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zurück.

Was ne Reise… mit dem Seishun-18-kippu einmal nach Hokkaido und zurück, 2000km größtenteils per Zug, Fuß und Schiff. Sieben Tage, über 50.000yen ausgegeben und viel Schnee gesehen… Ich bin immer noch etwas kaputt, muss aber viel Arbeit nachholen und Weihnachten steht ja auch noch an. Meine Kamera erholt sich noch, von daher mal ein Gastbeitrag:
Why do I feel this party´s over?
(Foto von der wunderbar talentierten Mariesol Fumy, hier ihr Flickr Stream)

In der Woche hab ich nur ab und an mein Facebook Profil erneuert, hier das stark verkürzte Protokoll meiner Reise:

15. Dezember

6°C in Tokyo and I’m heading north… brr… be gone til christmas, mostly living on trains now

16. Dezember

northern honshu is so white right now… cant believe this winter wonder land, i ve never seen anything comparable in germany. but its fucking cold… almost in sapporo now, quick stop in aomori

17. Dezember

got stranded last night in hakodate and shared a hotel room with a korean photographer. tonight finally in sapporo. feels like siberia right now. slightly annoyed by the slow trains :-/

17. Dezember (abends)

sapporo at last!!

18. Dezember

okay, i should learn to read the time… it`s 3 in the morning and I`m wandering through the streets of sapporo, wondering why nothing is open yet… -.-

18. Dezember

last night in sapporo, getting smelly… met several friendly hokkaido people, was surprised by my japanese language skills, saw big crabs and a yakuza cat, and met with a overly successful and even more stressed german manga-ka. busy day, tired now. tomorrow I’ll take the boat back to honshu…

20. Dezember

took the ship from hokkaido and now back in honshu, in lovely aizu now, be back in tokyo on tuesday!

22. Dezember

back in the big city, straight into the rush hour at shinjuku station, full of a running, pushing, egoistical crowd… did I really wanted to come back to this…? this was one week, more than 2000km on foot, train and boat. I started with a shaved clean face and came back with a beard full of memories and impressions.

Die ganze Reise werd ich wohl in mehrere Beiträge nacherzählen, die gesamte epische Breite wäre für einen Artikel zu viel. Aber dafür muss ich erstmal die 1000+ Fotos durchsehen….

Journalismus Rabatt

Ich verbrachte eine Nacht im Fujiya Hotel, dem ersten westlichen Hotel Japans und ein Kleinod, versteckt in den Bergen von Hakone. Es verbindet auf einzigartige Weise das Neue und das Alte, den Westen und den Osten, mit einer gehörigen Portion Luxus und sieht dabei aus, wie aus einem Film von Hayao Miyazaki. Die Zimmer rangieren so 20.000-40.000yen pro Nacht. Wieviel ich bezahlte? Nun…. Nichts.

Wie schon ein paarmal erwähnt, arbeite ich hier ja für das Metropolis magazine Tokyo, nur eben unbezahlt. Wenn ich allerdings einen Job für die mache, bekomme ich die Transportkosten erstattet.
Ich wollte nun eine kleine Reise machen und gleichzeitig ein Thema fürs Metropolis behandeln, damit ich die Reise auch bezahlt kriege. Die Wälder von Hakone, einem beliebten Reiseziel und 100km westlich von Tokyo in den Bergen, lockten Ende September mit wunderschönen Laubwerk im Wandel der Jahreszeiten.

Ich fragte also beim Metropolis nach, ob sie was aus Hakone wollten. Da das Metropolis nun schon seit über 10 Jahren existiert, und Hakone noch länger, war das natürlich schon bereits Thema. Ein Editor schlug allerdings das Fujiya Hotel in Hakone vor, da das doch recht spannend sei und bisher nicht abgedeckt wurde.

Das Fujiya Hotel wurde 1878 erbaut, von einem Japaner der amerikanische Hotels kennen- und schätzen gelernt hatte. Er wollte nun in Japan auch so ein Hotel aufbauen und suchte sich mitten in den Bergen einen passenden Ort: Miyanshita. Über die Jahre hat das Fujiya viele Erdbeben, Feuer und Renovierungen gesehen, ist aber nach wie vor klassisch geblieben.

Ich schrieb das Hotel also an, fragte nach ob sie Interesse an einer Berichterstattung haben und ob sie mich dabei “unterstützen” können. Natürlich hab ich zwischen den Zeilen gefragt ob ich da kostenlos ne Nacht pennen kann, aber man muss ja schon ne gewisse Form wahren.
Es hat eine Weile gedauert, aber nach zwei Wochen kam dann eine höfliche Antwort. Man freut sich über das Interesse und wollte hören, was wir uns denn so vorgestellt haben.
Nach etwas hin und her war es dann klar: Ich sollte fürs Metropolis eine ganze Seite machen (Fotos + Text) und konnte eine Nacht im Hotel übernachten – kostenfrei.
Meine Reaktion war ungefähr so:

cheese
Quelle: wikipedia commons

Eine ganze Seite! Und eine Nacht in nem Luxushotel! Gratis! Ich mag meinen Job. Aber im Endeffekt fühlte es sich dann doch mehr nach Arbeit an…

Ich wollte noch einen Freund mit ins Hotel nehmen und fragte nach, ob das Hotel denn auch noch Platz für “meinen Assistenten” hat. Ja hatten sie, und mein Freund musste dann im Hotel immer die Rolle meines Assisten spielen. Mich störte das allerdings nicht 😉

Das Fujiya liegt in Miyanshita, Hakone, ca. 3 Stunden von Tokyo-Shinjuku entfernt. Die Zugstrecke selbst ist aber wunderschön, die letzte Stunde führt sie die Berge im Zick-Zack Kurs hoch, vorbei an grünen Schluchten und steilen Bergen.

Wenn man das aus dem Zug kommt fühlt man sich von Tokyo ganz weit weg. Und wenn man das Hotel betritt, hat man die Gegenwart komplett verlassen.

Alles ist sehr klassisch, wie aus dem 19.Jhd. Alte Salons, viele verzierte Holzvertäfelungen und ein besonderes Gefühl in der Luft. Man ist einfach ganz woanders, weder in Japan, noch in Amerika.

Im ganzen Haus arbeitet nur ein Gaijin – und das schon seit 11 Jahren. Dementsprechend war er der Ansprechpartner für mich.

Seit 11 Jahren arbeitet er in diesem vornehmen Hotel und “Service” ist ihm ins Blut übergegangen. Immer vornehm, zuvorkommend und höflich, dabei immer die Haltung wahrend und konzentriert sein. Im Schnelldurchlauf zeigte er mir das Hotel, ich machte fix Bilder und notierte mir alles so gut es ging.

Ich hatte zwei Tage um genug Bilder zu machen und Infos zu sammeln. Am Ende musste ich eine ganze Seite füllen – viel Verantwortung. Zumal das Hotel mir einfach einen Raum für 40.000yen die Nacht kostenfrei zur Verfügung stellte. Dementsprechend war ich die meiste Zeit angespannt und konzentriert ja alles richtig zu machen. Die zwei Tage fühlten sich erst in der Retrospektive erholsam an.

Nach der Tour gings aufs Zimmer – welches so groß war wie mein gesamtes Appartment in Tokyo, welches ich mir mit zwei anderen teile:

Vier Meter hohe Wände, ein begehbarer Kleiderschrank und drei meter hohe Fenster. Das Ganze erinnerte mich an Berliner Altbau-Architektur, nur nicht ganz so schmuddelig. Der große Flachbildfernseher in der Mitte des Zimmers wirkte nur etwas anachronistisch.
Dazu gab es ein weiches, europäisches Bett! Ich fiel direkt ein und lachte laut vor Glück, und mein Rücken freute sich mit mir.

Hier lag ich nun, mitten in den japanischen Bergen in einem Luxushotel. Ich glaub mir ging es etwa so:

cheese
Quelle: wikipedia commons

Es war nun schon Abend und vor 22 Uhr würde mein Freund aus Tokyo nicht ankommen. Ich nutzte also die Zeit um den Indoor-Pool des Hotels zu ähm “testen”.

Die zweistöckige Architektur erinnerte mich dabei an klassische Hallenbäder aus Berlin. Der Pool war recht leer, weil zu dem Zeitpunkt gerade das Abendessen in der Dining Hall serviert wurde. Das Essen war leider nicht journalistisch relevant genug, d.h. nicht kostenlos. Und 5,600yen hat ich dann doch nicht übrig. Zumal ich eh auf meinen Freund warten wollte.

Das Hotel liegt direkt über eine heissen Quelle, die exzessiv im Haus genutzt wird. So wird der Boden der Dining Hall mit frischen heissen Quellwasser erwärmt, das heisse Wasser in jedem Zimmer, welches aus dem Wasserhahn kommt, ist Onsen-Wasser und auch der Indoor-Pool ist mit Onsen-Wasser gefüllt. Sehr erholsam.

Gegen halb 11 kam dann meine “Assistenz” aus Tokyo an. Alle Restaurants im Dorf und Hotel hatten zu, also gingen wir zum einzigen Konbini vor Ort. Dazu muss man sagen: Miyanshita besteht eigentlich nur aus dem Fujiya Hotel, einer zugehörigen Bäckerei (die großartiges Curry-Pan macht), zwei Restaurants, einem Fotostudio, einem Antik-Bedarf und eben diesen einen Lawson-Konbini.

Wir versorgten uns reichlich und gingen dann ins Hotel. Da die Zimmerpreise wie gesagt recht hoch waren, waren nur recht gut betuchte Leute Gäste dieses Hotels. Mit unseren Konbini-Beuteln schleichten wir uns dann an diesen Leuten vorbei – wir wollten ja nicht auffallen…

Wir machten es uns dann im Zimmer gemütlich. Im japanischen Fernsehen lief dann eine einstündige Reportage über Deutschland, mit dem ICE von West nach Ost, was ich in anbetracht meiner Lage für ziemlich absurd hielt. Es kam aber noch besser:

Das Hotel existiert wie gesagt schon seit über hundert Jahren und hat in der Zeit viele Gäste gesehen. Die Geschichte vom Hotel wird auch im Hotel-eigenen Museum gezeigt.

Die alten Gästebücher sind dabei ein besonderer Schatz.

Zu den prominenten Gästen gehören, u.a. der Kaiser (der jetzige und vorherige), Albert Einstein (der einen deutschen Eintrag hinterließ der, nunja, bescheiden ausfiel 😉

Charlie Chaplin

und John Lennon, zusammen mit Yoko und Sohn

Nun, John Lennon ist für mich eine ganz besondere Person. Ich bin mit den Beatles aufgewachsen, da mein Vater ein großer Fan ist, und bin auf das John-Lennon-Gymnasium in Berlin gegangen. Ehrlich, das gibts wirklich.

Dementsprechend bewegt, war ich ihn dort zu finden. Insbesondere sein Eintrag ins Gästebuch:

Man beachte das Fragezeichen im Berg. Das Fujiya heisst Fujiya, weil der Gründer beim Gast eine Assoziation vom Namen mit dem Berg Fuji auslösen wollte, dem man vom Hotel aus sehen kann. Nun, wir sahen ihn nicht.
Jeder Reiseführer schreibt über fast jede Ecke von Japan: “An klaren Tagen kann man den Fuji sehen”. Ich habe bisher den Fuji noch nicht gesehen und beginne langsam an seiner Existenz zu zweifeln. Dementsprechend witzig fand ich John Lennons Karrikatur: Wo ist der Fuji?

Zurück im Hotelzimmer lief nach der Deutschland-Reportage ein Interview – mit Yoko Ono!. Ich befand mich im Hotel wo Yoko Ono mit ihrem Mann vor 31 Jahren war, und exakt an diesem Abend erscheint sie nach jahrelanger Pause wieder im Fernsehen. Absurd.
(Sie sah aber nicht mehr so frisch aus, wie auf dem Foto ’78….)

Im Hotelmuseum lässt sich auch eine Galerie vom International Mustache Club finden:

Gewonnen hat aber eindeutig der Gründer vom Fujiya:

Am nächsten Morgen gab es dann sehr teures aber vorzügliches Frühstück in der Main Dining Hall, mit Tafelsilber und freundlicher Bedienung.

Das wir heute Bilder machen wurde groß angekündigt, weswegen alle freundlich mich grüßten und, sofern ich das brauchte, auch posierten wie ich das wollte. Fand ich toll =)

Noch ein Wort zur Dining Hall: An den Wänden befanden sich viele Fratzen:

Diese sind nach dem Gründer und ersten Manager des Hotels modeliert. Beim Abendessen stellen sich die Kellner vor die Masken, um sie zu verdecken und auch um den Blick vom Chef im Nacken zu haben. Kinder haben regelmäßig Angst vor den Dingern…

Nach dem Frühstück gings wieder durchs Hotel, Impressionen sammeln:


Fujiya Teddy

Das ist eine besondere Hühnchen-Art, die es in Hakone gibt/gegeben hat. Die Schnitzerei hier wurde gern von Helen Keller berührt (eine taub-blinde Frau, die Schriftstellerin wurde, sehr bekannt in den USA).


Eben ein langschwänziger Hahn (ca. 1,80m bis zum Boden)


Die Parkanlagen vom Fujiya sind sehr weitläufig, man braucht ungefähr zwei Stunden um alles zu durchqueren.

Das Fujiya ist auch sehr beliebt für Hochzeiten, an diesem Tag fanden fünf (!) statt. Ich erwähnte eingangs das Fotostudio im Ort. Der Fotograf dort bearbeitet jede Hochzeit im Hotel. Klingelnde Kassen.

Im Parkgelände gibt es auch eine Kapelle, mit Sicht aufs Tal. So heiratet es sich doch gerne.

Aber wenn man ehrlich ist: Besser Aussichten als dort, kann es doch nicht mehr geben in der Ehe, oder?

Als wir dort ankamen, war grade eine Hochzeit vorbei, und die Blütenblätter lagen noch.

Im Park gab es auch einen Teich mit lauter gierigen Koi-Karpfen.

Eine Familie stand fasziniert davor und überlegte.

Die Tochter war mutig genug sie zu füttern

Aber Mutti machte es mit mehr Eleganz.

Nach 400-500 Fotos hatten wir auch genug und verabschiedeten uns. Auf dem Rückweg wanderten wir noch durch Hakone und seine Wälder, doch das bring ich mal lieber in einem zweiten Eintrag unter.

Wir waren Ende September im Fujiya und erst letzte Woche schaffte ich es, den Artikel fertig zu machen. Zwischendurch war das Fujiya etwas verärgert und fragte, wo der Artikel denn bleibe. Zur Beschwichtigung schickte ich die Fotos rum, die sie nicht wirklich mochten.
Expliziter wurden sie dann in der letzten Mail in dieser Woche, was ich recht negativ aufnahm.
Ich kann stolz feststellen, dass ich noch nie (!) einen Kunden hatte, der mit seinen Bildern unzufrieden war. Das Fujiya hätte die Strähne durchbrochen. Im Endeffekt war es aber ein Missverständnis, da ihnen nur die Auswahl der Bilder seitens der Metropolis missfiel.

…zumal: bezahlt hat mich hier keiner, wozu aufregen.

Lieber Fujiya-mäßig entspannen….

Homepage vom Fujiya-Hotel: Hier

Der Artikel ist in der nächsten Ausgabe der Metropolis (diesen Freitag), kostenlose Exemplare gibts überall in Tokyo.

Ich bin dann jetzt erstmal in Hokkaido, bis nächste Woche, oder so….

Insel Abenteuer!: Oshima

Aus einer Lust und Laune heraus machte ich mich auf zu den Inseln südlich von Tokyo und entdeckte Abenteuer und ein anderes Japan – und war von der Gastfreundschaft der Bewohner einfach nur begeistert.

Alles was ich dabei hatte, Regenschirm, Schlafsack und graues Wetter.

Es ist schon etwas länger her, aus den ersten zwei Wochen nachdem ich hier gelandet bin. Ich wohnte damals noch in Nishi-Kawaguchi, in dem billigsten Hostel in Tokyo. Als ich danach dann Japanern von Nishi Kawaguchi erzählte machte die dann meist “Oh…..” und erzählten mir, dass die Ecke wohl eines der Yakuza Hauptquartiere in Tokyo ist und stadtbekannt für Prostitution. Im Time Magazin gibt es auch einen interessanten Artikel über Nishi-Kawaguchi mit dem wunderschönen Titel “Japan’s Terror Threat“. Ich hab da auch ein paar, nunja, unangenehme Sachen gesehen und erlebt. Das Hostel war auch mehr ein Rattenloch, für die erste Zeit aber okay.

Ich hatte in diesem heissen Sommer Lust zu Baden und fragte einen dort wohnenden Österreicher, wo es denn in Tokyo Strände gibt. Er meinte, da müsste ich schon auf ne Insel fahren. Ich fand den Gedanken cool und machte mich schlau:

Südlich von Tokyo gibt es eine Inselkette, Izu-Shoto genannt. Das sind allesamt vulkanische Inseln, die mehrere hundert Kilometer von Tokyo entfernt liegen, aber trotzdem noch zur Stadt Tokyo und dessen Verwaltungsgebiet gehören. Auch dort fand ich dann im August, lauter Wimpel und Fähnchen mit der Aufschrift “Tokyo Olympia 2016”, auch wenn Olympia natürlich niemals zu den Inseln kommen wird.

inseln
Quelle: wikipedia/Izu-Shoto

Gesamt leben ca. 25.000 Menschen auf allen Inseln, wobei die erste Insel der Gruppe gleichzeitig auch die größte ist und die meisten Bewohner hat: Oshima


(Oshima von der Izu Hanto aus)

Ich wusste nicht wirklich wie ich auf die Insel kommen sollte, und machte mich über Wiki-Travel schlau, fragte meinen zukünftigen Mitbewohner ob er mir die Seite des Fährbetreibers übersetzen kann und machte mich dann auf zu einem Kapsel-Hotel in Asakusa, in dem ich die Nacht vor dem Trip verbringen wollte. Zuvor bin ich aus dem Hostel ausgezogen und wollte eigentlich am Abend auf die Insel. Abends fuhr jedoch keine Fähre mehr, sodass ich kurzzeitig in einem Kapsel-Hotel unterkommen musste.

Kapsel-Hotels sind für 1-2 Nächte eigentlich ganz in Ordnung, man hat nen Fernseher in der Kapsel und nen Vorhang. Allerdings schlafen auch so 20-30 andere Personen zusammen in einem Kapsel-gefüllten Raum, wenn da einer schnarcht haste Pech gehabt. Ich hatte aber Glück und das einzige störende, war ich selbst, als ich meine Kamera aufgeladen habe und somit zwei Finnen beim Kartenspielen störte.

Im Asakusa Tourist Information Center, wo ich eigentlich nur nach der Adresse von meinem Hostel fragen wollte, suchte man mir nach einem kleinen Dialog auch noch die Abfahrtzeiten für die Fähre am nächsten Morgen raus:

“….and this your hotel here.”
“thank you!”
“By the way, where are you from?”
“Germany”
“ooohhh… germany…. I have been there… Guten Tag!”
“Guten Tag :-)”
“Can I help you with anything else…?”
“Ah yes… I want to go to the Islands south of Tokyo tomorrow, but I don’t know how. Can you help me?”
“Klar!”

Er telefonierte etwas rum, schlug einen dicken Wälzer mit den Fahrtzeiten der Fähre raus und suchte für den nächsten morgen die beste Verkehrsbindung raus.

Nach Oshima kommt man am Besten per Boot, einer Fähre die “Jet Foil” heisst. Die fährt vom Takeshiba Terminal aus, wo man auch die Tickets kaufen kann, mehr dazu hier.

Ich wollte die erste Fähre am nächsten Tag nehmen, und die ging 7.29 Uhr. Das weiss ich noch so genau, weil ich an dem Tag so oft auf die Uhr schaute und es am Ende sehr knapp wurde.

Gegen 5 Uhr wachte ich auf und verließ die Kapsel. Das Einzige was ich bei mir hatte war ein Schlafsack (weil ich eigentlich draußen übernachten wollte), einen Regenschirm und eine Umhängetasche mit Handtuch, Kamera, und Pulli. Das wars. Sonst nur ein kurzes Hemd, kurze Hose und Turnschuhe.

Ich kam 7.23 Uhr Takeshiba Terminal an, konnte dann der Dame hinterm Thresen irgendwie klar machen, dass ich erst nach Oshima möchte, dort einen Tag bleibe, dann nach Niijima und einen Tag später wieder nach Tokyo. Der ganze Trip war mit knapp 19.000yen nicht billig, aber es lohnte sich.

Um 7.26 Uhr war ich mit als letzter in der Fähre und es ging los.

In den zwei Stunden Fahrtzeit über den Pazifik hatte ich das erste Mal Zeit zum Durchatmen, zuvor bin ich eigentlich nur gerannt um die Fähre zu erwischen. Ich musste laut lachen, weil ich das alles so absurd fand.
Ich wollte auf eine Insel, hatte vor einem Tag noch keine Ahnung wie, und nun sitz ich in nem Boot mitten im Pazifik vor der Küste Tokyos. Ich bin hier, weil ich hier sein wollte. Ich bin auch nach Japan, weil ich in Japan sein wollte. Und alles funktionierte. Ich fühlte mich frei. Frei von allen Hindernissen, die mir so oft eingeredet wurden. Wie oft hörte ich im Leben “Das geht nicht.” “Das kannst du nicht” und nun bin ich in Japan, arbeite als Fotograf, und sitze in einem Boot zu einer Insel.

Viele Tokyoter kennen Oshima und die Inseln, waren aber noch nie dort. Auch viele Oshima-Bewohner waren noch nie in Tokyo, obwohl es so nah ist. Doch viele in Tokyo wissen, dass es da sehr schön ist.

Bei meiner Ankunft auf der Insel die 100km von Tokyo weg ist, fühlte ich mich noch nicht so weit von Tokyo weg. Alles war grau in grau, nur dass das Tokyoter Beton durch graue Wolken ersetzt wurden ist.

Trotzdem war die Insel imposant.

Und lächelte mich an:

Ich suchte zuerst das Tourist Information Center auf, was günstigerweise direkt am Hafen war. Englisch sprach da keiner, aber sie hatten englische Karten. Ich konnte sogar rauskriegen, wo man hier Fahrräder mieten kann. Man gab mir eine Nummer und ich rief an. Es folgte eine Situation die ich gerne als Beispiel nehme, wenn es um die Situation von Ausländern in Japan geht, und wie Japaner manchmal reagieren:

Das ganze Gespräch fand auf japanisch statt und ich war dementsprechend limitiert. Es ging zuerst darum, wieviele Räder ich gern hätte, wie lange und welche Farbe. Alles war okay bis ich merkte, dass ich mit meinem Japanisch nicht mehr weiterkomme. Ich fragte sie, ob sie jemanden haben, der englisch kann. Sie meinte “warten Sie kurz”, trat aus der Leitung und ich wartete. Es meldete sich dann eine Männerstimme, die zu mir meinte “We have no bikes. Thank you” und legte auf.

Das ganze Gespräch vorher ging nur darüber, welche und wieviel Räder ich gern hätte, und als wir auf englisch umstellten, sind ihnen die Räder ausgegangen.

Also nahm ich den Bus in die nächstgrößere Stadt, Motomachi. Ich bewundere heute noch den Busfahrer, der steile Zickzack-Kurven, den Berg hoch, mit Bravour meisterte. An diesem Morgen war der Bus nicht voll, er konnte mir also helfen.

In Motomachi stieg ich dann, im immer noch heftigen Regen, aus und zog mir erstmal nen Pulli über. Motomachi ist höher gelegen als der Hafen und bot einen Blick über die Insel. Das war nun Oshima. Grau, kalt und es gab keine Fahrräder.

Ich bin dann zum Town Office, auch um nochmal Touristen Informationen zu bekommen. Ich hatte zwar genug, aber ich wollt mich noch mal gern mit jemanden in einem warmen, trockenen Umfeld unterhalten. Und vielleicht finde ich auch jemanden, der englisch kann. Mit Schlafsack, Regenschirm und kurzer Hose ging ich also ins Rathaus.

Der Mann an der Rezeption sah mich, guckte etwas überfordert und griff dann zum Hörer als ich auf ihn zukam. Ich fragte ihn, ob er englisch kann. Er schaute beschämt zum Boden und meinte, ich sollte kurz hier warten.

Es kam dann eine Person auf mich zu und begrüßte mich mit “Hello” und Handschlag. Das war Reiko.
Reiko arbeitet im Tourismusbüro und war die Einzige dort (und wahrscheinlich die Einzige auf der Insel), die fließend Englisch konnte. Sie war, als sie 16 war, ein Jahr lang in den USA und, abgesehen von 1-2 Trips nach Tokyo, hat sie Oshima kaum verlassen. Dementsprechend neugierig war sie an einem Ausländer wie mir, der aus so einem weit entfernten Land wie Deutschland kam. Ich war auch sehr glücklich endlich mal mit jemanden kommunizieren zu können.

Sie brachte mich dann auch ins Touri-Büro wo sie mich mit Infomaterial überhäufte. Es kamen auch gleich zwei weitere Mitarbeiter, die mir dann sofort alles erzählten, was es hier so tolles gibt. Da es unter der Woche (Mittwoch) und Mistwetter war, war ich wohl der einzige Tourist an diesem Tag. Aus purer Freude darüber, schenkte man mir ein kleines Figürchen, das auch heute noch an meinem Handy hängt:


Traditionskleidung auf Oshima

Reiko fragte mich dann auch, ob ich schon nen Platz zum Übernachten hatte. Da ich einfach so auf die Insel gefahren bin, komplett ohne irgendeinen Plan, hatte ich das natürlich nicht. Also wollte sie was für mich organisieren.

Wir gingen noch zu einem weiteren Touri-Center, das mehr über Hotels Bescheid wusste. Erst stand ein Ryokan im Raum, für 5000yen die Nacht. Ich machte große, schockierte Augen und fragte ob es nicht billiger geht. Reiko entdeckte dann ein Surfer-Hostel für 1.500yen die Nacht. Gebongt!

Am Telefon mit dem Besitzer stockte sie kurz und fragte, ob ich japanisch kann. Ein bisschen, sagte ich, und das musste reichen.
Der Besitzer würde dann zur Busstation kommen und mich abholen. Reiko brachte mich dann zum Bus in Motomachi, wartete bis der Bus kam, sagte dem Fahrer wo er mich rauslassen muss und verabschiedete sich von mir. Ich sollte sie aber noch einmal wiedersehen.

An der Busstation wartete dann ein etwas breiter, bärtiger jedoch seelig lächelnder Kerl, Marke Okinawa-Surfer. Die Fahrt zum Hostel war recht schweigsam, ich versuchte zu konversieren aber es klappte nicht ganz 😉

Das Hostel selbst war ein altes traditionelles japanisches Haus, mitten im Wald. Echt paradiesisch. Mithilfe eines Computers konnten wir uns dann etwas verständigen. Ich war der einzige Gast in dem großen Haus. Ganz allein in diesem alten japanischen Holzhaus. Das gab Anlass zur Meditation:

Ich fragte dann, ob er auch Fahrräder vermietet. Klar, 500 yen für den gesamten Tag. Ich verlangte nach einem Mamachari, er lächelte nur und meinte: “Du bist ein Kerl, du kriegst ein Rad für Männer!”. Das ist ein gutes Argument, dacht ich mir, und nahm das Mountainbike das er mir zur Verfügung stellte.
Da es immernoch in Strömen regnete, gab er mir ohne(!) Aufpreis komplette Regenkleidung dazu. Ich ließ mein Zeug im Hostel und schwingte mich aufs Mountainbike. Ich wollte in die nächste Stadt und was zu Essen kaufen, schließlich hatte ich noch nichts gefrühstückt an dem Tag.

Es war ein wunderbares Gefühl endlich wieder Fahrrad zu fahren, das erste Mal in Japan. Ich liebe Fahrrad fahren. Die ersten 20 Minuten merkte ich auch den Regen nicht. Danach wurde es lästig.

Um unter der Kluft nicht allzu schwitzen, machte ich die Jacke auf. Was ich nicht bedachte waren zwei Sachen:

1. Der Regen hatte den erdigen Boden aufgeweicht
2. Mein Rad hatte keine Schutzbleche

Der ganze Dreck wurde nun also, vorne wie hinten, von den Reifen direkt in mein Gesicht und auf mein Hemd katapultiert.

Ich fuhr nun eine Stunde durch den Regen umher, bis mir auffiel, das ich nicht wusste wohin. Ich hatte mich komplett verfahren, hatte keine Karte oder Handy bei, oder auch nur eine Ahnung wo ich war. Ich wusste ja nicht mal den Namen vom Hostel, da Reiko das für mich organisierte. Ich dachte, gut, du findest den Weg bestimmt wieder zurück, aber nein! Alles sah gleich aus: südpazifischer Dschungel mit ein paar Häusern und kleinen Straßen mittendrin.

Ich war erschöpft und machte kurz Rast in einer Garage, mitten in der Pampa. Es hatte ein Dach und das genügte. Ich überdachte meine Optionen.

Aufeinmal kam ein großes rotes Auto und wollte in die Garage rein. Die zwei Fahrer schauten mich skeptisch und interessiert an, bis ich dann den Mut fasste sie mal anzusprechen und meine Situation zu erklären. Mit Händen und Füßen konnte ich irgendwie klar machen, dass ich mich verlaufen habe. Sie zückten erstmal das Telefon und riefen im Town Office an.
Ich kramte in meiner Hosentasche und fand die meishi von Reiko, auf der auch ihre Nummer stand. Die beiden Herren riefen sie dann und reichten sie mir. Reiko wollte mich dann abholen kommen, was mir zwar etwas peinlich war, aber sie bestand darauf. Solange ich auf dort sie wartete, warteten die beiden Herren mit mir. Einer gab mir sogar sein Wasser weil ich so erschöpft aussah.

Ich versuchte ein bisschen mit ihnen zu reden. Beide kamen aus Oshima und waren selten von der Insel weg. Auf Oshima gibt es auch einen Vulkan, den man besichtigen kann (nur nicht bei dem Wetter). Der Vulkan ist das letzte Mal in den 80ern ausgebrochen, und einer der Beiden erzählte mir dann, wie er das erlebt hat. War sehr interessant. Ich machte auch ein Foto von meinen beiden Rettern:

Reiko brauchte sehr lange um mich zu finden. Verständlich, ist ja auch alles verwirrend dort. Einer der beiden Männer schnappte sich dann ein anderes Auto um der Reiko entgegenzufahren. Er fuhr also der hinterher, die umher fuhr, um mich zu finden. In Deutschland unvorstellbar, die würden nur über die Benzinpreise maulen.

Irgendwann fand sie dann her und wollte mich (dreckig) und mein Fahrrad (noch dreckiger) in ihr Auto laden. Ich hatte ein schlechtes Gewissen alles dreckig zu machen, doch sie Bestand darauf.
Im Auto erzählte sie mir dann, was im Town Office los war, nachdem ich weg war. Alle waren neugierig und fragten, wo ich denn herkomme, was ich hier mache und so weiter. Als dann der Anruf einging, dass ich mich verlaufen habe, haben sich alle Sorgen gemacht. Voll nett 🙂

Als Reiko mich dann zurück fuhr, bot sie mir an, mich doch am nächsten Morgen abzuholen, um sicherzustellen dass ich die Fähre nicht verpasse. Scheinbar hatte sie nicht viel vertrauen in meinen Orientierungssinn 😉
Da ich immer noch Hunger hatte, wollte ich sie fragen, ob sie mich kurz noch in die nächste Stadt fahren kann. Sie meinte, sie könnte mich nach Feierabend abholen, und ob das okay für mich sei. Definitiv war das okay, denn so konnte ich noch duschen und die dreckigen Klamotten ablegen.

Nachdem ich zurück im Hostel dann duschte, kamen noch zwei weitere Gäste. Es waren zwei Finnen, die das Hostel nur fanden, weil sie irgendwie einen Japaner auf der Straße fanden, der das organisieren konnte. Diese Freundlichkeit ist unglaublich.
ich fragte die Finnen, ob sie aus Tokyo kommen, ja sagten sie. Ich fragte wo sie die letzte Nacht verbrachten, sie meinten in einem Kapselhotel in Asakusa. “Ich auch”, sagte ich, “in welchem Stock?” Im vierten, im selben Stock wo ich auch war. Die Beiden waren exakt dieselben zwei Leute die ich in der Nacht zuvor beim Kartenspielen störte. Und nun hier, 100km südlich von Tokyo in einem schwer zu findenen Hostel tauchen sie auf. Absurd. Wir mussten lange darüber lachen 🙂

Reiko kam dann nach Feierabend und brachte mich, und die Finnen die ich einlud mitzukommen, in den nächsten Supermarkt. Entlang des Weges grüßte Reiko viele vorbeifahrenden Autos. Auf Oshima kennt halt jeder jeden. Im Supermarkt musste sie auch viele Fragen zu den Gaijins beantworten, die sie da mitgebracht hat.

Wir verabschiedeten uns von Reiko, am nächsten Morgen würde sie mich zur Fähre bringen.
Die Finnen spielten wiedermal Karten und ich surfte im Netz. Wir unterhielten uns über Japan, Finnland und Deutschland, während das Hostel in Dunkelheit fiel und die Zikaden draußen leise verstummten.


Kein Roboter, nur Waschmaschine + Trockner

Am nächsten Morgen brachte mich Reiko dann zum Hafen und lud mich ein, das nächstemal in Oshima doch in ihrem Haus zu übernachten. Das werde ich auch tun, und viele Bilder aus Deutschland und Europa mitbringen.


Reiko


Mein Frühstück

Wir quatschten eine Weile. Etwas zu lang, denn als ich merkte dass meine Fähre schon abfuhr, war es zu spät. Wir sind noch wild winkend hinterher gerannt. Die Fähre sah uns, und drehte extra für mich um und fuhr zurück zum Hafen. Ich entschuldigte mich fünfmal bei den Hafenarbeitern, setzte mich in die Fähre und machte mich auf den Weg Richtung Niijima, die nächste Station und zwei Inseln weiter.

In Oshima fand ich das, was ich an Japan bis zu dem Zeitpunkt vermisste und in Tokyo nicht fand. Diese ehrliche Neugier, Freundlichkeit und Gastfreundschaft – und auch Abenteuer. In Tokyo war alles organisiert. Bei den Inseln hab ich mich einfach nur ins Boot gesetzt und bin rüber. Ich habe viel mehr erlebt, als jemals wenn ich nur dem Reiseführer gefolgt wäre. Ich möchte unbedingt nochmal nach Oshima, es ist sehr empfehlenswert. Ich konnte zwar nicht viele Fotos machen, aber viele Eindrücke gewinnen.

Teil 2: Insel-Abenteuer!: Niijima
Artikel (von mir) über alle Inseln der Izu-Shoto: auf yes!Tokyo