Aus dem Archiv #02 – Berliner Helden

Die wöchentliche Fotoserie im Jugendressort der Berliner Zeitung mache ich seit zwei Jahren, stets mit wechselnden Themen. Hier nun mal einige Bilder aus der Reihe “Mein Held”, die meine erste eigene Reihe auf der Seite war.

“Glotzt nicht so romantisch”

“Wie bist du zur Fotografie gekommen?” fragen mich viele Leser dieses Blogs. Wenn mit der Frage der berufliche Einstieg gemeint ist, und nicht meine Motivation für Fotografie, so antworte ich mit: “Nach dem Abitur und dem Ende meiner Schülerzeitungszeit suchte ich nach neuen Wegen, mich journalistisch zu betätigen. Durch ein Interview, das ich einem Jugendredakteur der Berliner Zeitung gegeben habe, kam ich so zur Redaktion, wo ich ab August 2007 dann schreibend aktiv war. Irgendwann war der eigentliche Fotograf für die Reihe mal verhindert, ich meldete mich schüchtern und meinte, dass ich als Hobby fotografiere. Und nun drei Jahre später mache ich immer noch die Reihe.”

Kurz gefasst, ist das die Geschichte. Die lange Version ist noch etwas umfangreicher und enthält viele Gespräche beim Art Director der Seite, der zu mir meinte: Noch so ein Foto, und wir suchen uns einen anderen Fotografen!
Es war eine harte Schule, aber auch eine sehr gute. Meine Bilder wurden wöchentlich abgedruckt und es gab ein gutes, professionelles Feedback. Mit dem Stil der Reihe versuchte ich mich an den Fotografen zu orientieren, die diese Reihe ursprünglich konzipierten, und die ich beide bis heute als Fotografen sehr bewundere. Beide waren damals die Stammfotografen der Berliner Zeitung, jeden Tag habe ich ihre Werke in der Ausgabe angeschaut und analysiert, um von ihnen zu lernen.
Einige Monate später, nachdem ich die Reihe übernommen hatte, telefonierte ich mal mit einem dieser Fotografen, der etwas neidisch war, dass ich ihm nun diese Reihe weggenommen hatte, die er als sein “Baby” begonnen hatte, als Ort, sich kreativ auszutoben.

Auch wenn mein Foto auf der Seite dann immer ca. ein Viertel-Seite Raum einnahm, so wurde ich nicht dafür bezahlt. Ich investierte viel Zeit und Mühe, das zu ändern. Natürlich waren zu Anfang auch meine Bilder nicht so dolle, aber mit der Zeit änderte sich das auch. Inzwischen gibts auch etwas Geld, sonst würde ich die Reihe auch nicht mehr machen, auch wenn sie eine regelmäßige Herausforderung ist und manchmal Spaß macht (das Thema der Reihe derzeit und meine eingeschränkten Möglichkeiten mag ich nicht so).

Die erste Reihe, die ich übernahm, wurde mir einigen Wochen in der sie bereits lief und von einem anderen Fotografen gemacht wurde, übergeben. Der Fotograf wurde Vater und konnte deswegen einige Tage nicht die Bilder machen, doch bei den Deadlines von Tageszeitungen ist das immer schwierig. Ich übernahm dann diese Reihe, die sich grob mit “Mein Lieblingsfilm” umschreiben lässt. Ich habe diese Reihe sehr geliebt, jede Woche hatte ich neue Ideen und Filme, die man darstellen konnte. Dabei ging es nicht darum, das Filmplakat nachzumachen oder eine bestimmte Szene zu fotografieren, sondern irgendwie die Idee des Films in einem Foto zu treffen, bzw. was diese Idee für das eigene Leben bedeutet. Dazu gabs dann auch nen Text, der das Foto mehr erläuterte.

Dass es zu den Fotos auch immer Text gab, schnitt mich etwas ein. Denn ich sollte zwar schon die ganze Geschichte in einem Bild erzählen, trotzdem aber auch nicht mehr machen, als den Text zu illustrieren. Schon früh wurde ein hoher Anspruch gesetzt, an dem ich oft zu beissen hatte. Harte und gute Schule.

Nach dieser Reihe mit den Filmen begann die Reihe “Mein Held” die ich als erste Reihe von Anfang bis Ende machen durfte. Die Reihe habe ich auch geliebt, am Ende musste ich die Chefredaktion anbetteln, sie noch weiterführen zu dürfen. Ich selbst bin auch dreimal in der Reihe vertreten. Den Rest der Leute auf den Fotos sind junge Leute aus der Redaktion und jeweils ihr Held.
Um die Fotos wieder rauszukramen, musste ich ganz tief in mein chaotisch geführtes Archiv schauen. Bei der Gelegenheit fand ich noch ein paar alte, fast vergessene Fotos und Musik-Alben. Zwar nett, diese wieder zu finden, doch es ist nicht ganz so spannend, ein digitales Archiv durchzuwühlen, als alte Negative und Platten auf dem Dachboden in ner Kiste zu finden…

Hier nun die Bilder, die ich noch finden konnte und für einigermaßen gut befunden habe. Als kleine Herausforderung könnt ihr ja erst das Foto ansehen und raten, welcher Held gemeint sein könnte. Im Text darunter gibts dann die Auflösung.

Vorher noch zum Bild oben:

Der Held von ihm war, zu Recht, Bertold Brecht. Für das Foto haben wir das Berliner Ensemble angefragt, Brechts altes Schauspielhaus – und die haben ernsthaft eingewilligt. Der komplette Saal war leer, bis auf Handwerker auf der Bühne. Wir hatten den ganzen Saal für uns für das Foto, und auch das komplette Licht. Oben saß ein Typ, der dort seit 30 Jahren das Licht bedient, und vor dem Fenster seines Kabuffs auch diverse Kanzler und Regierungsnasen zu sitzen hatte. Ihm konnte ich nun diktieren, wie ich das Licht gerne im Saal hätte, für das Foto.
Um ehrlich zu sein, ich hatte zu dem Zeitpunkt absolut keine Ahnung von Licht und wie meine Kamera drauf reagiert – aber es war einfach verdammt geil über das Licht in diesem alten, erhabenen Saal zu bestimmen. Am Ende standen rund 200 Fotos und ich konnte nur wenige gebrauchen, dafür sind die wenigen dann aber auch gut geworden. Diese Schild-Hochhalt-Aktion geht auf Brecht zurück, der sowas wohl bei Proben gemacht haben soll.

Das hier war der Freund einer Redakteurin, er war, wie sie, Jurastudent, und sein Held war Link, aus der Videospielreihe “The Legend of Zelda”. Die Reihe ist meine persönliche Lieblingsvideospielreihe, also gab ich mir auch extra Mühe. Das Shooting war Anfang Januar, wenn ich mich nicht täusche sogar am 1.1., da der Kerl nur für Silvester in Berlin war und dann wieder nach Wien musste. Es war saukalt, doch trotzdem hat es gut funktioniert.

Ihre Heldin war Anne Frank. Ein heikles Thema und ich habe lang überlegt, was man machen kann. Schlussendlich beschloss ich, ihr Verstecken darzustellen, mit ihrem Buch kräftig umklammert und einem Lichtstrahl im Gesicht als ein Zeichen von Hoffnung.
Mit dem Sepia-Farbton und der genauen Abmischung hatte ich mir sehr viel Mühe gegeben – nur um dann festzustellen, dass die Seite, bis heute einmalig, in schwarz/weiß gedruckt wurde!

Mein erster Auftritt. Der große Held meiner Jugend war Justus Jonas, von den drei Fragezeichen, dieser Jugendbuch und vorallem Hörspielreihe. Die Hörspiele höre ich bis heute sehr gern, beinah täglich.
Ich konnt mich früher sehr stark mit Justus’ Cleverness und Frechheit gegenüber Erwachsenen identifizieren. Und die Tätigkeit von einem Detektiv, zumindest so wie es bei ihm dargestellt wird, ähnelt auch sehr stark der eines Journalisten – Recherchieren und Geschichten rausfinden. Schon als Kind fand ich das spannend und heute verdien ich (manchmal) Geld damit. Justus funktioniert also weiterhin als mein Held.

Ihre Heldin war Silke Super, eine Radiomoderatorin, die immer morgens auftrat, aber eigentlich dafür viel zu müde war. Für ihre unerschütterliche Disziplin, mit Koffein im Blut ihre Arbeit durchzuziehen, bewunderte das Mädel sie. Mit ihr war ich übrigens auch in Palästina.
Fotografiert haben wir im Radio-Raum vom Offenen Kanal Berlin, zu einer Zeit, wo ich dort fast täglich war, da ich geschäftlich mit ihnen zu tun hatte. In dem Raum gab ich einem Jugendradio auch mal ein Interview. Ein Mitschnitt, der etwas abrupt beginnt, davon:

[blip.tv ?posts_id=4363526&dest=-1]

(Ich bitte die jugendliche Arroganz und Käselaberei zu entschuldigen – ich wusste es nicht besser)

Mein zweiter Auftritt, diesmal als Werther, aus Goethes “Die Leiden des jungen Werther”. Wie schon beim ersten Foto von mir oben, habe ich das Foto natürlich nicht selber gemacht. Beim Foto oben war es ein guter Freund – bei diesem Foto war es das Mädchen, das ich liebte.
Sie war eine junge Schauspielerin, die ich bei einem Beitrag über einen Theaterwettbewerb kennen lernte. Sie machte den zweiten Platz und ich nutzte die Gelegenheit, mit ihr ein Interview zu machen. Bei solchen Sachen liebe ich meinen Job echt.
Sie machte zu der Zeit ein Praktikum im Kostüm-Archiv vom Deutschen Theater – perfekt für das Foto, da ich so ein altes, klassisches Kostüm brauchte. Das Shooting, wie alles mit ihr, lief unglücklich ab. Passend zum Foto, dessen Thema ja der Werther mit seiner unglücklichen Liebe war.
Sie war stark genervt, dass ich mir meine Zeit ließ, um das richtige Kostüm zu finden. Ich als Romantiker habe Goethes Werther geliebt und daher war mir das Foto und eine richtige Kostümierung wichtig.
Sie hasste Werther.

Sie ging dann nach Argentinien und ich nach Japan. Es war das Beste so.

Mit ihr machte ich damals sehr gerne Fotos. Sie sagte zwar immer über sich kein gutes Model zu sein, doch sie war eines der besten, mit denen ich je zusammen gearbeitet habe. Einfach weil sie umsetzen konnte, was ich von ihr wollte. Oft wusste sie es schon bevor ich es sagte. Die Chemie stimmte einfach.
Ihr Held in diesem Foto war Sophie Scholl. Die Inspiration zu diesem Foto war die Flyer Aktion, die sie zuerst die Freiheit und dann das Leben gekostet hat. Für das Foto holte ich mir einen Freund, eine Leiter, und viel Papier. Er schmiss das Papier, dass um sie rumflog und sich auf den Straßen von Berlin verteilte, und ich drückte ab. Am Ende fügte ich das Papier von mehreren Aufnahmen zusammen, damit es wirklich so aussieht, als würde das Papier um sie fliegen – wie freie Gedanken.

Ihr Held war ihre Mutter, die viele Sachen gleichzeitig macht. Das ist übrigens meine Küche, und in der Pfanne war mein Abendessen von dem Tag. Nudeln mit Speck, lecker.

Das bin wieder ich, mit einem weiteren Held. Es ist Andreas Gursky, ein Fotograf mit einem sehr individuellen Stil, dessen Vision über eine Fotografie hinaus gehen. Zudem stammt er aus Deutschland und seine Fotografien erzielen Spitzenpreise bei Auktionen, sein Foto war das erste, dass für mehrere Millionen verkauft wurde.
Um seine Visionen umzusetzen setzt er bewusst Bildbearbeitung ein, um Werke zu schaffen, die begeistern, bewegen und nachdenklich machen, und dabei nie den ersten Eindruck von “das sieht ja aus, als wäre es wirklich so” verlieren. Um nun die Essenz von Gursky, musste ich auch etwas abgedreht, abgehoben und nicht ganz aus dieser Welt aber irgendwie schon, ein Foto machen.
Um ehrlich zu sein, war da nicht viel Gedanke dabei. Ich legt mich auf den Rücken, fotografierte über Kopf und dachte: das passt. Dann noch Photoshop und Fritz-Gursky war komplett.

-> Weblink: Auszüge aus seinem Werk

5 thoughts on “Aus dem Archiv #02 – Berliner Helden”

  1. ich bin früher über Jugendfotos auf deinen Blog gestoßen und deine Blogbeiträge sind immer wieder lesenswert…
    hatte nur das Foto der Anne Frank erraten…

    Anik

  2. Zelda war natürlich leicht zu Raten 😉
    Jedenfalls wieder tolle Bilder und eine schöne Geschichte aus dem Leben, vor allem das Interview im Radio find ich spannend. Man sieht ja sonst nur immer deine Bilder und die Texte, jetzt hat man noch eine Stimme dazu.

    1. danke, auch wenn ich mich selbst absolut nicht hören kann. hab ja auch einige interviews mit film gemacht, wo ich mir immer mühe gebe wegzuhören, wenn meine stimme auf dem band ist…

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