch eine gewisse unsichere berufliche Perspektive in dieser Stadt, nagen an mir an meinem 23. Geburtstag. Zudem hat mich pünktlich zum Geburtstag meine Krankenversicherung rausgeschmissen, erst im neuen Jahr werde ich wohl eine neue bekommen. Bis dahin darf ich mir kein Bein brechen.

Vor einem Jahr war ich zu meinem Geburtstag in einer kleinen Bar in Tokyo, wo ich von einer Geschichte erfahren habe, die maßgeblich dafür verantwortlich war, dass ich mich entschieden hatte im Land zu Bleiben. Denn vor einem Jahr fragte ich mich, ob das mit Japan alles noch Sinn hatte, ich brauchte Geld und eine neue Wohnung. Zu meinem Geburtstag gab es eine Antwort auf alle Fragen.
Zu diesem Geburtstag, ein Jahr älter, sind die Sorgen ähnlich. Ich brauch ne neue Versicherung, die mich als Selbstständigen keine astronomischen Monatsgebühren kosten, die dann mein geringes monatliches Einkommen übersteigen. Ich muss mir auch in dem Zusammenhang Gedanken über mehr Aufträge machen, die ich nur bekommen kann, wenn ich die Qualität meiner Arbeit steigern kann und mehr Kontakte zu Redaktionen bekomme. Jetzt bin ich noch mehr davon abhängig als noch vor einem Jahr, auch mit dem Hinblick darauf, dass ich dieses Jahr nochmal für ein paar Monate nach Tokyo möchte, und danach dann eventuell ein Studium inkl. Umzug bezahlen muss…

Wenn der eigene Geburtstag zwischen Weihnachten und dem Ende des Jahres liegt, wo nicht viel passiert und es draussen dunkel ist, hat man mehr Zeit für sich und seine Gedanken. Man lässt das Jahr Revue passieren.
Während bei mir im ersten halben Jahr in Tokyo noch jeden Tag etwas passierte, plätschert der Alltag seit meiner Landung nur unbefriedigend vor sich hin. Und mit Gedanken zwischen „Ich will wieder zurück!“ und „Vielleicht muss ich mich doch hier arrangieren…“ lässt sich kaum eine zufriedenstellende Lösung finden, so gefangen und gelähmt zwischen den Vorstellungen für die eigene Zukunft.

Natürlich war die Reise nach Palästina ein Highlight im letzten halben Jahr, aber daneben gabs nicht mehr viel.

Für das neue Jahr, was ja auch das neue Lebensjahr ist, was mag da wohl kommen. Ich könnt mal wieder einen Erfolg vertragen, in letzter Zeit gabs nur Kritik oder Absagen.
Man hat ja immer so eine gewisse Vorstellung, wo man in welchem Alter sein möchte. An seinem Geburtstag wird man dann vor vollendete Tatsachen gestellt, sofort ist man in dem Alter angekommen, für das man vielleicht andere Pläne hatte. Kein 23 einviertel, kein 23 fünfachtel, einfach nur 23. Wenigstens hat man dann ein Jahr Zeit sich drauf einzustellen.
Allerdings bin ich jetzt, ein Jahr älter, genauso unrasiert wie noch gestern mit 22. Man sieht mir mein Alter noch nicht an…

Frohes neues, wa!

In der Zwischenzeit arbeite ich immer noch an einem Inhaltsverzeichnis zum Blog, um all die vielen Einträge einigermaßen übersichtlich zu strukturieren. Die Galerie mit Einzelaufnahmen ist schon fertig.

analog – Palästina und Jerusalem

Geschäft für Kopftuchmode

Ich hatte es ja schon mal gesagt, meine analoge Kamera hat meinen Film gefressen. Von drei halbvollen Filmrollen waren nur noch zwei zu retten, und selbst die waren nicht komplett koscher – und das obwohl sie in Israel entstanden. Genug mit den schlechten Wortspielen, ich hab einfach das Wetter unterschätzt. Die Hitze machte der Mechanik zu schaffen und die hohe Lichtintensität hat den Film, den ich für diesiges Berliner Wetter kaufte, ziemlich ausgebrannt und ich musste im Nachhinein noch abdunkeln. Ein Freund meinte zu mir, dass man so an der intensiven Helligkeit auch die Hitze und Sonne vom Ort besser spüren kann.

Hier nun die analogen Bilder aus Jenin, Palästina und aus Jerusalem. Die Filme, die ich verwendet habe, waren der Kodak BW 400cn und Agfa APX 400.


Flüchtlingslager, im Hintergrund eine Moschee. In der Straße waren nur wir und zwei Kinder. Ein Junge versuchte seine Schwester nach hause zu kriegen, die laut weinte und nicht wollte.


Ein Frauenzentrum/Kindergarten/Jugendclub im Flüchtlingslager. Arabisches Graffiti.


In der Bibliothek des Hauses, mit vielen arabische Werken aber auch einige englische Bücher, die in den halbkaputten Regalen standen.


Ein Kindergarten im Frauenzentrum, in dem wir auch drehten. Während die Mädels ein Interview führten, holte ich meine Kamera raus und versuchte eines der Kinder abzulichten….


…was mit der analogen Kamera allerdings immer einen Moment brauchte, um Licht und Fokus einzustellen. Das Mädchen machte sich ein Spiel daraus und versteckte sich lachend vor meiner Kamera hinter den anderen Kindern, während ich noch am Fokus drehte. Ich veränderte meine Positionen um das Mädchen zu erwischen, und mit der Zeit versteckten sich alle vor meiner Kamera und rannten weg…


…laut lachend rannten sie aus dem Raum, immer meine Kamera im Blick…


…die Erzieherinnen hatten sichtliche Probleme den Haufen wieder unter Kontrolle zu kriegen…


…während das ganze Kinderlachen mit dem Interview aufgenommen wurde.


Eine Art Beauty-Center im Frauenzentrum, kein Zutritt für Männer. Die Frauen machen sich gegenseitig hübsch und bringen sich diese Fähigkeiten bei. Eine von unseren Mädels haben sie auch das Kopftuch gemacht…


…“das Kopftuch ersetzt die Haare“, sagte sie später, „daher wird auch viel Zeit investiert, es schön zu machen“.


Abdeckung der Außenterasse, die selten die heisse Sonne wirklich abhalten konnte


Küche des Essraums, eine warme Brise wehte immer leicht durch die Tür bis zur Terrasse


Pali-Katze, die den Schatten unter unseren Plastikstühlen sucht


Blick vom Dach, auf den Mond über Palästina, den man auch tagsüber im wolkenfreien Himmel sehen konnte


Freedom Theater im Flüchtlingslager, Freiheit in Palästina


Markt, Markt, überall Markt


Ob er ihr nachschaut?


Der Dattelmann


Jeder wollte immer mit uns reden. Reden, reden, reden. Ich versuchte immer mit anderen unterwegs zu sein, sodass ich nicht in Gesprächen festgenagelt werden, sondern Bildern machen konnte. Hier sind zwei palästinensischen Jugendliche im Gespräch mit einem von uns


Während wir am Laden vorbei gingen, der statt eines Schaufensters einfach eine offene Wand hatte, beobachteten uns die zwei Mädels hinten und tuschelten leise. Der Junge versucht uns in den Laden zu locken, doch hatte Pech.


Der Falafelmann.


Ende vom Markt, für diesen Tag

Jerusalem


Klagemauer


Eine steinerne Altstadt, mit dunklen Gängen und Gassen aus Granit… mit Überwachungskamera…