„Foto! Foto! Foto!“

Am 11.1. war der Seijin no Hi (成人の日 (=“der Tag der jungen Menschen“)) , ein nationaler Feiertag in Japan, an dem alle 20 Jährigen des Landes in einer Zeremonie zu Erwachsenen erklärt werden. Die Mädchen tragen dabei hübsche Kimonos, die Jungs sehen aus wie kleine Yakuza – und Ausländer werden bei der Zeremonie nicht gern gesehen.

Die Antwort zu einem vorherigen Beitrag vorweg: Ich bleibe noch ein Weilchen in Tokyo! Der 11.1. wäre eigentlich mein Flugdatum gewesen und gleichzeitig auch der Zeitpunkt, an dem schon ein halbes Jahr Japan hinter mir liegt. Wie die Zeit vergeht…

Eine Japanerin meinte zu mir, als ich mit ihr über diesen Termin sprach, dass dort doch auch der Seijin no Hi stattfindet, an dem viele japanische Mädchen in hübsche Kimonos schlüpfen. Sie sagte noch mehr, auch etwas über Chancen und Möglichkeiten in Japan, doch bei „japanische Mädchen“ hatte sie mich schon überzeugt.

Eine junge Dame, bekannt aus diesem und diesem Beitrag lud mich dann auch zu den Feierlichkeiten zu ihrem Seijin no Hi in Kawasaki ein. Der Andrang war gewaltig.

Über 8.000 Jugendliche aus ganz Kawasaki, die zwischen April des letzten Jahres und dem April diesen Jahres 20 wurden bzw. noch werden, fanden sich in festlicher Kleidung zusammen.
Den Ort zu finden war dabei nicht schwer, ich musste nur den Mädels im Kimono und dem kilometerlangen Stau mit gestressten Eltern und verkleideten Kindern auf der Rückbank folgen.

Das Schuljahr beginnt in Japan im Frühjahr, und so stammen alle Jugendlichen, die an diesem Tag gefeiert werden, aus demselben Schuljahrgang. Viele gingen zusammen zur High School, Junior High, Grundschule oder sogar Kindergarten. Es war eine große Wiedersehensfeier.

Die Jungs trugen dabei entweder einen westlichen Anzug, oder einen dunklen Kimono, der sie eher wie Samurai oder kleine Yakuza aussehen ließ.


(man achte auf die Tatoos vom Hintermann….)

Die Mädels trugen dabei einen bunten und den Wintergraden angepasster, vom Stoff etwas dickeren Kimono, genannt Furisode. Dieser ist schweineteuer, und viele können sich den nur leisten, in dem sie ihn eben für diesen einen Tag ausleihen – und selbst da sind die Kosten sehr hoch. Dementsprechend gerne zeigt man ihn dann vor und lässt sich vielfach ablichten.

Ich suchte nun eben die Dame, die mich hierzu eingeladen hatte. Mein Telefon machte allerdings Spirenzchen, sodass ich sie nicht kontaktieren konnte. Ich dachte, ich find sie bestimmt in der Masse. In der Masse von hübschen Mädchen und kleinen Gangstern.

Nach einer Stunde Suchen gab ich auf und beschloss, in die Halle hinein zu gehen. Man fragte mich nach einer Einladung, die ich nicht hatte. Ich konnte nur erklären, dass ein Freund von mir drinnen ist. Ich musste meinen Namen und meine Adresse angeben (wobei für Adresse in dem Fall nur „Tokyo“ gereicht hatte). Drinnen entfaltete sich eine riesige Halle mit Platz für mehrere tausend Leute.

Da die Hälfte der Leute noch draußen stand um ihr Wiedersehen zu feiern, war es drinnen überschaubar. Auf der Bühne saßen etliche Vertreter der lokalen Politiker, die nach und nach vorgestellt wurden und eine kleine Ansprache an die Jugendlichen hielten.

Die ganze Zeremonie soll sie auf die Pflichten im Leben eines Erwachsenen vorbereiten. Viele interessierte das, was die da oben erzählten, allerdings nicht sonderlich.

Man vertiefte sich lieber im mitgebrachten Manga…

…oder beschäftigt sich lieber mit dem Handy.

Mit 20 Jahren darf man in Japan Rauchen, wählen gehen und Alkohol trinken. Von letzterem Recht haben an dem Tag auch viele Jungs Gebrauch gemacht, und so auch andernorts bewiesen, dass sie eben noch nicht erwachsen sind.

Die dunkle Halle wurde oft von Gegröhle unterbrochen, das nur mit Schwierigkeiten unterbunden werden konnte. Einige waren auch viel zu cool um sich davon stören zu lassen.


(Sonnenbrille muss sein, auch in einer dunklen Halle)

Dieser Seijin no Hi ist vielleicht allenfalls vergleichbar mit der deutschen Jugendweihe, wenngleich die auch schon mit 14 Jahren stattfindet. Jedoch ist in Japan der lokale Bezug sehr viel stärker. Lokale Politiker gratulieren den jungen Erwachsenen und es wurde auch ein Film gezeigt, in der Leute auf der Straße ihre Glückwünsche in die Kamera sprachen. Zwischendurch wurden auch die letzten 20 Jahre in der Region betrachtet, welche wichtigen Ereignisse stattfanden oder Gebäude gebaut wurden, in der Zeit, in der die Jugendlichen auf der Welt sind.

Die Kamera immer drauf.

Salarymen in spe.

Nach dem offiziellen Programm trat dann noch eine Band auf. Die Halle füllte sich auf einmal sehr stark und alle drängten laut zur Bühne. Die Band wird wohl bekannt gewesen sein (vermutlich aus Osaka…?) doch ich hab den Namen nicht verstanden.

Die Dame, die mich eingeladen hatte, hatte ich zu dem Zeitpunkt übrigens immer noch nicht gefunden. Man betrachtete mich schon argwöhnisch. Denn bis auf die jungen Erwachsenen waren eigentlich keine Gäste erlaubt, nicht einmal die Eltern waren anwesend. Was denn der Ausländer mit der Kamera hier macht? Wird bestimmt ein Terrorist sein…
Einer von der Security fragte mich dann, ob ich zum Staff gehöre. Ich stammelte nur, dass meine Freundin hier irgendwo sitzt und das reichte ihm dann.
Ein anderer Futzi nahm das ganze etwas ernster, kam dann auf mich zu und signalisierte, dass Fotos machen verboten ist – während alle Japaner um mich herum mit Komptaktknipse und Kamera-Handy hantierten.

Ich steckte die Kamera dann erstmal weg und wollte warten, bis er abhaut. Doch er verfolgte mich unauffällig auf Schritt und Tritt. Irgendwann konnte ich ihn dann in der Menschenmenge abschütteln. Mein blondes Haar konnte man in der Dunkelheit zum Glück kaum vom glänzenden schwarzen Haaren unterscheiden…

Die Band heizte gut ein. Das Publikum war angetan.

Nur Tanzen konnte man in den Kleidern echt nicht.

Als die Musik aus war, drängte alles nach draußen. Ich hatte gehofft nun im Licht und der lichter werdenden Menge besagte Freundin entdecken zu können, doch Pustekuchen.

Draußen staute sich dann wieder alles:

Ich gab nun jede Hoffnung auf, in dieser Menschenmenge jemals diese eine Japanerin zu finden, die mich eingeladen hat.

Auf einmal ruft jemand meinen Namen von links.

Gleich drei Mädels kommen lächelnd auf mich zu. Es war besagt junge Dame mit ihren zwei Freundinnen, wunderschön im Furisode und mit Blume im Haar.

Ich hatte mich gefreut sie endlich getroffen zu haben und ein paar offene Fragen zur Veranstaltung beantwortet zu kriegen. Doch sie eilten fix voran, es mussten ja noch ehemalige Klassenkameradinnen getroffen (und der blonde Ausländer vorgestellt) werden.

Als dann der Satz fiel „…. er ist aus Deutschland und Fotograf“ kamen sie aus dem Staunen nicht mehr raus. Mit einem Mal hatte ich dann aber fünf Kameras in der Hand, mit der Bitte, von allen ein Foto zu machen. Und mit den Mädels da drüben auch. Und hier die auch noch. „Foto! Foto! Foto!“

Auch gegenseitig wurde zur Kamera gegriffen um den Moment, diesen Tag und vorallem diese Kleider festzuhalten.

Die Jungs zogen es dann aber vor, noch einmal einen auf King Kong zu machen, laut zu gröhlen und eine Botschaft zu verkünden (was immer die auch war…)

Man achte auf den Sicherheitsfutzi….

Die Damen mussten dann schnell weiter, die Familie wartete bereits. Andere machten sich auch fix auf den Weg nach hause – immer in eleganten Tippelschritten, was anderes it mit diesen Zōri Sandalen auch nicht möglich…

Für die Berliner Zeitung habe ich einen Artikel über den Seijin no Hi geschrieben, der ist heute in Berlin erschienen. Online gibts ihn hier:

Berliner Zeitung vom 18.01.2010
Link:
Erwachsenwerden auf Japanisch

Gesamt eine runde Veranstaltung, auch wenn ich danach erst einmal wieder Bilder von hässlichen Männern anschauen musste, das war an dem Tag einfach ein Kawaii-Overkill…

4 Gedanken zu „„Foto! Foto! Foto!““

  1. Tolle Fotos!Und der Vergleich mit der Jugendweihe hinkt garnicht soooo sehr.
    Ja, die Japaner sind in der Regel 6 Jahre aelter, aber irgendwie trotzdem noch auf dem Stand eines deutschen 14-Jaehrigen…….

  2. Hey, die drei jungen Damen kamen mir doch gleich so bekannt vor!Hab Deinen Artikel in der Berliner Zeitung gelesen und nun mit Staunen den „Zusammenhang“ zwischen Artikel und dem Blog, den ich seit einer Weile verfolge, bemerkt.

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