Wie konnte das nur passieren?

Wie mein Foto auf das Cover einer Zeitschrift in Japan gelangte.

Cover vom Japanzine magazine, Januar 2010

Eines meiner Lieblingsprichwörter ist “Wo gehobelt wird, da fallen Späne”. Für mich bedeutet das, dass auf jede Aktion, eine Reaktion folgt, ob gewollt oder nicht. Denkt man das dann weiter, ist jede Aktion auch wiederum eine Reaktion auf eine vorherige Aktion, und so weiter und so fort.
Ich habe mal überlegt, welche Ereignisse dazu führten, dass mein Foto auf das Cover eines Magazins gelangt ist. Es ging weit zurück, bis zum November 2008:

November 2008
Ich gehe in ein Buchladen um ein Buch über junge Fotografie zu suchen. Ich finde keins also beschließe ich selbt eins zu machen. Die Arbeit an junggesehen, einem Bildband zur jungen deutschen Fotografie, beginnt und bis zum Druck der Bücher sollte es noch bis zum Sommer 2009 dauern.

Sommer 2009
Nach jahrelangen Träumen und kurz nach der Fertigstellung von junggesehen bzw. kurz nachdem die .pdf zu Druckerei geschickt wurde, fliege ich im Juli nach Japan.

3. Tag nach der Landung
Ich gehe zum Stammtisch von doitsunet, der deutschen Community in Tokyo. Ich bin noch nicht ganz angekommen und frage nach, was man den machen kann, um sich besser im neuen Land einzuleben. Man gibt mir den Ratschlag, den Hobbies nachzugehen, die man schon in der Heimat verfolgt hat.
Eins meiner Hobbies ist es, junge Kunst und Fotografie zu fördern, warum nicht eine Ausstellung zu junggesehen, zur jungen deutschen Fotografie, in Tokyo machen?

August
Ich habe einen Fotoauftrag, der mich mit Leuten im Goetheinstitut bekannt macht. Danach dann frage ich nach, ob sie mir bei der Ausstellung helfen können.

Nach langen Hin und Her und vielen Anfragen, ob ich ihnen mein Projekt vorstellen kann, lädt das Goethe-Institut zum Treffen ein. Sie finden das zwar alles ganz schau, wollen aber auch nicht viel machen, “weil es ist ja so und überhaupt schwierig das alles und sie wissen schon, ne”?

Beim Verlassen des Instituts werfe ich noch einen Blick auf die Kleinanzeigen an der Wand. Es wird eine Aushilfe gesucht und ich fühle mich angesprochen.

Ich gehe zu dem Cafe und die Ereignisse von “professionell pleite” finden statt. Wie auch dort erwähnt meinte man zu mir, dass ich doch als Fotograf qualifizierter sei, als als Kellner, und man gab mir noch diverse englischsprachige Magazine mit, die in Tokyo und in Japan erscheinen. Darunter den Weekender und das absolut elendige Being a broad magazine. Im Letzteren war eine Anzeige einer Fotografin, die ich anschrieb und nachfragte, ob sie denn nicht ne Assistenz sucht.

September
Sie suchte tatsächlich und nahm mich auf. Als ich ihr meine Fotos zeigte, gähnte sie. Als sie mir ihre zeigte, tat ich das ebenfalls, allerdings eher innerlich, man ist ja höflich.
Sie war Australierin, seit neun Jahren in Tokyo und hat sich auf Gaijin-Fotografie spezialisiert. Das heisst, bei Gaijin Events wie großen Feiern von Managern, US-Armee Stützpunkten, oder sonstige Aufträge von Menschen die seit Jahren in Tokyo leben, aber kein Japanisch können und/oder keinen japanischen Fotografen engagieren wollen, ist sie dabei.

Ich lerne viel von ihr. Allen voran, dass man keine gute Bilder machen muss, um als Fotograf Geld zu verdienen.

Sie denkt sehr wirtschaftlich, ein Denken was mir manchmal fehlt. So zum Beispiel wird sie engagiert, bei einer US-Militär-Gala zu Fotografieren. Wichtigste Aufgabe dabei ist es, möglichst viele Leute abzulichten, denn die Leute ordern dann online bei ihr die Fotos. D.h. sie wird für das Fotografieren selbst bezahlt, und dann nochmal für die einzelnen Abzüge. Das läuft sehr gut für sie, die Qualität ihrer Bilder finde ich allerdings bescheiden, bzw. es ist nicht das, was ich mit der Fotografie erreichen möchte.
Allerdings konnte ich wirklich von ihr lernen, was es bedeutet, mit der Fotografie Geld zu verdienen. Sie war sehr streng, aber irgendwo auch erfolgreich. Ein paar Zitaten von ihr:

“You’re selling your pictures not to photographers, but to people.”
Heisst, ich soll mir weniger Mühe mit Komposition und Bildgestaltung geben, die meisten Kunden achten da eh nicht drauf.

“You’re not in Berlin anymore”
Als ich meinte, wieviel Geld ich in Berlin verlangte, und wie wenig das doch ist nach Tokyo-Maßstäben.

“Don’t ask so many questions, Fritz”
Weil ich mich immer sehr gern mit den wichtigen Leuten unterhielt. Aber als Journalist ist man nunmal neugierig.

“Do what I say”
War ihr Motto.

Sie arbeitete wirklich viel, 6 Tage die Woche, 18 Stunden pro Tag. Am 7. Tag betrank sie sich, bis sie das Bewusstsein verliert – Ihre Worte, nicht meine. In der Zeit, in der ich für sie arbeitete, lächelte sie nur einmal, und zwar der Tag an dem ich in Anzug und rasiert erschienen bin. Ihre Reaktion:

“Wow Fritz, you look like a real person now! I have to look at you more often now.”

Warum erzähle ich von ihr? Es hat viel mit dem Foto zu tun, mit dem ich aufs Cover kam.

Making of: le Bild
Meinen ersten Auftrag für sie hatte ich drei Tage nach dem Vorstellungsgespräch. Es ging auf einen Stützpunkt der US-Armee. Treffpunkt war 6.45Uhr in Meguro. An dem Tag wachte ich genau 6.42 Uhr auf, in Shinjuku, 40min von Meguro entfernt.

Bezahlung war 1000yen die Stunde. Sollte ich einmal ausfallen, und nicht rechtzeitig Bescheid sagen, stellt sie mir die ausgefallene Arbeitszeit in Rechnung. Würde ich also nicht innerhalb von 3min in Meguro sein, würde ich ihr eine ordentliche Summe Geld schulden, die ich überhaupt nicht habe.
Ich kramte ihre Nummer raus und rief panisch an. Was ich eigentlich sagen wollte war: “OHMEINGOTTSORRY!! ICH KOMME SOFORT!!”. Doch was ich stattdessen sagte, war “Ich habe den falschen Zug genommen, ich komme etwas später”.
Schnell etwas Wasser ins Gesicht gespritzt, zum Zug gerannt und losgefahren. Halb acht kam ich an, ungeduscht und vom Rennen verschwitzt. Sie war zwar sauer, aber mehr konzentriert auf den Auftrag und sie meinte, es sei ihr auch schonmal passiert. Doch noch einmal sollte ich das nicht machen.

Es ging zum US-Armee Stützpunkt. Die Kinder der dort positionierten Soldaten hatten an dem Tag ein Fußballturnier, und die Fotografin sollte die 150 Kinder ablichten. Stets in derselben Pose. Ich sollte nur Sachen tragen und/oder festhalten, mit Fotografieren war nicht viel. Ich tat es trotzdem.

Es regnete in Strömen, und viele Kiddies hatten auch absolut keine Lust auf Fußball.

Die Leute dort waren allesamt, nunja, sehr amerikanisch, was Gesäß und Gemüt anbetrifft. Was ich an Amis mag ist, dass sie sehr schnell sehr freundlich werden, wenngleich ich mir auch bessere und tiefere Gespräche zur aktuellen Politik erhofft hatte. Doch es blieb amerikanisch-oberflächlich.


Er hat irgendwas gewollt und nicht bekommen, und war daher etwas verärgert über Mutti

Nach dem Ende des Auftrags war die Fotografin zufrieden mit mir und meinte noch “You smell.”. Kein Wunder, ungeduscht wie ich war.
Das nächste Fußballturnier war am nächsten Wochenende, ich sollte alles daran setzen, nicht zu spät zu kommen.

Am nächsten Wochenende hatte mein Mitbewohner wieder Gäste, die bis 4 Uhr Morgens die Türen scheppern ließen. Um 5 Uhr Morgens stand ich nach einer Stunde Schlaf auf, da ich diesmal überpünktlich sein wollte.

Eine halbe Stunde vor der Zeit war ich in Meguro und trank die zweitbeste, kühle, koffeingetränkte Cola meines Lebens. Ich hatte Zeit und die Kamera dabei, also lief ich umher und sah mir das morgendliche Treiben um 6.30Uhr an.

Anruf der Fotografin, sie käme wohl zu spät und ich solle beim Starbucks warten. Ich ging zum Starbucks und dort stand ein Wachmann, der den Boden nassspritzte.

Das ist die bearbeitete Version. Das hier ist das Original:

Man sieht das Auto links. Genau dieses Auto gehörte der Fotografin, die 3 Sekunden später neben mir anhielt, und mich ins Auto lud. Bevor sie dann los fuhr, holte sie sich einen Kaffee. In der Zeit schaute ich mir das Foto an, was ich eben gemacht habe, und musste lachen.

Dezember
Hier machen wir einen große Sprung. Ich hatte nach dem Auftrag nur noch einen weiteren für die Fotografin, seitdem keinen mehr. Ich denke das ist gegessen und ich bereue es auch nicht wirklich. Es kam noch eine Mail von ihr am 23.12., in der sie meinte, dass sie grad aus dem Urlaub kommt und mich für morgen, Weihnachten, braucht. Tut mir Leid, sage ich, das ist zu kurzfristig.

Ende Dezember hatte mein Mitbewohner wieder Besuch. Zwar diesmal nur zwei Leute, dafür so penetrant, laut und nervig wie zehn. Vor Tokyo waren sie in Kyoto und brachten von dort das Japanzine Magazin mit, welches ja nur in der Kansai Region erscheint. Auf dem Klo las ich das dann und stolperte über den Aufruf zum Foto-Wettbewerb “the Gaijin Eye“. Ich reichte ein paar Bilder ein und erstmal passierte nichts.

Januar
Ich bekomme eine Mail vom Japanzine Magazin. Mein Foto würde unter anderen in der Auswahl zum Cover stehen. Ich freute mich natürlich. Doch danach kam dann nichts mehr.

Einer der Blogs die ich regelmäßig verfolge hatte dann mal einen Artikel über Japanzine. Als ich den las, fiel ich fast aus dem Futon

Da war das aktuelle Cover vom Japanzine Magazin, mit meinem Foto! Ich wusste von nix. Meine Reaktion kann man in den Kommentaren lesen:

AAAHHHHH!! das is ja mein Foto auf dem Cover!! (http://tokyofotosushi.wordpress.com/2009/09/22/druck/) ich hatte mein Foto zwar eingereicht, aber davon wusste ich nix. haste das Blatt noch??

Ich schrieb dann gleich dem Magazin. Sie wollten mir dann ein paar Exemplare zuschicken und gestern kamen sie nun auch bei mir an.


Weiss auf Schwarz, der Beweis

Die Abstimmung zum Cover selbst fand öffentlich auf Facebook statt:

Die Kommentare favorisierten eher die anderen zwei Fotos, hier eine Auswahl der Stimmen zu meinem Beitrag:

The policeman with the hose. This pic is the shnazzle!!!

On a more serious note I guess it represents the slightly comical, cynical at times perspective we all have for Japan, while still finding something good in it, or at least something new.

mmm…the policeman holding the hose…seems to have a meaning oi it!tryin to make japan cleaner and more better..well,anti ang nga bilog nyan..

The taxi shot is the best and most beautiful photo, but in the context of the cover story, I agree with what someone said before … we gaijin are (or are perceived as) subversives in this homogeneous society. The Pissing Policeman gets my vote and I wish I’d snapped it.

The one with the guard. I assume it’s a hose? But the angle the photo was taken makes you look twice. Great shot!

i would say for the title most fitting is the policeman but the photolanguage of this picture is somehow to artistic (not design). i would definetly give it a little bit more the look of number 3. BUT really asking myself i would say none of the pics is really fitting. sorry…just an idea but why not picture from stuff which is somehow more … Mehr anzeigenwondering like japanese toilet (i know maybe too simple but just this direction). everyday things which are still wondering or confusing but i guess u dont have anymore time…

Die Begründung, warum es genommen wurde, war also: Der Japaner macht etwas typisch Japanisches (etwas sauber und rein halten) und der Gaijin (ich) missversteht das aus seiner Perspektive. Darum ist dieses Foto auch zum Wettbewerb “the Gaijin Eye” auf dem Cover, wenngleich viele andere Einträge schöner und handwerklich besser waren. Die Aussage passte einfach.

Viele Ereignisse führten dazu, dass mein Foto auf dem Cover eines Magazins ist. Und ich fand es spannend, mal zu überlegen, welche Umstände dazu führten. Viel mehr bin ich noch darauf gespannt, zu welchen Ereignissen und welchen Fotos, dieser Abdruck führen wird.

Mein allererster Fotoauftrag in Tokyo

Drehen wir mal das Rad zurück auf Sommer und machen einen weiteren Eintrag ins Poesiealbum. Mein erster Fotoauftrag in Tokyo, eine Woche nach meiner Landung, war:
eine Rolltreppe fotografieren.

Schon bevor ich im Juli vergangenen Jahres nach Tokyo geflogen bin, habe ich bei Magazinen hier angefragt, ob sie mich als Fotografen nehmen. Da ich kein Japanisch konnte, suchte ich mir die vielen englischsprachigen Magazine aus Tokyo heraus, und schrieb sie an. Ich verwies dabei immer auf meine Seite auf Neon.de, wo ich mein Portfolio hochgeladen habe. Nach der ersten Kontaktaufnahme würde ich dann Lebenslauf und alles weitere rumschicken.

Es kam dann eine Antwort vom metropolis magazine, denen gefiel, was sie sahen, und die mich dann auch gleich mit der ersten email ins Team aufnahmen.

In Tokyo angekommen, und mittlerweile eine Woche nach dem ersten Hitzeschock mitten im Hochsommer, und der Ankunft in “Tokyo’s Terror Threat” Nishi-Kawaguchi, gab mir das Metropolis den ersten Auftrag:

In Akihabara gäbe es ein Rolltreppe, die, im Auftrag von JR, kühles, vaporisiertes Wasser auf überhitzte Großstädter sprüht. Ich solle das doch mal auschecken, sie könnten ein Foto für ihre Technik-Ecke brauchen.

Da ich relativ viel Zeit zur Verfügung hatte, hetzte ich mich auch nicht mit dem Ablichten. Wenn ich sonst für ein Foto viel Zeit habe, nutze ich diese auch und lasse die Kamera erstmal in der Tasche. Ich lasse viel mehr den Ort oder den Moment auf mich wirken, versuche eine Gefühl oder einen Eindruck zu bekommen, den ich dann mit der Kamera umsetzen kann.

Ich bin also zuerst die Rolltrepe ca. 20 mal rauf und runter gefahren, hab mir die Düsen und die Leute angeschaut, wie sie drauf reagieren. Erst dann legte ich los, und fing die Eindrücke ein.

Das Ding war relativ neu, viele wunderten sich auch, was das soll, und starrten verdutzt auf die Düsen. Viel Kühlung kam jedoch auch nicht bei den Leuten darunter an, da es teilweise aufgrund der Hitze schon längst verdunstete, oder vom Wind, der durch Tokyo’s Straßenschluchten peitschte, davon getragen wurde. Lustig fand ichs trotzdem, wie eine Dame sich vor dem Wasser schützen wollte:

Ich hab übrigens eine Theorie zu dem scharfen Sommerwind in Tokyo: In jedem Geschäft, Konbni und Restaurant laufen die Klimaanlagen im Sommer auf Hochtouren und kühlen alles auf arktische Temperaturen runter. Läuft man nun an einem Geschäft vorbei, öffnen sich die automatischen Türen, und die Kalte Luft strömt an einem vorbei, bevor man wieder vom heißen Beton-Backofen gebraten wird. DIeses Wechselbad der Temperaturen hat man auch, wenn man in und aus den vollklimatisierten Zügen steigt.

Meine Theorie ist nun, dass all diese kleinen lokalen Stoßwinde, hervorgerufen durch Klimaanlagen, automatische Türen und den sommerlichen Gasherd Tokyo, in den Straßenschluchten sich sammeln und mit vereinter Wucht durch die Metropole pfeifen.

Zurück auf die Rolltreppe:

Da dies mein erster Auftrag war, wollt ich natürlich alles supergut machen, auch wenn es “nur” eine Rolltreppe war. Doch auch die hatte es verdient, dass ich mein Bestes gebe.

Insgesamt machte ich dann um die 300 Bilder von einer Rolltreppe. Rückblickend gehören die Bilder natürlich nicht gerade zu den Besten, die ich in Tokyo gemacht habe, auch weil ich seit dem Sommer noch einmal ordentlich viel gelernt habe und mich als Fotograf verbessern konnte.

Trotzdem hat mir dieser erste Auftrag in der großen Metropole sehr gefallen, ich habe es genosen wieder als Fotograf zu arbeiten und mich ernsthaft und konzentriert mit einem Thema auseinanderzusetzen.
Das Metropolis war von meinem Einsatz auch angetan, und weitere Aufträge folgten. Eine Bezahlung allerdings nicht.

Doch seitdem achte ich besonders auf die Rolltreppen, die mir hier begegnen und ich versuche ein besonderes Foto von ihnen zu machen, immer mit der Erinnerung im Hinterkopf, an meinen ersten Fotoauftrag in Tokyo .

“Foto! Foto! Foto!”

Am 11.1. war der Seijin no Hi (成人の日 (=”der Tag der jungen Menschen”)) , ein nationaler Feiertag in Japan, an dem alle 20 Jährigen des Landes in einer Zeremonie zu Erwachsenen erklärt werden. Die Mädchen tragen dabei hübsche Kimonos, die Jungs sehen aus wie kleine Yakuza – und Ausländer werden bei der Zeremonie nicht gern gesehen.

Die Antwort zu einem vorherigen Beitrag vorweg: Ich bleibe noch ein Weilchen in Tokyo! Der 11.1. wäre eigentlich mein Flugdatum gewesen und gleichzeitig auch der Zeitpunkt, an dem schon ein halbes Jahr Japan hinter mir liegt. Wie die Zeit vergeht…

Eine Japanerin meinte zu mir, als ich mit ihr über diesen Termin sprach, dass dort doch auch der Seijin no Hi stattfindet, an dem viele japanische Mädchen in hübsche Kimonos schlüpfen. Sie sagte noch mehr, auch etwas über Chancen und Möglichkeiten in Japan, doch bei “japanische Mädchen” hatte sie mich schon überzeugt.

Eine junge Dame, bekannt aus diesem und diesem Beitrag lud mich dann auch zu den Feierlichkeiten zu ihrem Seijin no Hi in Kawasaki ein. Der Andrang war gewaltig.

Über 8.000 Jugendliche aus ganz Kawasaki, die zwischen April des letzten Jahres und dem April diesen Jahres 20 wurden bzw. noch werden, fanden sich in festlicher Kleidung zusammen.
Den Ort zu finden war dabei nicht schwer, ich musste nur den Mädels im Kimono und dem kilometerlangen Stau mit gestressten Eltern und verkleideten Kindern auf der Rückbank folgen.

Das Schuljahr beginnt in Japan im Frühjahr, und so stammen alle Jugendlichen, die an diesem Tag gefeiert werden, aus demselben Schuljahrgang. Viele gingen zusammen zur High School, Junior High, Grundschule oder sogar Kindergarten. Es war eine große Wiedersehensfeier.

Die Jungs trugen dabei entweder einen westlichen Anzug, oder einen dunklen Kimono, der sie eher wie Samurai oder kleine Yakuza aussehen ließ.


(man achte auf die Tatoos vom Hintermann….)

Die Mädels trugen dabei einen bunten und den Wintergraden angepasster, vom Stoff etwas dickeren Kimono, genannt Furisode. Dieser ist schweineteuer, und viele können sich den nur leisten, in dem sie ihn eben für diesen einen Tag ausleihen – und selbst da sind die Kosten sehr hoch. Dementsprechend gerne zeigt man ihn dann vor und lässt sich vielfach ablichten.

Ich suchte nun eben die Dame, die mich hierzu eingeladen hatte. Mein Telefon machte allerdings Spirenzchen, sodass ich sie nicht kontaktieren konnte. Ich dachte, ich find sie bestimmt in der Masse. In der Masse von hübschen Mädchen und kleinen Gangstern.

Nach einer Stunde Suchen gab ich auf und beschloss, in die Halle hinein zu gehen. Man fragte mich nach einer Einladung, die ich nicht hatte. Ich konnte nur erklären, dass ein Freund von mir drinnen ist. Ich musste meinen Namen und meine Adresse angeben (wobei für Adresse in dem Fall nur “Tokyo” gereicht hatte). Drinnen entfaltete sich eine riesige Halle mit Platz für mehrere tausend Leute.

Da die Hälfte der Leute noch draußen stand um ihr Wiedersehen zu feiern, war es drinnen überschaubar. Auf der Bühne saßen etliche Vertreter der lokalen Politiker, die nach und nach vorgestellt wurden und eine kleine Ansprache an die Jugendlichen hielten.

Die ganze Zeremonie soll sie auf die Pflichten im Leben eines Erwachsenen vorbereiten. Viele interessierte das, was die da oben erzählten, allerdings nicht sonderlich.

Man vertiefte sich lieber im mitgebrachten Manga…

…oder beschäftigt sich lieber mit dem Handy.

Mit 20 Jahren darf man in Japan Rauchen, wählen gehen und Alkohol trinken. Von letzterem Recht haben an dem Tag auch viele Jungs Gebrauch gemacht, und so auch andernorts bewiesen, dass sie eben noch nicht erwachsen sind.

Die dunkle Halle wurde oft von Gegröhle unterbrochen, das nur mit Schwierigkeiten unterbunden werden konnte. Einige waren auch viel zu cool um sich davon stören zu lassen.


(Sonnenbrille muss sein, auch in einer dunklen Halle)

Dieser Seijin no Hi ist vielleicht allenfalls vergleichbar mit der deutschen Jugendweihe, wenngleich die auch schon mit 14 Jahren stattfindet. Jedoch ist in Japan der lokale Bezug sehr viel stärker. Lokale Politiker gratulieren den jungen Erwachsenen und es wurde auch ein Film gezeigt, in der Leute auf der Straße ihre Glückwünsche in die Kamera sprachen. Zwischendurch wurden auch die letzten 20 Jahre in der Region betrachtet, welche wichtigen Ereignisse stattfanden oder Gebäude gebaut wurden, in der Zeit, in der die Jugendlichen auf der Welt sind.

Die Kamera immer drauf.

Salarymen in spe.

Nach dem offiziellen Programm trat dann noch eine Band auf. Die Halle füllte sich auf einmal sehr stark und alle drängten laut zur Bühne. Die Band wird wohl bekannt gewesen sein (vermutlich aus Osaka…?) doch ich hab den Namen nicht verstanden.

Die Dame, die mich eingeladen hatte, hatte ich zu dem Zeitpunkt übrigens immer noch nicht gefunden. Man betrachtete mich schon argwöhnisch. Denn bis auf die jungen Erwachsenen waren eigentlich keine Gäste erlaubt, nicht einmal die Eltern waren anwesend. Was denn der Ausländer mit der Kamera hier macht? Wird bestimmt ein Terrorist sein…
Einer von der Security fragte mich dann, ob ich zum Staff gehöre. Ich stammelte nur, dass meine Freundin hier irgendwo sitzt und das reichte ihm dann.
Ein anderer Futzi nahm das ganze etwas ernster, kam dann auf mich zu und signalisierte, dass Fotos machen verboten ist – während alle Japaner um mich herum mit Komptaktknipse und Kamera-Handy hantierten.

Ich steckte die Kamera dann erstmal weg und wollte warten, bis er abhaut. Doch er verfolgte mich unauffällig auf Schritt und Tritt. Irgendwann konnte ich ihn dann in der Menschenmenge abschütteln. Mein blondes Haar konnte man in der Dunkelheit zum Glück kaum vom glänzenden schwarzen Haaren unterscheiden…

Die Band heizte gut ein. Das Publikum war angetan.

Nur Tanzen konnte man in den Kleidern echt nicht.

Als die Musik aus war, drängte alles nach draußen. Ich hatte gehofft nun im Licht und der lichter werdenden Menge besagte Freundin entdecken zu können, doch Pustekuchen.

Draußen staute sich dann wieder alles:

Ich gab nun jede Hoffnung auf, in dieser Menschenmenge jemals diese eine Japanerin zu finden, die mich eingeladen hat.

Auf einmal ruft jemand meinen Namen von links.

Gleich drei Mädels kommen lächelnd auf mich zu. Es war besagt junge Dame mit ihren zwei Freundinnen, wunderschön im Furisode und mit Blume im Haar.

Ich hatte mich gefreut sie endlich getroffen zu haben und ein paar offene Fragen zur Veranstaltung beantwortet zu kriegen. Doch sie eilten fix voran, es mussten ja noch ehemalige Klassenkameradinnen getroffen (und der blonde Ausländer vorgestellt) werden.

Als dann der Satz fiel “…. er ist aus Deutschland und Fotograf” kamen sie aus dem Staunen nicht mehr raus. Mit einem Mal hatte ich dann aber fünf Kameras in der Hand, mit der Bitte, von allen ein Foto zu machen. Und mit den Mädels da drüben auch. Und hier die auch noch. “Foto! Foto! Foto!”

Auch gegenseitig wurde zur Kamera gegriffen um den Moment, diesen Tag und vorallem diese Kleider festzuhalten.

Die Jungs zogen es dann aber vor, noch einmal einen auf King Kong zu machen, laut zu gröhlen und eine Botschaft zu verkünden (was immer die auch war…)

Man achte auf den Sicherheitsfutzi….

Die Damen mussten dann schnell weiter, die Familie wartete bereits. Andere machten sich auch fix auf den Weg nach hause – immer in eleganten Tippelschritten, was anderes it mit diesen Zōri Sandalen auch nicht möglich…

Für die Berliner Zeitung habe ich einen Artikel über den Seijin no Hi geschrieben, der ist heute in Berlin erschienen. Online gibts ihn hier:

Berliner Zeitung vom 18.01.2010
Link:
Erwachsenwerden auf Japanisch

Gesamt eine runde Veranstaltung, auch wenn ich danach erst einmal wieder Bilder von hässlichen Männern anschauen musste, das war an dem Tag einfach ein Kawaii-Overkill…