In der Höhle eines Otaku

Ein Autor, der Anime- und Otaku-Kultur studiert, recherchiert derzeit für ein neues Buch über Otakus, und hat mich beauftragt, einige Bilder zu liefern. Im Zuge der Recherche führt er einige Interviews mit Professoren und Kritikern, die sich wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandersetzen. Einer der Professoren war Otsuka Eiji, der uns in sein Atelier einlud: ein künstlicher Ort, voll mit lebensgroßen, toten Puppen, Zeichnungen und ohne Fenster – damit nichts von der Aussenwelt eindringen kann. Zwischen Figuren und Manga führten wir in dieser Otaku Höhle das Interview.

Das ich ein Anime- und Manga-Fan bin, will ich nicht leugnen. Genauso wie beim Medium Film gibt es aber gute und schlechte Beispiele dieser Kunstform. Ein Otaku ist nun jemand, der völlig in dieser Scheinwelt der Anime und Manga lebt, egal wie gut die Qualität dieser sein mag. Ausschlaggebend ist meist, das ein Anime genug “süße” Mädchen mit langen bunten Haaren und großen Augen hat.
Aber auch beim Begriff Otaku scheiden sich die Geister. “Hardcore-Fan” wäre eine Beschreibung, Spinner oder Freak ein anderer. Wirklich werten möchte ich das auch nicht.

Als ich anfing mich mit 12/13 für Anime zu begeistern, tauchte auch schon der Begriff Otaku auf. Zu dieser Zeit war Otaku ein gewisser Titel, der respektiert wurde. Wer viele Anime kannte und sein eigen nannte, der war Otaku, ein Anime-Experte.
In Japan war das wohl durchaus auch mal eine zeitlang so, bis einige Otakus durchdrehten und kleine Mädchen in ihre Keller sperrten. Die Medien verkehrten den Begriff Otaku arg ins Negative. In den letzten Jahren ändert sich das aber, und die “Generation Otaku” wird anders betrachtet. So bezeichnete sich auch der ehemalige Premierminister Taro Aso selbst als Otaku.
Otaku kann man auch jemanden nennen, der sein Hobby sehr stark auslebt und viel Zeit und Geld investiert. In der Hinsicht gibt es wohl auch Sport-Otaku und Fotografie-Otaku.

Was Anime-Otakus so anrüchig bzw. so “pervers” macht, ist die zunehmende Sexualisierung des Ganzen.


Quelle: Furu Anime Panikku Das hier ist aus einem Manga über Brot Backen. Ernsthaft.

Bei vielen Anime gilt derzeit “Sex vor Story”. Es reicht um Quote zu machen und Fans zu gewinnen. Es gibt dafür einen schönen Begriff: Fanservice. Das bedeutet, dass, selbst in einen normalen Manga, ab und an mal ein Panty-shot vorkommt, knappe Kleidung oder große Brüste bei der Protagonistin.
Einen Manga den ich aufgrund seiner Story und seines Humors sehr schätze ist One Piece, und auch hier streut der Autor selbst ein bisschen Fanservice ein:

n

Das ist im Prinzip dasselbe wie eine hübsche Schauspielerin für einen großen Film zu casten.
Sex sells.
Das gilt in Deutschland wie in den USA wie auch in Japan. Nur wird das im Bezug auf Otaku nur allzugerne nur darauf reduziert, wie auch in den Maid Cafes, in denen ich ja selber schon war.

Fakt ist allerdings auch, dass, im Gegensatz zu einer hübschen Schauspielerin oder einem hübschen Model, Anime- und Manga-Figuren nicht real sind. Sie existieren nicht.
Sie existieren nicht mit diesen Proportionen oder diesen leichten, aufreizenden Verhalten. Trotzdem werden sie von einigen Otakus so geliebt, als wären sie real. Sie werden zwar von echten Menschen synchronisiert, doch die sehen dann in der Realität meist etwas anders aus, als ihre Anime-Figur.
Echter.

Japan leidet an Kinderarmut. Noch mehr als Deutschland. Und das weniger, weil sich die Eltern in Japan keine Kinder leisten können (was ja in Deutschland das Problem zu sein scheint), sondern weil es eher mit der Vermehrung hapert. Sexualität findet nicht wirklich zuhause im Bett statt, sondern in den Medien.
Pornos werden in jedem Konbini verkauft und auch öffentlich in der Bahn gelesen. Das Fernsehen enthält viel mehr unterdrückte Sexualität als in Deutschland (in Deutschland ist sie eher offensiv und direkt). Trotzdem ist in Deutschland Sexualität was sehr privates, in Japan eher was sehr mediales.

Das möchte ich ebenfalls nicht werten, oder weiter ausführen. Im Zusammenhang mit Otaku möcht ich nur eine interessante Theorie vorstellen: 70% aller (unverheirateten) Japaner sind ohne Partner, die Geburtszahlen sind rückläufig aber der Umsatz von Otaku-Artikeln nimmt zu. Die Generation Otaku, falls sie existiert, gilt als sozial zurückgezogen und lebt ihre Sexualität vorm Fernseher oder Computer aus. Ob es da wirklich einen Zusammenhang gibt, weiss ich nicht, aber ich finde den Gedanken sehr interessant.

Otsuka Eiji ist nun einer derjenigen, die sich einige Gedanken um diese ganze Otaku Kultur macht. Er ist auch einer derjenigen, die diesen Begriff in den 80er Jahren geprägt haben.
Er lud uns nun, mich und den Autor für den ich das Interview begleitete, in sein Atelier ein. Es war in einem ehemaligen Künstlerviertel von Tokyo, in einem großen Wohngebäude mit hässlichen, kühlen, unkreativen, gesichtslosen Fluren:

Hinter einer von diesen anonymen Türen verbarg sich das Atelier von Herrn Otsuka. Es war recht dunkel, was es für Fotos schwierig machte. Keine Fenster. An den Wänden hingen lauter Zeichnungen, auf dem Boden stapelten sich Manga und in den Schränken waren lauter lebensgroße, gruselige Puppen.


Bin die ganze Zeit rumgelaufen um Bilder aus allen Perspektiven zu machen. Und natürlich hab ich den Stapel Bücher umgestoßen….

Es war schon etwas merkwürdig dort, vorallem weil Otsuka Eiji selbst auch das Klischee vom dicken, perversen Otaku zu erfüllen schien, mit seinem runden Bauch und den lebensgroßen Mädchenpuppen in der gesamten Wohnung Dazu kommt, dass er selbst vor einigen Jahren das Skript zu einem Lolicon-Hentai schrieb, was wohl korrekt übersetzt wär mit “Kleine Mädchen Porno”.

(Letzter Absatz wird mir bestimmt wieder fragwürdige Suchmaschinen-Besucher einbringen….)

Das Interview verlief wohl recht spannend, auch wenn ich wiedermal kein Wort verstanden habe. Otsuka Eiji und Hiroki Azuma, den ich ja schonmal fotografierte, sind die beiden großen Denker wenn es um Otaku Kultur geht. Eine Japanerin meinte zu mir, als ich ihr vom Shooting erzählte:

“Otsuka Eiji?? He’s fucking famous!!

Die Beiden können sich aber absolut nicht leiden, und Otsuka zog auch ordentlich über Azuma her 😉

Absolut alles in diesem Raum war künstlich. Selbst ein kleiner Miniaturbaum auf dem Tisch war aus Plastik.

So künstlich wie die Scheinwelt, in der die Otakus leben.

Nach dem Interview bat ich ihn, zu posieren. Ich richtete die Deckenlampen aus und platzierte ihn vor all den Puppen in seinem Schrank. Ich fand das irgendwie passend.

Ganz besonders stolz war er auf eine Zeichnung, die wohl schon recht früh als ‘moe’ galt:

Moe bedeutet, dass man etwas besonders süß findet. Das Ziel von vielen Anime in letzter Zeit, ist es eben dieses Gefühl von moe zu erzeugen, also etwas besonders putzig oder niedlich darzustellen. Meist auf Kosten einer interessanten Story.

In Anime- und Manga-Kreisen ist moe etwas gutes, etwas schönes. Ich persönlich find es grenzwertig, da die Unterschiede zum erwähnten lolicon recht fließend sind. Es ist ein Ding, ein Kind süß zu finden. Aber bei moe spielt auch ne gewisse Sexualität mit hinein, die ich für unangebracht halte. So werden Kinder gezeichnet, mit Proportionen und sexuellen Merkmalen wie Erwachsene, die sich allerdings noch wie Kinder verhalten, damit sie möglichst “süß” daher kommen.

Ich find das, nun ja, eher so:

Japaranoia

Donnerstag war Welt-Handwaschtag. Was bedeutet das in einem Land wie Japan, wo es üblich ist, sich bei der Begrüßung nicht die Hand zu geben, sondern sich höflich und distanziert zu verbeugen? In einem Land, in der alle Schiss vor einer “Schweinegrippe” haben? In der Gesichtsmasken zum Schutz vor Bakterien im öffentlichen Nahverkehr so präsent sind, als würde die Pest jeden Tag Millionen Menschen dahin raffen?
Nun, das hier:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=825gGELjB98&hl=de&fs=1&]

Und:

“Students in this area must wash their hands, gargle and spray hands with alcohol upon entering school,” he said. “Any time of the day, students are free to gargle, wash their hands and spray their hands with alcohol. They are allowed to wear masks if they want to.”

Yushi Yamada, a Tokyo fourth-grader, is learning the Japanese way early in life. He said he washes his hands four times a day, excluding the times after using the toilet.

“I know it’s very important,” he said.

But one mother at an elementary school said the school had alcohol hand gel. Some children licked it off their hands and became drunk.

via The L.A. Times

Zum Gel auch noch Alkoholgetränkte Taschentücher für Alle! So bleiben wir gesund.

“Es wächst in die Vertikale”

Tokyo ist… garnicht mal so groß wie ich das oft sage. Die meisten Häuser sind nicht höher als zwei Stockwerke. Und wenn ich in die kleine Seitenstraße neben unserem Haus hier in Shinjuku entlang gehe, so sieht es doch hier, im Zentrum einer der größten Metropolen der Welt, doch eher aus wie eine japanische Kleinstadt. Ein Vorort, mit Einfamilienhäusern und sogar einem Tempeln mittendrin. Bin gestern im Sonnenschein mal durch besagte Shoutengai rechts neben unserem Haus entlang spaziert. Feiertagsbedingt waren wenig Leute unterwegs und von an Laternen montierten Lautsprechern spielte leise Musik. Auf einmal wurde durch knarzige Lautsprecher “Downtown” von Peculia Clark gespielt:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=WUSYb3igXzI&hl=de&fs=1&]

in der solchen Zeilen vorkommen wie:

Just listen to the music of the traffic in the city
linger on the sidewalk where the neon signs are pretty
how can you lose the lights are much brighter there
you can forget all your troubles forget all your cares

Bei dem Begriff “neon signs” muss ich immer an Tokyo denken… Schon merkwürdig. Zumal ich dieses Lied das erste Mal hörte, als meine Erdkunde-Lehrerin Frau Koblischke (nebenbei auch Musik-Lehrerin) ihn im Unterricht vorsang, um uns nen bestimmten Hinweis zu geben.

Ich schlich mich dann zum Tempel, einer Oase der Ruhe in Tokyo. Die einzigen Geräusche kamen vom Wind in den Bäumen, durch den die warme Abendsonne schien.

Ich habe bewusst die Kamera zuhaus gelassen. Fotografieren ist mein Job, und ich liebe es, aber selbst davon brauch ich mal ne Pause, um auch ein Foto nur für mich zu schießen, mit dem Herzen.

Doch genug davon, worauf ich eigentlich hinauswollte ist die Höhe von Tokyo. Meine eigene Höhe ist übrigens über japanischen Standard (jedoch weit unter deutscher Durchschnittsgröße), weswegen ich mich hier mal richtig groß fühlen kann 😉 Mein Zimmer ist ebenso japanisch klein, “wächst aber langsam in die Vertikale”, wie mein Mitbewohner gestern feststellte, nachdem ich ihm meine neuese Errungenschaft zeigte: Ein Bücherregal!

…welches ich durch halb Tokyo mittels U-Bahn transportieren musste:

Die meisten Zeit hab ich das Regal auf meinem Kopf balanciert, was selbst die Japaner merkwürdig fanden. Und das soll was heissen!

In meinem Zimmer stehen keine Möbel bis auf meine Futon auf dem ich penne und jede Nacht den Rücken malträtiere, und ein Tisch vom Vormieter. Sonst nur blanker Fußboden, auf dem meine ganzen wichtigen Dokumente und/oder Essensreste verstreut liegen. Das konnte so nicht weitergehen und über twitter fand ich dann ein Buchregal für 1000 yen (ca. 8€).

Ein Chinese, der seit 11 Jahren in Tokyo lebt (und an sich an diesem morgen derbe beim Rasieren geschnitten hatte… seine ganze linke Gesichtshälfte war rot und mit Pflastern zugeklebt) wollte sich vom Regal trennen um Platz zu machen zuhause. Er wohnte in Oshiage, das ist im östlichen Teil von Tokyo.

Also ich aus der Station heraustrat sah ich das:

Ein gigantisches Baugerüst was sich majestätisch zwischen den ganzen Wohnhäusern aufbaute und doch so seltsam platziert aussah. Solch ein großes Ungetüm zwischen all den kleinen japanischen Häusern.

Das ist der Tokyo Sky Tree, welcher in drei Jahren über 600m gewachsen sein soll, und damit ein bisschen weniger als doppelt so hoch wäre wie der Tokyo Tower, im Westen der Stadt.

Der Turm gehört zu einer Reihe von Projekten, die als “Rising East Project” zusammengefasst werden. Meiner Vermutung nach soll es diese östliche, etwas vom Zentrum entfernte Ecke von Tokyo wiederbeleben.


links: wie es mal aussehen soll, rechts: wie es grad aussieht

Viele Japaner fotografierten das Gerüst und viel mehr das Schild, wo der fertige Turm drauf war. Sie stellten sich davor und grinsten in die Kamera, als ob das Schild allein schon eine Sehenswürdigkeit ist.

Aber zugegeben, wenn der fertig ist, sieht der schon cool aus:

hoch
Quelle: japanite.com

Die Anwohner, die ich zum Turm befragte, sahen dem Ergebnis eigentlich recht positiv entgegen, gerade weil es diese Ecke etwas belebt, und neue Geschäfte hinzukommen. Der Hauptgrund für den Bau dieses Turms ist ein besserer Fernsehempfang, er soll größtenteils als Sendemast fungieren (und natürlich auch als Touristenfalle). Und ich glaube von dem Turm aus kann man wirklich gut fern sehen.

höher
Quelle: wikipedia.org

Das Ganze toppt eigentlich nur noch der Tokyo Millenium Tower der jedoch wohl nicht allzubald das Licht der Welt in Tokyo verdecken wird:

am höchsten

ebenso hoch

Der Turm soll(te) 840m hoch werden und als eigenständige Stadt funktionieren. Dieses Jahr sollte es eigentlich los gehen, aber da hat die Wirtschaftskrise wohl etwas Jenga gespielt, und wichtige Bauteile, nämlich Geld, entfernt.

Es macht durchaus Sinn in einer Stadt wie Tokyo und in einem Land wie Japan, in dem “Platz” zu den schwindenen Ressourcen gehört, konsequent in die Höhe zu bauen. Oder um es wie mein Mitbewohner zu sagen:

“Du wächst in die vertikale, Fritz. Evolutionshistorisch gesehen ist das ein sehr richtiger Schritt”

Trotzdem schlaf ich immernoch auf dem Fußboden, mit ner 5cm dicken Matte dazwischen. Auch wenn sich dieser Fußboden mal in 800m höhe befinden sollte, so sollten die Matratzen auch relativ dazu wachsen – sonst kann ich auch unten bleiben.

“you’re a journalist?!?”

Ich traf den neuen Außenminister Japans Katsuya Okada auf ein Sandwich – und neben mir, trafen ihn noch 200 andere, meist grauhaarige Journalisten aus der ganzen Welt, im Foreign Correspondent Club Japan.

Japan hatte ja im August gewählt, und diesmal anders als in den letzten 50 Jahren zuvor. Die neue Regierung hat auch schon neue Minister aufgestellt, während unsere frisch gewählte Merkel erst noch suchen muss.
Der neue Aussenminister heisst Katsuya Okada, ein Student der Tokyoter Elite-Uni Toudai ist durch mehrere Parteien gegangen bis er vor mehr als zehn Jahren die DPJ gründete, die seit Ende August nun Japan regiert.

Der Foreign Correspondent Club macht mehrmals im Monat solche Events, die eigentlich ganz spannend und für jeden Journalisten offen sind. Vorallem da sich die neue Regierung der Presse mehr öffnen möchte, als die Alte.
Ich wollte mir mal das ganze Spektakel anschauen, auch wenn ich keine Fragen an Herrn Okada, oder eine Redaktion, die mir das Ganze abnimmt, hatte.

Da bei solchen Sachen auch immer Dresscode herscht, ich aber nicht so wirklich Lust drauf hatte, traf ich ne elegante Schwarz/Weisse Lösung und machte mich auf den Taifun auf nach Ost-Tokyo.

Das sollt ich an dieser Stelle vielleicht auch mal erwähnen: Es zieht gerade ein Taifun landeinwärts auf Tokyo zu. Diesemal fliegt er nicht nur knapp dran vorbei, sondern wird direkt über der Metropole für Mistwetter sorgen. Es regnet schon seit Tagen, aber morgen soll es ganz Dicke kommen. Ich mach mir wenig Sorgen, ein Taifun wird von den Japanern meistens eh nur als Vorwand genutzt, schneller Feierabend machen zu können, da es bei diesen Winden und Regentropfen ja viel zu gefährlich sei, die U-Bahn nach Hause zu nehmen. (Das ist tatsächlich ihre Argumentation)

Den Foreign Correspendent Club Japan gibt es seit 1945, und ist dementsprechend eine traditionelle und vorallem alte Einrichtung. Alles etwas steif, und ich fiel dementsprechend auf. Zumal über 70%, der heut anwesenden Journalisten, Japaner waren. Bei der Rezeption wurde man schon leicht skeptisch:

“Hello, my name is Fritz Schumann, I have a reservation”
“Okay, are you a member?”
“No.”
“Are you from the embassy?”
“No.”
“Okay, are you working for a media?”
“No.”
“But you are a journalist??”
“Yes, I am.”
“Do you have a business card?”
“No.”
“You’re sure, you’re a journalist?”
“Yes, you want to see my press card?”
“No that’s fine, the room is over there, thank you”
“No, thank you…”

(wohlgemerkt eine Japanerin)

Im Raum war viel graues Haar und gedeckte Tische. Ich wusst nicht so recht wohin, also schaute ich erstmal aus dem Fenster, aus dem 20. Stock auf Tokyo im Taifun:

hier soll ein bild stehen
(naja gut, es sah nicht ganz so aus…)

Ich war auch nicht der Einzige, der die Aussicht genoss:

Ich fragte dann rum, wo ich denn sitzen soll. Es folgte wieder die Frage “you’re a journalist?” welches ich dann wieder bejahte. Ein älter Herr nahm mich dann beim Arm und führte mich zu den Pressetischen.
Ich nahm Platz neben dem Einzigen, der so fehl am Platz aussah, wie ich mich fühlte. So traf ich Chris, ebenfalls 21 Jahre alt und seit 5 Jahren (!) in Tokyo. Auf die Frage, warum er denn in Tokyo sei, sagte er mir, er hatte sich für das falsche Stipendium beworben. Er wollte sich eigentlich auf der High School für eine Uni bewerben, hatte das falsche Formular erwischt und ist dann mit einem Stipendium in Japan gelandet. Was ein Pech….
Nun arbeitet er für Reuters, was mit 21 Jahren schon ne verdammt krasse Leistung ist, find ich. Ich persönlich dachte immer, dass ich mit 21 Jahren in Tokyo als Journalist arbeite, ist schon eine echte Seltenheit. Und dann toppt das noch einer so verdient. Tokyo ist immer für Überraschung gut.

Nebenbei brachte der Kellner das Essen und fragte, ob ich Kaffee möchte. Ich sagte “iie” (sprich:[ihje]) was “nein” auf japanisch heisst. Scheinbar muss ich es so falsch ausgesprochen habe, dass es der Kellner als “Ja bitte, mach mir die Tasse bis oben hin voll!!” verstanden haben muss.

Dann betrat Herr Okada das Podium. Er bekam vom FCCJ-Präsidenten ein grünes Tuch (?) geschenkt, und nannte es “Ökofarbe”. Okada freute sich, auch weil er, so fügte er hinzu, leidenschaftlich Frösche sammelt und alles was dazugehört (Figuren, Bilder…), und die Farbe erinnert ihn an Frösche…
Danach war kurzes Posieren für die Kameras. Sofort hoppelten zehn Fotografen mit großen, schweren und teuren Kameras nach vorne und blitzen um die Wette. Nach zehn Klicks hoppelten sie wieder zurück.
Da ich ja mittlerweile gewohnt bin, bei Pressekonferenzen für meine kleine Kamera immer (zu Recht) ausgelacht zu werden, wartete ich, bis der erste Sturm vorbei war, und ging dann selbst nach vorne. Irgendwie hat der Herr Aussenminister mich wahrgenommen, und schaute direkt, etwas skeptisch, in meine Linse:

Er konsultierte dann noch seinen Nachbarn: “He, ist der da wirklich ein Journalist?”

*Seufz* “Scheint wohl so….”

Und dann gings los. Er hielt eine kleine Ansprache über seine und Japans Ziele in der Außenpolitik. Wichtige Punkte waren dabei die Allianz mit Amerika, eine Ost-Asien-Gemeinschaft (nach Vorbild der Europäischen Union) und ein bisschen Nordkorea gabs auch.

Zwischen Japan und Amerika gab es jüngst etwas Verstimmungen, da wohl Protokolle und Verträge der ehemaligen Regierung existierten, die durch gewisse Klauseln es den Amerikaner gestatteten, Raketen und Kernwaffen auf japanischen Boden zu lagern und zu stationieren. Die Japaner würden nun gerne erfahren, ob solche Waffen hier gelagert waren und wie das passieren konnte. Verständlicherweise verfolgt Japan eine absolute Anti-Atomwaffen-Einstellung, und bei diesem Thema sind sie sehr empfindlich.
Sollte es tatsächlich so sein, wie derzeit untersucht wird, dann ist es auch eine ausgemachte Sauerei.

Trotzdem betont Okada die Bedeutung der japanisch-amerikanischen Beziehung. So verweist er auch auf die Schutzfunktion der amerikanischen Truppen, die hier stationiert sind. Japan hat ja keine eigene Armee und gegen die Bedrohung aus Nordkorea hoffen sie eben auf die Amerikaner.

Nordkorea indes hat in der letzten Nacht eine erneute Gesprächs-
bereitschaft signalisiert. Der Aussenminister begrüßt das, äußert sich aber neben dem Hinweis, bei Gesprächen mit Nordkoreanern “Geduld und Durchhaltevermögen” mitzubringen, nicht viel mehr dazu.
Grundsätzlich blieb er in seinen Äußerungen recht knapp, sachlich und pragmatisch. Während Premier Hatoyama von Vision spricht, will er nicht so sprechen, sondern schauen, was sich bewegen lässt.

Seine Worte wurden unterschiedlich von den anwesenden Journalisten aufgenommen:

Es wurde interessiert zugehört:

…oder etwa doch geschlafen?

Es wurde immer alles in Japanisch oder Englisch übersetzt, von einer sehr komepetenten Übersetzerin. Doch manchmal musste man sich schon konzentrieren, um mitzukommen:

Japanische Journalisten sind bei Themen die Japan betreffen immer recht, nun ja, “höflich”. Es wird selten kritisch berichtet oder nachgefragt. So lag es an den ausländischen Journalisten (darunter zwei Deutsche, u.a. von der FAZ) ein paar kritische Fragen zu stellen. Allerdings gelang es nicht wirklich, aus dem eisernen Okada etwas konkretes oder neues herauszukommen.

Der 21 jährige von reuters, der mir gegenüber saß, war nur hier für “DIE story”. Vorzugsweise etwas bahnbrechendes über Nordkorea. Doch das kam nicht, und er fragte auch nicht danach.
Er beschrieb Journalismus als Spiel. Wer am schnellsten die Nachricht verbreitet, gewinnt. Der größte Konkurrenz zu reuters ist AP. Reuters muss immer schneller sein als AP, dann gewinnen sie.

Ist Journalismus wie Sport? Ich glaube ja. Es gibt auch hier Egozentriker, die allen beweisen müssen, wie toll sie sind. Es gibt auch hier Betrug. Und vorallem gibt es wie im Sport verschiedene Sportarten des Journalismus.
Ich persönlich möchte nicht dieses “Spiel” für reuters, AP oder DPA spielen, wo Tragödien nur noch zu schnellen Zeilen werden, gestorbene Schicksale zu Zahlen und Menschen zu gesichtslosen Quellen.

Trotzdem habe ich meinen Respekt für diese Forscher des globalen Wissens, der weltweiten Neuigkeiten. Ohne sie wüssten wir auch nur, was in unserem Kiez passiert. Doch ich persönlich möchte diesen Weg nicht gehen.

Es gibt ein Bild, das heut entstand und das mir sehr gefällt, weil so viel drauf passiert:

Die vielen Fotografen die Spalier stehen, um DAS Foto zu erwischen. Jedesmal wenn Okada eine Bewegung mit der Hand machte oder durch ein Augenrollen die eiserne Miene durchbrach, klickte eine wahre Shutter-Symphonie im anderen Ende des Saals. Danach wieder Ruhe.

Schauen wir uns nochmal das Bild an. Auffällig ist der Herr am Telefon, der verzweifelt telefoniert:

Wahrscheinlich muss auch er die Story möglichst schnell und vor den anderen nach draussen bringen – auch wenn er noch gar nicht weiss wie.

Unten links im Bild ist auch ein Fotograf, der mit leicht zugekniffen Augen und Fluppe(!) im Mund versucht ein gutes Bild auf 7m Distanz zu machen:

Was, wenn ich die Linse und seinen Blick richtig deute, nicht gelang.

Japanisch pünktlich wurde die Sitzung beendete und 200 Journalisten drängten sich in 3 viel zu kleine Aufzüge, um ja wieder fix in der Redaktion zu sein, um die Story noch vor den anderen rauszubringen. Das Alle schlussendlich die selbe Story haben, stört sie anscheinend nicht.

Hauptsache schnell.